Ich bin 2013 als jüngste Frau in den Bundestag gewählt worden. Da war ich zwar schon fünf Jahre Stadt- und Kreisrätin, trotzdem musste ich mich im Bundestag natürlich erst einmal beweisen und auch orientieren. Als junge Frau wurde ich sicher besonders beäugt. Aber zum Glück ist es hier wie überall sonst auch: Den Respekt der Kollegen kann man sich durchaus erarbeiten, und manchmal darf man sich auch einfach nichts gefallen lassen. Es ist ja immer die Frage: Wenn dir jemand einen Schuh hinstellt: Schlüpfst du dann rein, oder stellst du deine eigenen einfach daneben?

„Wenn ich im Bundestag rede, verspüre ich auch jetzt noch eine gewisse Aufregung“

Wenn ich im Bundestag rede, verspüre ich auch jetzt noch eine gewisse Aufregung. Das ist schon eine besondere Situation. Besonders schwer ist es, ein Thema gut rüberzubringen, das auch noch abstrakt ist. Im Bundestag müssen wir versuchen, verständlich zu machen, was im Gesetzestext oft ganz kompliziert beschrieben ist.

Wie werde ich Bundestagsabgeordnete*r?

Prinzipiell gilt: Am besten ausprobieren, ob man gern politisch aktiv ist – als Klassensprecher, in der Kirche, im Verein und natürlich in einer politischen Jugendorganisation. Außerdem bietet es sich an, Praktika bei Abgeordneten zu machen. Das geht im Bundestag, aber auch – dort geht es etwas familiärer zu – im Landtag. Politik ist das Richtige? Dann klein anfangen, im Stadt- oder Kreisrat.
Später gibt es zwei Wege in den Bundestag:

1. Über eine Direktkandidatur in einem der 299 Wahlkreise. Wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und älter als 18 Jahre ist, kann sich von einer Partei zur Wahl aufstellen lassen (das geht auch, ohne Mitglied der Partei zu sein). Unabhängige können sich ebenfalls um ein Direktmandat bewerben, dafür benötigen sie die Unterschriften von mindestens 200 Wahlberechtigten des Wahlkreises. Den Platz im Parlament erhält, wer die meisten Erststimmen im Wahlkreis erhält.

2. Über die Landesliste einer Partei, über deren Zusammensetzung auf dem Wahlparteitag oder einer Delegiertenkonferenz abgestimmt wird. Je weiter oben auf der Liste, desto besser die Chancen. Von den mindestens 598 Sitzen im Bundesparlament werden 299 (plus eventuelle Überhangmandate) über diese Landeslisten vergeben, es zählen die Zweitstimmen auf dem Wahlzettel.

Wir Abgeordneten sitzen aber gar nicht immer im Plenum. Natürlich versucht man besonders bei den Themen, die den eigenen Hauptausschuss betreffen, bei den Debatten im Plenum da zu sein. Mein Hauptausschuss ist der Gesundheitsausschuss, und daneben bin ich noch stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und im Verteidigungsausschuss. Aber auch Reden der Kanzlerin, der Landesgruppenvorsitzenden und selbstverständlich die namentlichen Abstimmungen sind Termine, bei denen ich im Plenum bin. Aber dauernd anwesend sein, das ist bei unserem Arbeitspensum gar nicht möglich, da käme man zu nichts anderem mehr.  Weil das Plenum am Donnerstag zum Beispiel von neun Uhr morgens bis nachts um 1.30 Uhr angesetzt.

„Im Laufe des Tages treffe ich mich regelmäßig mit politischen Entscheidern“

Meistens beginnt mein Arbeitstag früh um acht. Ich treffe mich dann mit CSU-Kollegen, in der Jungen Gruppe oder der Gruppe der Frauen zum Beispiel. Oft stehen auch Veranstaltungen von Interessengruppen an oder ein parlamentarisches Frühstück einer Forschungseinrichtung. Im Laufe des Tages treffe ich mich regelmäßig mit politischen Entscheidern. Zum Beispiel mit Ministern oder heute unter anderem auch mit dem Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND). Abends gibt es noch mehr Veranstaltungen von Gruppen, die ihre Themen politisch platzieren möchten. Aber da ich jetzt eine Tochter habe, bleibe ich da nicht, wie manche andere, bis elf oder zwölf Uhr. Zwischendurch habe ich viele Telefonate, schreibe E-Mails und Briefe, um meine Themen voranzubringen. Doch oft sind eben auch persönliche Gespräche nötig, um den Anliegen besonderen Nachdruck zu verleihen, sodass ich diese auch noch in den Tagen unterbringen muss. Da ich meine Arbeit aber sehr gerne mache, empfinde ich das eigentlich nicht als ein „Muss“, sondern es macht mir Freude.

Das Wichtigste bei den ganzen Treffen ist, dass man als Abgeordnete – ich bin ja dem Gemeinwohl verpflichtet – im Hinterkopf behält, dass diese Gruppen einen nicht einladen, weil man besonders nett ist, sondern dass es immer um Interessen geht. Das ist nichts Verwerfliches – ich habe ja selbst Interessen –, man darf es nur nicht vergessen.

