Edwin Sam ist einer der Letzten seiner Art. Er führt die Geschäfte einer Geflügelfarm in Ghana mit Tausenden Tieren und 15 Mitarbeitern. Doch sosehr sie sich auch anstrengen auf der Farm, mit dem tiefgefrorenen Billiggeflügel aus der EU können sie kaum konkurrieren. Säuberlich in Plastik verpackt liegt es auf dem Markt, oft zum halben Preis von dem, was ghanaisches Geflügel kostet.

Die Importhühner sind zum Symbol einer Übermacht geworden. In großen Mengen werden Überschüsse aus subventionierter US- und EU-Produktion billig in afrikanischen Ländern verkauft. 2014 landeten allein aus Deutschland 48.000 Tonnen Hähnchenfleisch in Afrika. Geflügelbauern wie Sam haben mittlerweile nur noch einen Marktanteil von geschätzten 20 bis 40 Prozent, die Versuche der Regierung, den Import zu begrenzen, scheiterten bisher. Dabei steht das Huhn nur stellvertretend für weiteres Fleisch, Obst und Gemüse aus Europa und damit für die Risiken, die sich mit den Freihandelsabkommen noch verschärfen könnten. Die sogenannten Economic Partnership Agreements (EPAs) – die derzeit zwischen den Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten (AKP) und der EU ausgehandelt werden: Die Länder müssen ihre Märkte dabei bis zu 83 Prozent für europäische Importe öffnen sowie Zölle und Gebühren abschaffen. Behalten dürfen sie im Gegenzug das, was sie schon hatten: den zollfreien Zugang zur EU.

47 afrikanische Staaten verhandeln in fünf Gruppen mit der EU, drei Gruppenabkommen stehen bereits, zudem gibt es mit fünf Ländern Übergangsabkommen, und bis Ende nächsten Jahres sollen alle EPAs ratifiziert werden. Erst vor wenigen Wochen hat Deutschland dem EPA mit der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft zugestimmt.   

Viele afrikanische Staaten hätten allerdings aufgrund fehlender Infrastruktur und ineffizienter Industrie kaum Chancen, den EU-Waren standzuhalten oder selbst verarbeitete Produkte nach Europa zu exportieren – und könnten sich, sobald sie einmal in dieser ungünstigen Lage sind, auch nicht weiterentwickeln. Das sagen EPA-Kritiker wie Günter Nooke, der Afrika-Beauftragte der Bundeskanzlerin, Attac oder die Grünen. Das Entwicklungsministerium hält dagegen: Die Länder könnten die Zölle anheben, wenn die lokale Industrie in Gefahr schwebt. Jann Lay vom GIGA Institut für Afrika-Studien betont zudem, dass auch die Verbraucher vor überhöhten Preisen infolge von Zöllen geschützt werden müssten. 

„Noch heute sind koloniale Hierarchien im Handel präsent“, sagt Andreas Eckert, Professor für die Geschichte -Afrikas an der HU Berlin. Bereits die Römischen Verträge von 1957 sicherten in erster Linie den Zugang europäischer Länder zu afrikanischen Rohstoffen. Der Kurs änderte sich, nachdem sich viele ehemalige Kolonien zusammengeschlossen hatten. 1975 erhielten sie mit dem ersten Lomé-Abkommen die Gelegenheit, billig nach Europa zu exportieren, ohne selbst in großem Stil auf Zölle verzichten zu müssen. 

Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds setzten hingegen mehr auf Freihandel, so bei ihren Strukturanpassungsprogrammen der 1980er- und 90er-Jahre. Damit Kredite flossen, mussten afrikanische Staaten bestimmte Sektoren modernisieren und dem freien Markt überlassen. Die Programme konnten selten vollständig und mit Erfolg umgesetzt werden. Vielerorts kam es zu Tausenden Entlassungen, wie in der Bekleidungsindustrie in Sambia.

Die Welthandelsorganisation bemängelte, dass die EU-Staaten ihre früheren Kolonien gegenüber anderen armen Ländern bevorzugen, und bestand auf ihrem Prinzip der Nichtdiskriminierung. Unter anderem die EPAs lösten die Lomé-Abkommen daraufhin ab. Doch sie stießen nicht überall auf Gegenliebe. Gerade die wirtschaftlich stärkeren Länder wollen weiterhin in die EU exportieren, ohne dafür ihre eigenen Märkte öffnen zu müssen. Zehn Jahre lang wurde mit der Ostafrika-Gruppe gerungen, bis Brüssel ein Ultimatum stellte: Es erhob im Oktober 2014 auf einige afrikanische Exportschlager Zölle. Mit Erfolg: Um weiter billig Schnittblumen in die EU liefern zu können, stimmte Kenia schließlich dem entsprechenden Abkommen zu.