Für jemanden, der im Osten aufgewachsen ist und seine frühe filmische Prägung der Sendung „Flimmerstunde“ verdankt, ist es einerseits ein Klacks, über den guten Russen zu schreiben, andererseits ist es fast unmöglich. Denn es gab grundsätzlich nur gute Russen. Selbst die paar bösen Russen, die hier und da auftraten, waren gute Russen, nur leider kurzzeitig unter schlechten Einfluss geraten. Wo also anfangen, wo aufhören? Am besten beim Kinderfernsehen, wo ab 1975 ein Bär namens Mischka die Sandmanntruppe um Schnatterinchen und Pittiplatsch verstärkte. Mischka wurde eingeführt, um im Gehirn des jungen Pioniers den Gedanken der deutsch-sowjetischen Freundschaft schon früh mit positiven Emotionen zu verknüpfen.

Richtige Russen, also Protagonisten ohne Pelz, kannte man als junger Zuschauer vor allem aus den Märchen- oder Kriegsfilmen, wobei sich beide Genres insofern ähnelten, als dass am Ende naturgemäß die Guten gewannen. So mancher Kriegsfilm der 60- und 70er-Jahre, wie zum Beispiel der Fünfteiler „Befreiung“, weckte beim pubertierenden Publikum den dringenden Wunsch, mit Spielzeuggewehren Schlachten nachzuempfinden. Der gute Russe, der damals freilich Sowjetbürger hieß, kämpfte gegen den Faschismus, war dabei um einen Witz nicht verlegen und hatte ein Herz für Kinder. 

Dass diese Sorte von guten Russen insbesondere in schlechten Filmen vorkam, kann als dialektische Volte verstanden werden. Bis heute prägen diese sogenannten Russenfilme das Image einer ganzen Kinematografie und verstellen so den Blick. Wer kennt schon den Schauspieler Alexej Batalow, der mit dem herzergreifenden Film „Die Kraniche ziehen“ 1958 in Cannes die Goldene Palme gewann? Auch das ist ein Kriegsfilm, wenngleich kaum ein Schuss fällt. Er erzählt die Geschichte eines Liebespaares, das durch den Kriegsbeginn getrennt wird. Während Boris (Batalow) sich freiwillig zur Front meldet und dort gleich in den ersten Tagen fällt, gerät seine Liebste Veronika, gespielt von der großartigen Tatjana Samoilowa, in die Fänge eines unrühmlichen Cousins, der sie in einer Bombennacht bedrängt, womöglich vergewaltigt. Die Sterbeszene, in der sich über dem Soldaten die Baumwipfel zu drehen beginnen, gehört zum Kanon der Filmgeschichte, und Boris ist mit Abstand der sympathischste Rotarmist, den man je im Kino sah. 

In der Komödie „Moskau glaubt den Tränen nicht“, die 1981 mit dem Oscar für den besten ausländischen Film geehrt wurde, spielt derselbe Batalow dann sehr überzeugend einen jungen Schlosser, der sich auf einer Bahnfahrt in eine Frau verliebt, die ihrem Verehrer allerdings verschweigt, dass sie die Direktorin einer Fabrik mit 3.000 Mitarbeitern ist. So was konnte auch nur in der Sowjetunion passieren. Als schönster Schauspielerfilm aus jener Zeit gilt die Tragikomödie „Leuchte, mein Stern, leuchte“ von 1969, in der der Bühnenstar Oleg Tabakow den Impresario eines Wandertheaters gibt, das in den Wirren der Oktoberrevolution die Idee der Kunst gegen ihre Vereinnahmung durch die Politik verteidigt. 

Der beste gute Russe aller Zeiten allerdings ist wohl der Schauspieler und Regisseur Wassili Schukschin. Seine Lebensgeschichte wie auch seine Filme erfüllen jedes Klischee, ohne dabei klischeehaft zu wirken. Selbst auf dem Dorf groß geworden, porträtierte er oft bäurische Figuren, lebensdurstig, starrköpfig, melancholisch, voller Poesie und Humor. Obwohl sie soffen und schimpften, besaßen sie eine moralische Inte grität, die über jeden Zweifel erhaben war. In „Kalina Krassnaja“, seinem berühmtesten Film, spielt Schukschin die Rolle des kriminellen Sträflings Jegor, der sich mit einer unbekannten Frau Briefe schreibt und sie nach seiner Entlassung in ihrem Heimatdorf besucht. Die beiden verlieben sich, Jegor versucht, ein guter Mensch zu werden. Doch die Rückkehr in ein ehrliches Leben endet tragisch. Sieben Monate nach der Premiere ist Wassili Schukschin bei einem Bootsunglück gestorben, mit nur 45 Jahren.