Können wir sprechen? Hast du Zeit?

Ich sitze im Taxi, aber frag ruhig.

Wo bist du gerade?

In Amsterdam. Ich berate eine Bank.

Gestern Abend hat das Interview nicht geklappt, weil du noch beschäftigt warst. Ist es normal, dass du so lange arbeitest?

Ich fange morgens um neun an, wenn es gut läuft, bin ich um acht abends fertig. Aber es kann auch mal bis zehn oder halb zwölf gehen.

Macht es dich nicht fertig, so viel zu arbeiten?

Du musst eben gewisse Ruhezeiten einhalten. Es schadet auf Dauer einfach deinem Körper, wenn du zu wenig schläfst. Ich merke dann immer, dass meine Produktivität nachlässt. Sport ist sehr wichtig, und man muss in den Urlaub fahren, um sich wieder aufzuladen.

Bist du schon mal an deine Grenzen gekommen?

Ich habe mal 36 Stunden durchgearbeitet. Danach ging aber gar nix mehr.

Beneiden oder bemitleiden dich deine Freunde um dein Leben?

Es gibt welche, die mich um das viele Reisen beneiden. Andere bemitleiden mich, weil sie sich nicht vorstellen können, so viel zu arbeiten. Und dann gibt es auch noch die, die dem ganzen kapitalistischen System argwöhnisch gegenüberstehen und ein grundsätzliches Problem mit Unternehmensberatern haben.

Warum tust du dir das eigentlich an? Geht es dir nur ums Geld?

Der Sinn der Arbeit ist nicht Geld. Geld ist quasi Schmerzensgeld. Wenn du jeden Tag zwölf oder 14 Stunden diese Arbeit machst, willst du einfach nicht wenig verdienen. Das Wichtigste ist, dass ich etwas lerne und Spaß dabei habe. Wenn ich mich persönlich weiterentwickle und von den Kollegen geschätzt werde, gibt mir das eine Befriedigung.

Wie viel verdienst du denn?

Das kommt auf meinen Bonus an. Mein Fixgehalt im Jahr sind 63000 Euro.

Was machst du damit? Du kannst es ja gar nicht ausgeben, so wenig Zeit, wie du hast.

Ich reise gerne. Ich lege es an und spare es. Ich werde mir bestimmt irgendwann eine Wohnung kaufen, und wenn ich mal eine Familie gründe, habe ich Startkapital. Das Geld gibt mir ein Stück Freiheit. Ich könnte jeden Moment sagen, ich höre jetzt einfach ein Jahr auf zu arbeiten.

Apropos, wie lange willst du denn eigentlich noch arbeiten?

Ich kann mir schon vorstellen, mein ganzes Leben lang zu arbeiten, bis es eben nicht mehr geht. Die Frage ist, für was und für wen ich arbeiten will. Moment, ich muss mal eben den Taxifahrer bezahlen. (Rumpeln im Hintergrund, Stimmen: How much is it? 27, please!) Um deinen Punkt noch mal aufzugreifen …

Ja?

… irgendwann gründe ich vielleicht ein eigenes Unternehmen. Wenn ich im Lotto gewinnen würde, könnte ich mir aber auch vorstellen, ganz gratis zu arbeiten, zum Beispiel für eine soziale Organisation. Ich müsste was machen, sonst würde mir langweilig werden.