Metanitos Arbeitstag beginnt um kurz nach elf. Dann schnallt ihm Guillermo Berra einen Rucksack um und lässt ihn auf die Koppel. Dort macht Metanito das, was Rinder am liebsten tun: fressen. Gemütlich rupft der schwarz-weiß gescheckte Jungbulle Grasbüschel für Grasbüschel ab, manchmal hebt er den Kopf, kaut und rülpst leise vor sich hin. So wie 55 Millionen andere argentinische Rinder auch. Metanito ist 500 Kilo schwer und drei Jahre alt. Eigentlich wäre sein Rinderleben nun bald vorbei – die meisten argentinischen Rinder hängen schon vor ihrem vierten Geburtstag halbiert im Kühlhaus, um den sagenhaften Appetit der Argentinier auf Steaks zu stillen. Rund 70 Kilo Rindfleisch isst jeder Argentinier im Jahr und es gab Zeiten, da waren es über 80 Kilo. Zum Vergleich: Jeder Deutsche isst im Durchschnitt zwölf Kilo.

Doch Metanito wird erst einmal nicht geschlachtet, er hat eine Art Lebensversicherung: den Rucksack mit den Messgeräten vom argentinischen Institut für Landwirtschaftstechnologie (INTA). Mit ihm wird gemessen, wie viel Treibhausgase der Bulle freisetzt. Denn das bei der Verdauung entweichende Methangas trägt 25-mal mehr zur Erderwärmung bei als CO2. Von diesem üblen Nebeneffekt des Kuhlebens hat „Metanito“ auch seinen Namen – auf Deutsch heißt das: „Methanchen“. „Metanito hat sich schon jetzt seine Rente verdient“, sagt Guillermo Berra. Der Tierarzt steht neben dem Tier auf der Koppel, krempelt die Ärmel seines hellblauen Hemdes hoch und klopft den gewaltigen Hals. Das Messgerät, das hinter seinem Hals aufliegt, scheint den Bullen nicht zu stören. Ein Kasten, so groß wie ein Netbook, umrahmt von gelben Schaumstoffrollen und befestigt mit zwei Gurten um den Rinderbauch. Eine LCD-Anzeige auf dem Kasten zeigt: Acht Minuten nach elf hat Metanito schon einen halben Liter Verdauungsgase produziert. Wenn Metanito frisst, landet die Nahrung zunächst im Pansen, dem ersten der drei Vormägen des Rindes. Dort gärt sie ohne Luftzufuhr von außen, dabei entstehen Gase. Fast ein Drittel der in Argentinien produzierten Treibhausgase könnte von argentinischen Rindern ausgestoßen werden, so Barra; mehr als 1,2 Millionen davon werden jeden Monat geschlachtet – für den Eigenverbrauch und für den Export.

Wissenschaftler wie Berra wollen genau wissen, wie viel Methan jede Kuh produziert. Deshalb führt ein dünner Schlauch in Metanitos Bauch, zwischen den Rippen hindurch, direkt in den Magen. „Das ist für ihn so harmlos wie für ein Baby, das Ohrlöcher bekommt“, sagt Berra. „Wenn wir den Schlauch rausziehen, wächst das Loch schnell zu.“ Berra löst das außen liegende Ende des Schlauchs aus dem Messgerät. „Da, riech mal!“ Mit einem leisen Pffft drängt warme Luft aus dem Schlauch, direkt aus Metanitos Magen in die Nase – ein originaler Rinderrülpser in Rindermagentemperatur, faulig und ekelhaft. Berra führt den Schlauch auch an seine Nase und nickt zufrieden. Normaler Verdauungsgasgeruch also. Er schließt den Schlauch wieder an und die Magenluft zieht durch das Ventil im kleinen Messgerät.  Metanito bleibt auf der Koppel, während das Team von Guillermo Berra sich hinter dem einstöckigen Flachdachbau trifft. Dort, im Schatten einiger Bäume machen die Wissenschaftler das, was Argentinier am liebsten tun: grillen. Als zur Mittagszeit die Teller verteilt und die Messer ausgepackt werden – die meisten haben ihr eigenes, scharfes Fleischmesser dabei – grast Metanito noch immer auf der Koppel. 85 Liter schädliche Gase hat er allein in den letzten zwei Stunden in die Atmosphäre geschickt.

