Mit Steuern die Ernährung steuern, weg von Junkfood und Süßkram? Das ist der Gedanke hinter einem gesetzlich verordneten Preisaufschlag für besonders fett- oder zuckerhaltige Lebensmittel wie Schokolade, Cola oder Kartoffelchips. In Mexiko gibt es eine entsprechende Steuer auf zuckerhaltige Getränke bereits. Wäre eine solche Regelung auch hierzulange eine gute Idee?

Pro Fett-/Zucker-Steuer:
Schubs in die richtige Richtung

Die Forderung, eine Steuer auf Fette und Zucker in Lebensmitteln zu erheben, wurde bisher nur vereinzelt und von niemandem mit ernst zu nehmendem politischen Einfluss erhoben. Zwar wäre eine solche Steuer eine sinnvolle Maßnahme für die Gesundheit aller. Doch es traut sich keiner. Weil als pädagogisch empfundene Steuern als politisches Harakiri gelten, seit die Grünen mal im Sinne des Klimaschutzes den Benzinpreis auf fünf Mark pro Liter erhöhen wollten. Und weil die Gegner einer solchen Fett- und Zuckersteuer stets mit den moralischen Schwergewichten Freiheit und Selbstbestimmung argumentieren.

„Es geht nicht darum, zucker- und fetthaltige Lebensmittel zu verbieten“

Eine Politik mit erhobenem Zeigefinger sei eine Grenzüberschreitung. Jeder habe das Recht auf Unvernunft. Und schließlich: „Der Idee, die Welt mit Steuern und Verboten zum Guten zu verändern, haftet etwas Totalitäres an“, wie ein Redakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ 2012 kommentierte, als die Vereinten Nationen über eine Fett- und Zuckersteuer nachdachten. Totalitär. Dagegen ist in Deutschland nicht mehr viel einzuwenden.

Nur: Wäre eine solche Steuer tatsächlich so schlimm? Ich denke nicht. Also mal bitte kurz die Hyperventilation einstellen, tief durchatmen und mitdenken. Es geht nicht darum, zucker- und fetthaltige Lebensmittel zu verbieten. Schokoriegel, Chips, Sahnetorte, Eis, all das gäbe es auch weiterhin zu kaufen.

Eine solche Steuer würde lediglich bedeuten, dass stark zucker- und fetthaltige Lebensmittel etwas teurer werden. Eine Idee, wie diese Steuer aussehen könnte: Ein Mars-Riegel für sagen wir mal 80 Cent (darin bisher enthalten eine Mehrwertsteuer von knapp sechs Cent) kostet dann beispielsweise 89 Cent, weil für den Riegel nicht mehr der reduzierte Steuersatz für Grundnahrungsmittel gelten würde wie bisher, sondern die regulären 19 Prozent fällig würden. Echt kein Weltuntergang, wenn man bedenkt, dass niemand einen Schokoriegel zum Überleben braucht.

Wir könnten uns auch an den Konzepten anderer Länder orientieren: Großbritannien plant eine Softdrink-Steuer: Je nach Zuckergehalt sollen umgerechnet 23 Cent oder 30 Cent pro Liter erhoben werden. In Mexiko gibt es seit 2014 eine solche Steuer auf zuckerhaltige Getränke, sie liegt bei zehn Prozent des Preises.

„Der Weg zum Totalitarismus ist noch ganz schön weit“

Man nennt so was einen Nudge, einen Schubs in die richtige Richtung. Einen Anreiz, der ein erwünschtes Verhalten begünstigt. So wie die eingedruckte Fliege im Urinal, die dazu anregt, beim Pinkeln auf die richtige Stelle der Schüssel zu zielen. Wer trotzdem über den Rand pinkeln will, kann das tun. Der Weg zum Totalitarismus ist noch ganz schön weit.

Natürlich kann man berechtigt fragen, wer dazu befugt ist, das „Allgemeingut“ und sozial erwünschtes Verhalten „zum Wohle aller“ festzulegen. Das ist eine wichtige Frage, die man debattieren muss. Aber für die Steuer auf Fette und Zucker spricht auch einiges: nämlich dass sie schlicht verhindern soll, dass Menschen krank werden und früh sterben. An Diabetes zum Beispiel, an Herzinfarkten, an Schlaganfällen oder an Krebs. Was zu diesen oftmals tödlichen Krankheiten unter anderem beiträgt? Richtig: Übergewicht. Und dabei spielt die Ernährung eine entscheidende Rolle. 

Übergewicht ist längst eine globale Epidemie. Weltweit gibt es inzwischen mehr übergewichtige als untergewichtige Menschen. Im Schnitt gilt mehr als einer von zehn Männern als adipös, unter den Frauen ist eine von sieben stark übergewichtig.

„Übergewicht ist längst eine globale Epidemie“

Wer dieses Problem in den Griff bekommen will, muss die Wahl stark zucker- und fetthaltiger Lebensmittel weniger attraktiv machen. Den Preis über eine Steuer anzuheben könnte ein Mittel dazu sein. Senkt man zeitgleich den Steuersatz für Grundnahrungsmittel, wäre dies auch nicht unsozial, weil sich diejenigen, die arm sind, immer noch alle notwendigen Lebensmittel leisten können.

