Die Kritiker der „Political Correctness“ (PC) fühlen sich moralisch bevormundet: Sie haben Angst, bestimmte Dinge nicht mehr frei äußern zu dürfen und von einer „Sprachpolizei“ gemaßregelt zu werden. Wer sich für einen sensibleren Sprachgebrauch einsetzt, wird schnell mit dem Label „PC“ diffamiert – ein ehemals rechtskonservativer Kampfbegriff, der mittlerweile breite Verwendung findet. Sprache kann aber für viele Menschen diskriminierend sein. Hier erzählen vier Leute, die sich für einen anderen Umgang mit Sprache im Alltag einsetzen, von ihren Erfahrungen. 

„Ich möchte als Frau in Sprache und Schrift erkennbar sein“

Marlies Krämer (80), Autorin 

Weil ich mich 1990 geweigert hatte, ein Formular als „Antragsteller“ zu unterzeichnen, blieb ich sechs Jahre lang ohne ein staatliches Dokument. Warum? Ich wollte als Antragstellerin unterzeichnen, und das blieb mir verwehrt. 

Ich habe dafür gekämpft, und nach positiv beschiedenen EU-Verhandlungen hat der Bundesrat 1996 die EU-Richtlinie übernommen, dass es in allen Ausweisen künftig heißen muss „Unterschrift der Inhaberin/des Inhabers“. 

Ich finde, Sprache ist unser wichtigstes Integrationsmittel und Kulturgut, aber wir Frauen kommen darin oft gar nicht erst vor. Ständig werden wir alle zu „Männern“ umfunktioniert. Was aber, wenn ich das nicht will? Ich möchte als Frau in Sprache und Schrift erkennbar sein. Meine Wahrheitstreue und mein Verantwortungsbewusstsein scheitern an dem generischen Maskulin, wenn ich als „Mann“ unterschreibe. 

So wie wir in der Sprache vorkommen, so werden wir auch beachtet und behandelt! Deswegen fordere ich, dass wir die sprachliche Ausgrenzung nirgends hinnehmen sollten. 

Auch nicht bei der Sparkasse oder dem Wetter: Bis einschließlich März 1999 hatten die Tiefs ausschließlich Frauennamen und die Hochs nur Männernamen. Ich bin zusammen mit Elke Diehl dafür verantwortlich, dass es jetzt eine gleichberechtigte Namensänderung beim Wetter gibt. Für alle, die der Meinung sind, das sei doch unwichtig, kann ich nur feststellen: Tiefs sind immer unten, Hochs sind oben – das ist die patriarchale Struktur par excellence!

Das hat nichts mit Männerfeindlichkeit zu tun, ganz im Gegenteil: Ich liebe die Männer und habe selbst drei großgezogen. Aber sie sind nicht mehr wert als Frauen.

„Sie haben Angst, dass eine Minderheit der Mehrheit Regeln vorschreibt“

Tahir Della (56), Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V.

Seit vielen Jahren setzen wir uns dafür ein, dass die Mohrenstraße in Berlin umbenannt wird. Der Name ist rassistisch und zeigt, wie selbstverständlich Diskriminierung in Deutschland hingenommen wird. Unsere Kritiker sagen, dass sich die Bezeichnung auf Menschen vom afrikanischen Kontinent bezieht, die als MusikerInnen in der preußischen Armee gedient haben. Sie hätten damals eine positive Rolle gespielt und seien auch so wahrgenommen worden. Woher will ein Historiker heute wissen, wie schwarze Menschen damals im Alltag gesehen worden sind? Das M-Wort ist zudem eine Fremdbezeichnung – sie haben sich nicht selbst so genannt. Und das allein ist schon ein diskriminierender Vorgang. Außerdem sagen unsere Kritiker: Der Wortstamm kommt von niger morulus, was im Lateinischen „schwarz“ heißt. Da sei nichts Diskriminierendes dran. 

Wir entgegnen denen dann: Es ist dem Griechischen entlehnt, wo das M-Wort für töricht, dumm und einfältig steht. Schon allein die Herkunft der Bezeichnung zeigt also, dass es nichts Positives ist. Weiße EuropäerInnen haben Leute so bezeichnet und damit diskriminiert. Unsere Kritiker sprechen uns die Diskriminierungserfahrung ab und sagen: „Nun habt euch doch nicht so.“ Sie haben Angst, dass eine Minderheit der Mehrheit diktieren will, wie sie zu sprechen hat. Dass eine Minderheit das kulturelle Erbe der Mehrheit zerstören oder kritisieren will.

Wenn Menschen von Diskriminierung betroffen sind und das artikulieren, kann das nicht einfach ignoriert werden, nur weil die Mehrheit nicht empathisch genug ist, das auch so anzuerkennen. Wenn eine Gesellschaft im Wandel ist, verändert sich auch ihre Sprache. Unsere Gegner wollen ihre Augen davor verschließen und die Zeit zurückdrehen. Zurück dahin, wo die Leute, die von Rassismus oder Sexismus negativ betroffen sind, ihren Mund öffentlich nicht aufmachen durften. 

