Im Juli 2011 war unser Autor unterwegs im Süden Äthiopiens. Am Provinzflughafen von Arba Minch fiel ihm eine Gruppe auf, deren Mission mutmaßlich eine andere war.

Arba Minch heißt auf Deutsch „Vierzig Quellen“, und die Landschaft hier ist so schön, wie es der Name verheißt. Die 100.000-Einwohner-Stadt im Süden Äthiopiens liegt am Rande des Nechisar-Nationalparks in unmittelbarer Nähe von zwei malerischen Seen, in denen man Krokodile und Nilpferde bestaunen kann.

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Direkt neben Arba Minch gelegen: Der Nechisar-Nationalpark (Foto: Robert Harding/Simon Montgomery/picture alliance)

Direkt neben Arba Minch gelegen: Der Nechisar-Nationalpark

(Foto: Robert Harding/Simon Montgomery/picture alliance)

Im Juli 2011 waren meine damalige Kollegin und ich eine Woche in Arba Minch und im südlicher gelegenen Omo-Tal auf Reisen gewesen. Am Tag unseres Rückflugs hatte die Ethiopian-Airlines-Maschine leichte Verspätung. Seitdem der Flugverkehr ins noch südlicher gelegene Jinka eingestellt wurde, verfügt Arba Minch in der infrastrukturschwachen Region über den einzigen Flughafen. Auf den ersten Blick unterscheidet der sich nicht sonderlich von anderen äthiopischen Regionalflughäfen: Im Inneren des Terminals gibt es ein kleines Café; ein Schalter, ein Metallscanner und ein Gepäckförderband reichen völlig aus für die wenigen Inlandsflüge in die etwa 350 Kilometer entfernte Hauptstadt Addis Abeba. Der Großteil der Reisenden sind ausländische Touristen, Entwicklungshelfer und NGO-Mitarbeiter.

An unserem Abreisetag wirkten die meisten von ihnen angesichts der Verspätung gelangweilt. Bessere Laune verbreitete dagegen eine Delegation, die wohl nicht auf der Passagierliste stand: Männer mit Armeestiefeln, Sonnenbrillen, Cargohosen und Bürstenschnitt drehten mit ebenso akkurat gekleideten Frauen eine kurze Runde um das Flughafengebäude. Man sah diese Gruppe nicht lange, aber man sah sie.

Bei mir klingelte es. Ich erinnerte mich an einen Amerikaner, der mir kurz vor unserer Abreise aus Addis Abeba erzählt hatte, dass Arba Minch Teil des US-amerikanischen Drohnenprogramms in Afrika sei. In der Regel hat man allen Grund, skeptisch bei solchen Erzählungen zu sein, bekommt man derartiges „Insiderwissen“ doch nicht selten von geltungsbedürftigen Expatriats serviert, die angeblich genau wissen, was in einem Land so alles läuft. Aber, dachte ich mir, zumindest in Hollywoodfilmen sehen Mitglieder der US-Army in Zivil genau so aus.

Hatte ich also gerade tatsächlich einen amerikanischen Drohnenstützpunkt betreten? Aber wo waren dann die Hangars, die man sich auf einer Militärbasis ausmalt? Wo die Flugkörper, und überhaupt, wäre das nicht eine etwas lächerliche Form der Geheimhaltung, wenn Mitglieder des US-Militärs, die offensichtlich nicht die Absicht hatten, den Check-in-Schalter zu nutzen, lachend um einen Passagierflughafen stolzieren?

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Im Einsatz für die US Army: Die Drohne MQ-9, genannt „Reaper“ (Sensenmann) (Foto: U.S. Air Force photo/Paul Ridgeway)

Im Einsatz für die US Army: Die Drohne MQ-9, genannt „Reaper“ (Sensenmann)

(Foto: U.S. Air Force photo/Paul Ridgeway)

Was diese Leute dort genau gemacht haben, werde ich nie erfahren. Meine Zweifel, was die militärische Funktion des Flughafens betraf, wurden im Oktober 2011 aber zerstreut. Ich war wieder zurück in Deutschland und las in der Online-Ausgabe der „Washington Post“ einen Artikel mit der Schlagzeile „U.S. drone base in Ethiopia is operational“. In dem Artikel heißt es, das Pentagon habe den kleinen Regionalflughafen in Arba Minch in den vorangegangenen Monaten zu einer Drohnenbasis ausgebaut, um von dort aus Jagd auf Mitglieder der Al-Shabaab-Miliz im Nachbarland Somalia zu machen. Laut dem Bericht wäre es in Arba Minch auch möglich, die Drohnen unter anderem mit Luft-Boden-Raketen zu bestücken.

Die äthiopische Regierung bestritt generell, dass es auf dem Flughafen Arba Minch eine amerikanische Militärbasis gäbe. Offizielle Stellen in Washington räumten ein, dass sich in Arba Minch in der Tat nun eine funktionsfähige Drohnenbasis befand, sagten aber zugleich, die dort startenden Drohnen seien unbewaffnet und würden nur zu Aufklärungsflügen eingesetzt. Und mir war klar: Ich war auf einer amerikanischen Drohnenbasis gewesen.

Benjamin Weiß, 28, verbrachte im Jahr 2011 ein halbes Jahr am Goethe-Institut Addis Abeba, Äthiopien. Seit Anfang 2014 ist er Volontär im Fachbereich Print bei der Bundeszentrale für politische Bildung.