Und noch etwas würde so passieren: Die sinkende Nachfrage regt die Industrie dazu an, mit gesünderen, kalorienärmeren Alternativen zu Junkfood und Süßkram zu experimentieren. Es ist ja nicht so, dass es die nicht gibt.

Marlene Halser leitet das Ressort taz2 Medien der „taz“. Sie ist immer wieder erstaunt darüber, wie emotional Debatten zum Thema Essen geführt werden. Seit der Lektüre von Jonathan Safran Foers Bestseller „Tiere essen“ weiß sie auch, warum: Essen ist Geschichte und Tradition und damit auch Teil unserer Identität.

Illustration: Renke Brandt

Contra Fett-/Zucker-Steuer: Bevormundendes No-Go

Dass wir das überhaupt diskutieren müssen! Natürlich bin ich dagegen, denn die ganze Idee ist absolut bevormundend. Die Politik soll mir vorschreiben, wie ich mich zu ernähren habe? Never! Eine Strafsteuer auf vermeintlich ungesunde Lebensmittel schränkt mich in meiner persönlichen Freiheit ein, und das ist – so gut es auch gemeint sein mag – einfach ein No-Go. Punkt. Das ist übrigens auch die offizielle Position des zuständigen Ministeriums, aber das nur nebenbei. Ich verstehe die Tabaksteuer. Auch der meiste Alkohol wird zu Recht höher besteuert. Bei beiden Steuern handelt es sich nicht originär um Gesundheitsmaßnahmen, doch selbst wenn – da liegt der negative Einfluss auf die Gesundheit auch auf der Hand. Aber wenn’s um Ernährung geht, sind die Dinge eben nicht ganz so einfach. Da geht es um komplexe Zusammenhänge, natürlich auch Dosierungen, nicht um ein simples „Gutes Nahrungsmittel versus schlechtes Nahrungsmittel“.

Wie sollte so eine Strafsteuer also aussehen?

Kalorien-Steuer? Unsinn! Ein hochkalorisches Lebensmittel ist schließlich nicht zwingend ein ungesundes, Nüsse beispielsweise sind in Maßen sogar sehr gesund.

Fett-Steuer? Idiotisch! Auch das lässt sich mit Nüssen ad absurdum führen, aber auch mit Olivenöl, einigen Fischsorten oder Avocados. Überhaupt sollte doch langsam angekommen sein, dass Fett nicht unbedingt fett macht – auch wenn’s so schön naheliegend schien –, es sollte nur das richtige sein. Und das ist dann sogar lebenswichtig.

Salz-Steuer? Papperlapapp! Dem Krieg gegen das Salz fehlt es schlicht an Beweisen. Dass es in Maßen lebensnotwendig ist, steht hingegen fest.

Zucker-Steuer? Ist wohl noch am sinnvollsten, denn Zucker kann uns tatsächlich krank machen. Über viele Details streitet die Forschung allerdings auch in diesem Fall noch.

Zucker-Steuer? Ist wohl noch am sinnvollsten

Überhaupt: Wer legt denn fest, was gesund ist und was nicht? Schließlich werden und wurden nicht wenige Nahrungsmittel zu Unrecht verteufelt – freilich sehr zur Freude der Lebensmittelindustrie, die uns dann schon mal teure Lightprodukte als bessere Alternative zum Original verkauft oder von Natur aus Glutenfreies besonders groß als glutenfrei labelt. Solcher Unsinn stellt sich leider immer erst im Nachhinein heraus. Wenn wir im Falle von Strafsteuern auf Lebensmittel ähnlichen Marketingtricks, Lügen und Halbwahrheiten aufsäßen, könnte das am Ende ungewollte Folgen haben. Zucker durch Süßstoffe zu ersetzen, um ein Beispiel zu nennen, ist nicht uneingeschränkt zu empfehlen und könnte einigen Forschern zufolge sogar einen gegenteiligen Effekt haben – und zu Diabetes führen.

Dass es ohnehin nicht die eine Wahrheit gibt, zeigen die vielen unterschiedlichen offiziellen Leitlinien und Lebensmittel-Pyramiden für eine angeblich gesunde Ernährung. Von denen gibt es in etwa so viele wie Länder auf der Erde. Welche Regierung hat denn da jetzt recht? In Deutschland würde die Politik zwecks Strafbesteuerung wohl den Ratschlägen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) folgen, aber auch die befinden nicht alle Experten für gut.

Mehr Aufklärung, am besten schon in der Grundschule

Es ist also kompliziert. Dabei ist Essen etwas Schönes, es geht doch immer auch um Genuss. Und der steht der gesunden Ernährung gar nicht im Wege – jedenfalls solange kein Zwang ins Spiel kommt. Viel besser als eine Strafsteuer fände ich deshalb mehr Aufklärung, am besten schon in der Grundschule – auch über die unterschiedlichen Auffassungen, was gesund ist und was nicht.

Lukas Wohner ist Volontär beim DUMMY Verlag. Mit seinem mittäglichen Schnippelwahn macht er den Kollegen, die ihr Lunchpaket nicht frisch zubereiten, manchmal ein schlechtes Gewissen. Das tut ihm sehr leid, und er bringt demnächst mal wieder was Gesundes für alle mit.