Bis zum G20-Gipfel dauert es zwar noch etwas, aber schon jetzt habe ich deswegen viele Überstunden angehäuft, am Ende werden es wahrscheinlich an die 100 sein. Seit April bewachen wir rund um die Uhr die Gebäude, in denen die Staats- und Regierungschefs tagen oder die sie besuchen werden.

Am Anfang war ich manchmal 12 bis 14 Stunden im Dienst, bis die Ablösung kam. Heute habe ich eine Schicht rund um die Elbphilharmonie, die vielleicht um die neun Stunden dauern wird. Stehen, schauen, Streife laufen: Meistens passiert dabei nicht viel. Touristen fragen, wo die nächste Fähre ablegt. Ich muss sagen, es gibt interessantere Aufgaben bei der Polizei. Aber die Stimmung unter den Kollegen ist gut, so kann man auch so einen Objektschutz-Auftrag wunderbar bewältigen.

Die Gebäude sollen beim Gipfel intakt sein. Wir passen also auf, dass niemand Scheiben entglast oder Wände beschmiert. Und wir schauen, ob sich rund um diese kritischen Orte irgendetwas Auffälliges tut. Natürlich ist nicht jeder Tourist, der Bilder macht, verdächtig. Man muss schon genauer hinsehen.

„Unsere Kritik richtet sich gegen den Gipfel selbst“

G20 geht an den Interessen der Menschen vorbei, findet Marvin. Deshalb engagiert er sich bei "Jugend gegen G20" --> Zum Artikel

Einmal haben wir an der Elbphilharmonie zwei Personen beobachtet, die das Gebäude zu inspizieren schienen und dann schnellen Schrittes in die Tiefgarage verschwunden sind. Ein Auto hatten sie nicht, und als wir sie angesprochen haben, meinten sie, sie wollten nicht hinauf zur Aussichtsplattform der Elbphilharmonie, weil ihnen das zu teuer sei. Dabei ist der Eintritt kostenlos! Das wirkte alles wenig glaubhaft, wir haben daher die Ausweise kontrolliert. Die Personen kamen aus dem linksautonomen Spektrum, eine war der Polizei bereits bekannt, wie wir später feststellten.

Man merkt, dass es in der Stadt eine gewisse Grundaggressivität wegen des Gipfels gibt. Die autonome Szene ist sehr aktiv und organisiert Trainings, in denen das Durchbrechen von Polizeiketten geübt wird. Im Netz kursieren zur Motivation bereits Videos, wie man aus der Anonymität einer Demonstration heraus am besten Straftaten begehen kann.

Mich hat die Einsatzleitung zum Gipfel für die Absicherung eines Demonstrationszuges eingeteilt. Klar, man macht sich Gedanken: Bleibt es friedlich? Wird es zu Ausschreitungen kommen? Ich stelle mich auf jeden Fall darauf ein, dass es Krawalle geben kann. Wie stark, in welchem Ausmaß? Das ist sehr schwierig einzuschätzen.

Bisher hatte ich erst einen Einsatz, der wirklich brenzlig war. Im vergangenen Jahr demonstrierten Anhänger der rechten Szene in einer Stadt hier in der Nähe von Hamburg. Wir standen auf dem Bahnhofsvorplatz, sodass die Rechten nach dem Aufmarsch zu ihrem Zug gehen konnten. Dann plötzlich warfen linksautonome Gegendemonstranten Steine und Flaschen. Ein Kollege hat einen Stein, vielleicht halb so groß wie eine Faust, gegen den Helm bekommen. Er hatte gerade noch das Visier rechtzeitig heruntergezogen.

Einen Einsatz wie zum G20-Gipfel hatte in dieser Form noch kein Kollege von mir. Wir alle hoffen, dass es möglichst gewaltfrei bleiben wird. Wir üben regelmäßig, wie wir vorgehen, wenn aus einer Demonstration heraus Straftaten begangen werden sollten. Wie genau die Vorbereitungen aussehen, kann ich aus polizeitaktischen Gründen nicht sagen. Angst vor dem Gipfel habe ich bisher keine. Vielleicht ändert sich das kurz vorher noch. Auf jeden Fall habe ich Respekt vor diesem Einsatz. Das geht uns allen so. Man merkt eine gewisse Anspannung in der Belegschaft.

Fotos: Michael Kohls