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Was macht es mit Menschen, wenn sie sich ständig filmen und einander dabei beobachten? Das Game „Telling Lies“ gibt Antworten

  • 2 Min.
Szene aus dem Computerspiel "Telling Lies "

Weil es keine verbindlichen Regeln gibt, wie ein Videospiel auszusehen hat, kann es halt auch aussehen wie: kein Spiel. „Telling Lies“ von Sam Barlow ist so eines. Es besteht aus einem Haufen mehr oder weniger heimlich aufgezeichneter Videos, präsentiert auf einer herkömmlichen Computer-Oberfläche. Alles ist fiktiv, wirkt aber sehr realistisch.

Auf dem popeligen Computer-Desktop befinden sich ein paar vorinstallierte Programme wie etwa „Solitaire“, eines aber steht im Fokus des Spiels: ein Programm zum Durchsuchen der Videos. Was die Spieler*innen suchen und schauen, ist ihnen selbst überlassen.

TELLING LIES | Teaser Trailer

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„Telling Lies“ ist eine Ensemble-Geschichte wie schon „Her Story“ mit einem schwarzen Loch in der Mitte. Logan Marshall-Green spielt die zerrissene Hauptrolle. Innerhalb der ersten Videos enttarnen Spieler ihn als Undercoveragenten, der verschiedenen Menschen verschiedene Lügengeschichten erzählt. Zentral treten auch Alexandra Shipp und Kerry Bishé auf. Die Gesichter sind aus diversen Serien und Filmen bekannt. In verwackelten Handyvideos und unzähligen Skype-Gesprächen wirken sie sehr real.

Über eine Schlagwortsuche können Spieler die Videos durchforsten. Aber das Ergebnis fühlt sich nie wie ein verkappter Kinofilm an. Es bleibt Recherchearbeit: mal aufregend und erhellend, dann wieder ermüdend und unübersichtlich. Wer den zeitlichen Ablauf, den Salat der widersprüchlichen Fakten im Blick behalten will, sollte sich Notizen machen. Die mehrminütigen Videos müssen angeschaut und eingeordnet werden, und sie sind nicht immer unterhaltsam. Videotelefonate liegen zum Beispiel immer in zwei Dateien vor, eine pro Gesprächspartner. Wer den Dialog nachvollziehen will, muss beide Hälften finden.

Das Unbehagen, andere Menschen in intimen Situationen zu bespitzeln

Das Stöbern ist manchmal frustrierend, und nicht immer aus gutem Grund. Dass nur fünf Suchergebnisse angezeigt werden, wirkt willkürlich, und die Steuerung der Videos ist haarsträubend schlecht umgesetzt. Das geheime Datenbankprogramm des Justizministeriums kann in den digitalen Videos nicht springen und nur sehr langsam spulen.

Der Frust flaut aber schnell wieder ab. Ein ganz anderes, ungutes Gefühl setzt sich beim Spielen dagegen fest: Es ist das Unbehagen, andere Menschen in intimen Situationen zu begaffen. Die Erzählung gibt Spielern die Rolle einer ganz bestimmten Person mit einem guten Grund, in die Privatsphären einzudringen. Doch es bleibt verstörend, die sehr persönlichen Liebesbotschaften, Streitgespräche und Gutenachtgeschichten derart geschäftsmäßig und auf der Suche nach Indizien zu sichten.

Ähnliche Videos hinterlassen alle, die normal online leben. Was das für unser Zusammenleben und unsere Privatsphäre bedeutet, kann ein einzelnes Spiel nicht erklären. Aber „Telling Lies“ zeigt ein plausibles Szenario, eine Schauergeschichte, die sich vielleicht so ähnlich gerade irgendwo abspielt.

„Telling Lies“ ist für 8 Euro auf iOS und für 17 Euro als PC-Game erhältlich.

Foto: Annapurna Interactive

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.