Wir wollen übrigens, dass die Straße nach dem ersten schwarzen Professor in Preußen benannt wird. Er wurde als Kind versklavt und hat im 18. Jahrhundert für die Rechte schwarzer Menschen gestritten. So können unsere Kritiker auch nicht mehr einwenden, dass wir Erinnerung auslöschen. Wir wollen eine andere Perspektive in der Erinnerung stark machen. Die Mohrenstraße soll ja nicht zur Blümchenstraße werden, sondern zur Anton-Wilhelm-Amo-Straße.

„Wenn Zweigeschlechtlichkeit als Rahmen infrage gestellt wird, führt das offenbar zu einer sehr großen Verunsicherung“

Lann Hornscheidt (53), ehemalige Professx an der Humboldt-Universität zu Berlin

Ich habe auf meiner Webseite geschrieben, dass ich mich nicht als männlich oder weiblich verstehe und um eine Ansprache bitte, die das aufnimmt. Am Anfang habe ich eine konkrete Form vorgeschlagen, nämlich Professx. Das „x“ bedeutet, dass nicht zwischen männlich und weiblich entschieden werden muss. Es gab daraufhin sehr viele Reaktionen – positive wie negative. Die Hassmails und -kommentare nehme ich nicht persönlich, sondern für mich sind sie Ausdruck von Angst und Unsicherheit mit der eigenen Identität. Eine Angst davor, dass Sprache so wirkmächtig ist. 

Was die traditionellen Sprachformen vorgeben, ist, dass Mensch als männlich oder weiblich angesprochen wird. Und da es keine etablierte andere Form in Deutschland gibt, habe ich eine Form versucht zu finden, die das umsetzt. Für mich ist Sprache ein kreatives Medium, das wir uns kontinuierlich wieder aneignen. Sie besteht nicht aus Normen und Regeln, die nur stur angewendet werden müssen. Wir haben die Möglichkeit, in Sprache vorzukommen. Für manche Menschen, die aus bestimmten Normen rausfallen – zum Beispiel der Gender-Norm –, ist das ein größerer Prozess. Wenn Zweigeschlechtlichkeit als Rahmen infrage gestellt wird, führt das aber offenbar zu einer sehr großen Verunsicherung.

Unter meinen Mails weise ich jetzt immer noch darauf hin, dass ich nicht mit „Herr“ oder „Frau“ angesprochen werden möchte. „Sei gegrüßt, Lann Hornscheidt“, haben zum Beispiel einige geschrieben. Mir war das vorher gar nicht so geläufig. Ich finde diese Anrede aber sehr schön, weil sie darauf verzichtet, eine Person gendermäßig zuzuschreiben. Mir geht es nicht darum, zu sagen: „Das ist die neue Form, und die sollen jetzt alle benutzen.“ Menschen sollen ermächtigt sein, sich Sprache anzueignen, um mit ihr respektvoll zu handeln.

„Ich werde aber gar nicht für mich persönlich sauer. Sondern aus Solidarität“

Aydoğan* (26), Student

Für den einen mag es vielleicht hysterisch klingen: Ich habe neulich die ganze Mensa zusammengeschrien, weil jemand ernsthaft „Schnitzel mit Zigeunersoße“ an die Tafel geschrieben hatte. So ein unvorsichtiger und rassistischer Sprachgebrauch belastet mich.

Wann immer mir derartige Unaufmerksamkeiten begegnen, empöre ich mich, werde ich laut. Das habe ich mir zur Gewohnheit gemacht. Zur Not werde ich so laut, dass es für die Verursacher total peinlich wird. Denn je unbequemer der gedankenlose, rassistische Sprachgebrauch wird, desto eher verändert sich auch etwas im Denken. 

Ich werde aber gar nicht für mich persönlich sauer. Sondern aus Solidarität. Ich halte mein stures Entgegenhalten für die einzige mir mögliche Strategie, den belasteten Begriffen ihre Legitimation zu entziehen.

 

Wer ohne nachzudenken das Z-Wort beim Mittagessen auf die Karte schreibt, ist für mich geschichtsvergessen und unsensibel. Solche unbedachten Alltagsfehler führen zu einer Verharmlosung der Geschichte. Wer macht sich denn bei seinem Schnitzel bewusst, was Sinti und Roma noch immer durchmachen müssen? Da bekomme ich eher Hausverbot und werde von allen blöd angeguckt. Aber ich stehe für die richtige Sache ein. Ich habe einen türkischen Hintergrund und symbolisiere noch Zuschreibungen, über die sich andere aufregen. Ich weiß also, wie es ist, wenn man diskriminiert wird. 

* Name von der Redaktion geändert

Illustrationen: Alain Welter