Mit 16 ging er zum ersten Mal auf Hardcore-Konzerte, seither hat ihn die Musik nicht mehr losgelassen. Sebastians Körper ist übersät mit Tätowierungen. Seit fünf Jahren ist der 24-jährige Berliner Straight Edger: Er nimmt keine Drogen, trinkt keinen Alkohol, raucht nicht, verzichtet auf Fleisch und hat auch kein Interesse an One-Night-Stands

Warum hast du beschlossen, keine Drogen mehr zu nehmen?

Mit 16 habe ich mich auf Konzerten natürlich auch betrunken. Das hat mir aber nie wirklich etwas gegeben oder Spaß gemacht, ganz im Gegenteil: Ich habe einige desaströse Erlebnisse mit Alkohol gehabt. Irgendwann habe ich mich dann entschieden, dass das nichts für mich ist. Über die Musik gelangte ich an die Straight-Edge-Bewegung, die der Nüchternheit irgendwie eine hohe Wertigkeit gibt. Es geht mir darum, die Selbstkontrolle zu behalten.

Was ist denn Straight Edge überhaupt?

Der Name basiert auf einem Lied der Hardcore-Band Minor Threat aus den USA. In den achtziger Jahren hatten viele Leute aus der Hardcore-Szene die Schnauze voll von massivem Drogenkonsum und der damit verbundenen Selbstzerstörung. In einem Minor-Threat-Song heißt es „I don’t smoke, don’t drink, don’t fuck – at least I can fucking think“. Daraus sind die Grundregeln von Straight Edge entstanden: keine Drogen und kein Sex mit ständig wechselnden Partnern, um sich selbst nicht kaputt zu machen.

Geht es auch darum, sich von anderen Jugendbewegungen abzugrenzen?

Natürlich geht es auch um Abgrenzung. Alle Jugendlichen in einem gewissen Alter trinken so viel, wie sie können. Wer nicht mitmacht, wird schief angesehen. Der bewusste Verzicht darauf ist ein Gegenentwurf und damit extrem „anti“. Das Gemeinschaftsgefühl dabei ist ziemlich wichtig. Es gibt sozusagen einen Gruppenzwang, um sich dem Gruppenzwang zum Drogenkonsum zu widersetzen.

Und wie passt der Verzicht auf Fleisch da rein?

Wenn man Verantwortung für sich selbst übernimmt, kommt man nicht daran vorbei, auch über seine Essgewohnheiten nachzudenken. Das heißt für mich: Ich will keine Tiere für meinen Genuss töten.

Bist du nie rückfällig geworden?

Doch. Nach anderthalb Jahren bin ich „gedropped“, wie man das in der Szene nennt, und habe kurze Zeit Alkohol getrunken. Aber schon während des Trinkens hatte ich Reuegefühle.

Bist du als Straight Edger nicht unerträglich für den trinkenden Teil des Freundeskreises?

Ich habe gar kein Problem damit, wenn Freunde trinken. Es ist eher so, dass mir automatisch unterstellt wird, besonders dogmatisch und eine Spaßbremse zu sein. Zu Unrecht, wie ich finde.

Versuchst du im Bekanntenkreis zu missionieren?

Das mache ich eigentlich nie, es wäre mir einfach zu blöd. Ich ermahne nur ab und zu Freunde, wenn ich das Gefühl habe, dass sie sich selbst mit Drogen schaden.