Imagine: Exbeatle Paul McCartney empfiehlt einen fleischlosen Montag im Kampf gegen das Methanproblem

Grillen fördere den Teamzusammenhalt und sei wichtig für den Informationsaustausch, sagt Berra. Tatsächlich wird beim Essen nur über den Job gesprochen. Laura war auf einem Kongress zum Thema Emissionen in Neuseeland. Dort ging es nicht nur um Kuhrülpser, sondern auch um die Verdauungsgase von Schafen. Miguel berichtet von seinen Forschungen zu den Treibhausgasen in der Landwirtschaft, besonders beim Sojaanbau. Auf dem Grill schmort kiloweise Fleisch. Es gibt Grillwürstchen, Rippchen mit Fett, Rinderhaut, saftige Steaks und eine ziemlich kleine Schüssel Salat. Keine ungewöhnliche Mahlzeit in Argentinien. Bei einem Grillfest rechnet man hier mit 500 Gramm Fleisch pro Nase. Etwa ein Viertel aller weltweiten Methan Emissionen werden durch Nutztiere wie Kühe, Schafe oder Ziegen verursacht. – wobei ein Schaf nicht mal ein Zehntel des Methans verursacht, das ein Rind ablässt.

Exbeatle Paul McCartney empfiehlt den „Meat Free Monday“, um das Klima zu retten. Die Argentinier lässt das kalt. „Wir müssen realistisch sein“, sagt Berra. „Niemand wird aufhören, Fleisch zu essen, um das Klima zu retten. Deshalb müssen wir versuchen, die Emissionen der Rinder zu reduzieren.“ Ein Rind, das Körner und Kraftfutter frisst, verursache weniger Verdauungsgase, sagt Berra. Doch auch eine Umstellung des Futters sei nicht immer klimafreundlicher. Mais muss angebaut werden, gedüngt, transportiert. Das verursacht Schadstoffe. Manche argentinische Bauern haben Angst vor Projekten wie diesem, weil sie höhere Kosten befürchten. „Die Konzepte für den Klimaschutz müssen so rund sein, dass alle gern mitmachen“, sagt Berra. Darum stellt sich sein Team auch andere Fragen: Wie die Weidegründe besser werden. Wie die Mikroorganismen im Pansen des Rinds reguliert werden können, damit weniger Gase entstehen. Ob das Anreichern des Futters mit Mineralien, Proteinen oder Taninen die Gase verringert. Ob es hilft, schwer verdauliches Futter zu zerkleinern – und wie der Markt besser reguliert werden kann, damit es keine Überproduktion gibt. Aber noch will Berra keine Empfehlungen geben. „Wir sind in der Forschungsphase.“ Nach dem Grillfleisch gibt es Kaffee in Berras Büro. Es ist zwei Minuten vor vier – Metanito hat inzwischen 403,9 Liter schädliches Gas ausgestoßen, man kann es auf dem Monitor sehen. Auf Berras Lieblingskaffeetasse ist Metana zu sehen, Metanitos Vorgängerin: Sie hat einen riesigen blauen Ballon auf dem Rücken, zusätzlich zum Rucksack mit den Messgeräten. „Anfangs haben wir die Gase aufgefangen, um das Volumen zu messen“, sagt Berra, „das ist dank der neuen Technologie nicht mehr nötig.“ Tausend Liter pro Rind pro Tag veranschlagen die Wissenschaftler für ein 550 Kilo schweres Tier. Je dicker die Kuh, desto mehr Gase. Rund tausend Liter Rülpsluft sind das am Tag, mal 1,4 Milliarden Rinder, die es weltweit gibt, und die nicht nur aufstoßen. „90 Prozent der Darmgase der Rinder kommen vorne raus, deshalb fangen wir damit an“, sagt Guillermo Berra. „Um den Rest kümmern wir uns vielleicht später.“