Thema – Tiere

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Editorial

Zum fluter-Heft: Tiere

  • 2 Min.

Die Welt der Tiere bietet einen faszinierenden Reichtum an Formen und Lebensweisen bis hin zu Fähigkeiten, die dem Menschen vorbehalten zu sein schienen. Diese Vielfalt ist allerdings stark gefährdet. Das massenhafte Artensterben droht historische Ausmaße anzunehmen. Und das hat wesentlich mit der Lebensweise der heutigen menschlichen Gesellschaften zu tun. Es wird deutlich, was der Mensch lange Zeit verdrängt hatte: Er kann nicht allein und ohne Konsequenzen über Tiere und Ökosysteme verfügen. Das Verschwinden vieler Tierarten hätte unmittelbare Auswirkungen auf das Überleben des Menschen, das Bienensterben gibt davon eine Vorahnung. Der Schutz von Tierarten ist auch ein Schutz der Gattung Mensch.

Tiere als Nahrungsmittel und die dafür notwendige Futterwirtschaft sind ein wesentlicher Treiber der weltweiten Umweltzerstörung und der damit einhergehenden Klimakrise. Das Ganze hat inzwischen gigantische Dimensionen angenommen, ist maßlos geworden. Die Massentierhaltung ist in weiten Teilen ein Monstrum, ein permanenter Gewaltakt in Gestalt hochprofessionell technisierter, gut organisierter und rechtlich abgesicherter, aber letztlich permanent artenwidriger Verhältnisse. Sie sagen allerdings einiges über den Status der menschlichen Gesellschaft aus. Die Kombination aus Marktlogik und einer Alltagskultur der Verdrängung im Namen der Freiheit des Genusses führt ins kalte Herz der heutigen Konsumkultur. Zahllosen Menschen sind Fleisch und Wurst bloße Dinge, deren Bezug zum Zyklus von Leben und Tod nicht wahrgenommen wird.

Die Art und Weise, wie wir Tiere als unterlegene Lebewesen behandeln, ist auch ein Menetekel für die Bereitschaft, mit anderen Unterlegenen, mit Schwächeren oder Ausgestoßenen der eigenen Art umzugehen. Vielleicht hat die Angst vor den Fortschritten der künstlichen Intelligenz und der Gentechnik auch mit der Furcht zu tun, dass neue, überlegene Wesen uns so behandeln könnten, wie wir es heute mit den Nutztieren zu tun bereit sind. Unser heutiges Verhältnis zu Tieren ist kaum umweltverträglich, ethisch mindestens fragwürdig und messbar gesundheitsschädlich für viele Menschen.

Wenn Tiere glauben könnten, müsste ihnen der Mensch immer wieder wie ein böser Gott erscheinen: übermächtig, unberechenbar, vernichtungsbereit und gierig bis zur Selbstzerstörung. Wir sollten anderen Lebewesen aber eher so etwas wie Partner sein. Auch dafür gibt es kulturelle und handwerkliche Traditionen und alltägliche Erfahrungen. Für viele Menschen sind ihre Haustiere Gefährten und Mitglieder des familiären Alltags, denen mit Achtung und Zuwendung begegnet wird. Solche emotionale Verbundenheit könnte ein Ausgangspunkt für die Neubestimmung hin zu einer maßvollen Kultur des Zusammenlebens bilden, gekennzeichnet durch genauere Kenntnis und den Ausgleich der widersprüchlichen Interessen. Wissenschaftliche Forschungen zeigen, wie unerforscht noch vieles in der Tierwelt ist und wie vorläufig die Bestimmung von Artengrenzen ist. Fragen der Tierethik werden zunehmend auch in einer breiten Öffentlichkeit debattiert. Selbst in der Architektur gibt es Überlegungen, die Unwirtlichkeit der Städte auch für Tiere wieder zu überwinden. Das gute Leben in der menschlichen Gesellschaft wird ohne tierwürdigere Verhältnisse nicht zu erhalten sein.

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