In Berlin bin ich in den 22 Sitzungswochen des Bundestags, den Rest der Zeit verbringe ich im Wahlkreis. In meinen zwei Wahlkreisbüros in Kulmbach und Lichtenfels kümmere ich mich mit meinen Mitarbeiterinnen um die Anfragen, die seitens der Kommunen auf uns zukommen – von den Bürgermeistern, von Unternehmern, aber auch von Einzelpersonen. Und klar, es gibt auch die typischen gesellschaftlichen Veranstaltungen, bei denen Ehrenbürger ernannt oder Unternehmen eingeweiht werden.

„Selbstbewusstsein? Nicht unbedingt. Manchmal nerven gerade die besonders selbstbewussten, selbstverliebten Politiker“

Insgesamt ist das schon viel Arbeit. Man kann sich mal zwei oder drei Tage rausnehmen und tut gut daran, im Sommer mal fünf Tage wegzufahren. Aber gerade am Anfang nimmt man sich auch wenig frei, weil man Leistung bringen will und sich ein Standing erarbeiten möchte. Man sollte also stressresistent sein und – das gilt besonders für Politiker in Spitzenämtern – mit wenig Schlaf auskommen. Weitere Grundvoraussetzungen sind für mich Fleiß, Integrität, Offenheit und Unabhängigkeit. Selbstbewusstsein? Nicht unbedingt. Manchmal nerven gerade die besonders selbstbewussten, selbstverliebten Politiker. Stellen sich vorne hin, sprechen in jedes Mikrofon, aber im Ausschuss sagen sie nichts. Dann doch lieber andersherum!

Was verdienen Bundestagsabgeordnete?

Abgeordnete haben laut Artikel 48 Absatz 3 des Grundgesetzes „Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“. Der Betrag ist im Gesetz nicht festgelegt, er muss nur der Bedeutung des besonderen Amts und der damit verbundenen Verantwortung und Belastung gerecht werden. Im Abgeordnetengesetz aus dem Jahr 1977 werden als Orientierung die Bezüge von einfachen Richtern an obersten Bundesgerichtshöfen herangezogen.
So viel wie diese Richter verdienen die Mitglieder des Bundestages aufgrund mehrerer Nullrunden – die Entschädigung kann jährlich angepasst werden – allerdings nicht: Die Abgeordnetenentschädigung beträgt seit dem 1. Juli 2016 monatlich 9.327,21 Euro brutto, jährliche Sonderzahlungen gibt es nicht. Nebentätigkeiten sind erlaubt, Abgeordnete müssen damit erzielte Einkünfte ab 1.000 Euro im Monat oder 10.000 Euro im Jahr offenlegen.

Es klingt vielleicht provinziell, aber einer der schönsten Momente in meinem bisherigen Berufsleben war der Spatenstich für eine Ortsumgehungsstraße in Untersteinach. Die war in 30 Jahren nicht gebaut worden, und erst durch harte Arbeit und Nichtlockerlassen an den richtigen Stellen haben wir die alles entscheidende Finanzierung bekommen. Wenn ich jetzt durch die Ortschaft fahre und sehe, dass der eine oder andere an dieser Durchfahrtsstraße sein Haus schön herrichtet, dann bilde ich mir natürlich ein, dass das wegen der Straße ist und weil die Leute jetzt wieder eine Perspektive haben. Da bin ich, wie Horst Seehofer über sich sagt, „verliebt ins Gelingen“. Ich möchte, dass ein Plan funktioniert.

Weniger schön: Bei manchen Themen hat man das Gefühl, dass, egal was man macht, man einfach nicht gewinnen kann – außer natürlich, man handelt gegen die eigenen Überzeugungen und gibt den Kritikern einfach nach. Doch das empfinde ich als zu leichten Weg, und es würde mir auch nicht entsprechen. Das typische Beispiel ist hier die Legalisierung von Cannabis. In diesem Bereich habe ich mich sehr dafür eingesetzt, dass in Deutschland endlich Cannabis als Medizin vom Arzt verschrieben werden darf. Das war ein sehr wichtiger Schritt für viele Schwerkranke und Sterbende. Auch wenn das ein Riesenerfolg war, so werde ich bei diesem Thema nach einer Rede im Bundestag von bestimmten Medien, auch in den sozialen Medien, zerrissen, weil wir dennoch weiter gegen die Legalisierung von Cannabis zum Freizeitgebrauch sind.

„Am Ende muss man sich halt trauen. Keine Angst haben, auch keine Angst vor Niederlagen. Die kommen ohnehin“

Das Thema Drogen und Sucht ruft jedes Mal sehr viele negative Reaktionen hervor. Der erste Shitstorm, der war schon sehr befremdlich. Manchmal denke ich, dass man sich dann irgendwann nicht mehr wundern darf, wenn der eine oder andere Politiker zum Roboter wird und nicht mehr sagt, was er wirklich denkt und fühlt, sondern nur noch mit Standardantworten kommt. Das soll mir aber nicht passieren. Da lege ich mir lieber ein noch dickeres Fell zu!

Trotzdem lohnt es sich, sich politisch zu engagieren! Eine Pfarrerin hat mal zu mir gesagt: Verantwortung macht schön. So empfinde ich das auch seit meinen ersten Erfahrungen als Klassensprecherin und Mitglied der Jungen Union. Am Ende muss man sich halt trauen. Keine Angst haben, auch keine Angst vor Niederlagen. Die kommen ohnehin. Die Kunst ist es, danach aufzustehen und weiterzumachen. Und wie so oft im Leben gibt es dann mal eine Chance, die man ergreifen muss: Das Mandat von Karl-Theodor zu Guttenberg wurde frei, da habe ich einfach meinen Hut in den Ring geworfen.