Die Türkei ist komplex. Für manchen wird sie zum Komplex bei der Frage, ob das Land in die Europäische Union aufgenommen werden soll. Argumentiert wird mit Geschichte, Religion, Demografie, wirtschaftlichem Entwicklungsstand, politischen Verhältnissen, kulturellen Unterschieden. Die Diskussion verweist immer auch darauf, dass noch nicht entschieden ist, was Europa ist, werden soll und wie weit es gehen kann. Vielleicht trifft ja hier Brechts Wort zu: dass es das Einfache sei, das schwer zu machen ist. fluter hat Momentaufnahmen aus der Türkei zusammengetragen. Aus Istanbul, dieser faszinierenden Metropole mit ihren gegensätzlichen Szenerien, Menschen und Kulturen, und aus dem kurdischen Diyarbakir in Südostanatolien. Wir fragen nach Träumen und Hoffnungen der Menschen, nach den Erwartungen an Europa und nach dem Umgang mit Minderheiten. Vor mehr als achtzig Jahren erfuhr die Türkei eine radikale Modernisierung von oben. Der Staatsgründer Kemal Atatürk hat diesen Prozess mit einer bemerkenswerten Konsequenz begonnen. 

Die Türkei ist widersprüchlich. Es ist ein Land, in dem Frauen in Universitäten und Schulen keine Kopftücher tragen dürfen, aber auch ein Land, in dem islamisch-konservative Parteien immer mehr Zuspruch bekommen. Es ist ein Land, in dem die junge Musik- und Kreativenszene oft auch politisch aktiv ist. Gleichzeitig gibt es Prozesse gegen Autoren/innen wegen so genannter Beleidigungen des Türkentums. Die Grenzen der Sprachen sind auch hier politisierbare, ethnische Grenzen. Eine Erfahrung, die selbst in Westeuropa, zum Beispiel im Baskenland, noch gegenwärtig ist. Ein Blick in die Türkei lohnt sich also – er spiegelt immer auch unsere Werte,Vorurteile, Erwartungen und Ungewissheiten. Der Offenheit der künftigen Entwicklung begegnet man deshalb am besten mit offenen Augen und Ohren. Denn so weit entfernt das Land auch ist, so nah ist es uns doch schon. Hallo, Nachbar.