Viele Frauen sind es nicht, die über Generationen hinweg einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis haben. Es gibt sie ja schon, die weiblichen Heldinnen, nur werden sie in männlich dominierten historischen Diskursen an den Rand gedrängt. Bis heute erscheinen Frauen dort oft nur als Nebendarstellerinnen, die als Ehefrau, Schwester oder Tochter zwar erwähnt werden, deren Taten aber selten im Mittelpunkt der Geschichte stehen.

Unsichtbare Frauen sichtbar machen

Das will die französische Comiczeichnerin Pénélope Bagieu mit ihrer Graphic Novel „Unerschrocken“ ändern und die Geschichten genau solcher Frauen erzählen. Ihr Comic funktioniert dabei wie eine Zeitmaschine, die einen zu Königinnen, Widerstandskämpferinnen, Künstlerinnen und Forscherinnen rund um den Globus bringt. Fünfzehn Frauen begegnet man auf dieser Reise – vom antiken Griechenland bis ins heutige Liberia.

Dazu gehört Clémentine Delait, eine Pariser Barbesitzerin, die mit ihrem rauschenden Vollbart die Gendernormen des 19. Jahrhunderts herausfordert, die angolanische Königin Nzinga, die im 17. Jahrhundert gegen die portugiesische Kolonialmacht aufbegehrt, oder die finnische Künstlerin Tove Jansson, Erfinderin der Mumins, die in den 1960er-Jahren offen in einer lesbischen Beziehung lebt. 

 

Definitv kein Diversity-Problem

Bagieu erzählt mit jedem ihrer Porträts auch die Geschlechterverhältnisse der jeweiligen Zeit. Ihre Geschichten skizzieren Frauen, die sich an den Gesellschaften aufreiben, in denen sie leben. Frauen, die sich nicht zufrieden geben mit den bestehenden Verhältnissen. Bis auf ihren rebellischen Charakter könnten die von Bagieu beschriebenen Frauen unterschiedlicher nicht sein: Sie kommen aus Lateinamerika, Afrika, Europa oder Asien, sind lesbisch, trans- oder heterosexuell, arm, reich oder mächtig, leben auf dem Land oder in der Stadt. Und diese Diversität der Heldinnen macht den Comic so interessant. Mit jedem Porträt entdeckt man einen neuen Kosmos, mit anderen Bildern, neuen Gesichtern, Aufgaben und Problemen. Durch das Zusammenspiel der Zeichnungen in leuchtenden, knalligen Farben und den kurzen, sehr humorvoll geschriebenen Texten, werden die Gefühle und Erlebnisse der Frauen lebendig – fast hat man das Gefühl, sie würden selbst zu einem sprechen. 

Schnell erwischt man sich dabei, wie man beim Lesen noch mehr Hintergründe zu den Protagonistinnen googelt. Wie sieht die Erfinderin des Badeanzugs, Annette Kellermann, wirklich aus? Und konnten Frauen im antiken Ägypten tatsächlich Gynäkologinnen werden? 

Sie sind überall – nur halt kaum in Büchern und Filmen

Die Comiczeichnerin Pénélope Bagieu ist einer der wichtigsten Newcomer des französischen Comics der letzten Jahre. Sie ist mit ihrem Blog „Ma vie est tout à fait fascinante“ berühmt geworden. Seitdem hat sie eine Reihe von Comics herausgebracht, die sich mit dem Alltag von Frauen beschäftigen. Auf die Frage, wie sie die Geschichten, der Frauen für den Comic „Unerschrocken“ gefunden habe, sagte sie in einem Arte-Interview: „Ich hatte überhaupt keine Schwierigkeiten solche Heldinnen zu finden. Sie sind wirklich überall. Nur leider sind sie selten das Thema eines Films oder einer Biografie.“  

Mit ihrem Buch stellt Bagieu nicht nur vergessene Pionierinnen ins Rampenlicht. Sie macht gleichzeitig auf den Kampf für Geschlechtergerechtigkeit in verschiedenen kulturellen Kontexten aufmerksam. Und obwohl die Frauen diverser nicht sein könnten und zum Teil vor Hunderten von Jahren lebten, hat man am Ende des Buches das Gefühl, dass ihre Anliegen bis heute aktuell sind. Von diesen „Unerschrockenen“ kann man eine Menge mit in den Alltag nehmen. 

Pénélope Bagieu: Unerschrocken. 15 Porträts außergewöhnlicher Frauen, Reprodukt 2017, 144 Seiten, 24 Euro