Thema – Identität

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So ist es, ich zu sein: Hartz-IV-Empfänger

Alex (31) ist arbeitslos und hat das Gefühl, dass ihn andere wie Dreck behandeln

Illustration: Jindrich Novotny
 

Auf meine Freunde lasse ich nichts kommen. Die haben nie auf mich herabgeschaut. Die wissen ja selber, wie es ist, auf Hartz IV zu sein. Aber andere Leute, die mich eigentlich gar nicht kannten, haben mich oft behandelt wie Dreck. Immer wieder verdächtigen mich irgendwelche Typen, ein Schmarotzer zu sein. Am schlimmsten ist es, wenn ich den Fernseher anmache und dann eine Reality-Sendung auf RTL 2 läuft. Da werden Arbeitslose als der letzte Abschaum dargestellt. Fette Säufer, die Kette rauchen, nichts in der Birne haben und den Staat ausrauben. Das bin doch nicht ich!

Im Fernsehen werden Arbeitslose als der letzte Abschaum dargestellt:
Fette Säufer, die Kette rauchen, …

Als Hartz-IV-Empfänger ist man sowieso schon ganz unten. Und dann muss man sich auch noch mit den Folgen dieser Zerrbilder auseinandersetzen, die Neid und Wut bei arbeitenden Menschen erzeugen. Erst wenn die Leute verstehen, dass wir nicht diese Karikaturen aus dem Fernseher sind, bauen sie ihre Vorurteile ab. Und wenn sie erfahren, wie mancher zum Empfänger von Sozialleistungen wurde.

Ich habe meinen Schulabschluss erst auf dem zweiten Bildungsweg gemacht. Aber faul war ich nie. Ich bin Elektriker geworden und war bei Zeitarbeitsfirmen angestellt. Auf den Baustellen habe ich immer mein Bestes gegeben. Eines Tages bin ich auf eine 13 Meter hohe Leiter geklettert, habe aber das Gleichgewicht verloren. Wenn da nicht zufällig Dämmmaterialien gelegen hätten, wäre ich tot gewesen. So waren Nerven und Muskeln zerstört. Körperlich arbeiten kann ich bis heute nicht mehr. Die Zeitarbeitsfirma zahlte mir noch ein paar Wochen weiter Gehalt und schmiss mich dann raus. So landete ich schließlich beim Jobcenter und irgendwann bei Hartz IV. Für die Berater dort war ich nur eine Nummer, die haben mich gar nicht behandelt wie ein Mensch.

… die nichts in der Birne haben und den Staat ausrauben.
Das bin doch nicht ich!

Schnell wurde ich in die erstbeste Maßnahme gesteckt. Ich musste zu einem sogenannten Bewerbungstraining. Acht Stunden am Tag gemeinsam mit 30 anderen in einem Raum sitzen und einem inkompetenten Dozenten zuhören, der erklärte, wie man eine Bewerbung schreibt. Arbeit habe ich dadurch keine gefunden. Am liebsten hätte ich eine Umschulung gemacht, aber davon wollten sie im Jobcenter nichts hören.

Eine kleine Erbschaft hat mich vorerst gerettet. Ich habe jetzt ein bisschen Geld und bin dabei, mich selbstständig zu machen. Weil ich weiß, wie ohnmächtig man als Arbeitsloser ist, berate ich ehrenamtlich Leute, die Ärger mit dem Jobcenter haben. Oft hilft nur eine Klage, um sich gegen die Willkür und die Fehler der Mitarbeiter dort zu wehren.

Illustration: Jindrich Novotny 

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.