"Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen. Es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei!" Jeder, der in Deutschland zur Schule ging, dürfte dieses Volkslied im Musikunterricht gesungen haben. Oder es in letzter Zeit als Untermalung des GMX-Werbespots gehört haben. Ob die Zeilen den Wunsch nach Freiheit weckten? Ganz sicher tat dies 1988 "Gimme Hope Jo'anna" von Eddy Grant. Jo'anna meint dabei keine Frau, sondern die südafrikanische Stadt Johannesburg. Die angesprochene Hoffnung ist der Wunsch nach dem Ende der Apartheid, die Schwarze aufgrund ihrer Rasse benachteiligte. Von einem friedvollen Erzbischof ist die Rede - gemeint ist der Erzbischof von Johannesburg Desmond Tutu - der sagt, dass die Freiheitskämpfer die Herrschenden überwinden werden. "Gimme Hope Jo'anna" wird nicht nur in Europa ein Hit, sondern auch in Südafrika, wo die Befreiung des späteren südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela den politischen Umbruch und das Ende der Apartheid in den frühen 1990er-Jahren begleitet.

Nicht nur politische Ungerechtigkeiten werden in Liedern thematisiert: Anfang der 1970er-Jahre entsteht weltweit eine Frauenbewegung, die um Gleichberechtigung kämpft. 1972 erscheint "I Am Woman" von Helen Reddy. Reddy singt: "And I've been down there on the floor. No one's ever gonna keep me down again - I am strong! I am invincible! I am woman!" Das Stück wird mit einem Grammy ausgezeichnet; in der Dankesrede dankt Helen Reddy Gott mit den Worten: "Denn SIE macht alles möglich." Im gleichen Jahr veröffentlichen Ton Steine Scherben in Deutschland das Album "Keine Macht Für Niemand". Im gleichnamigen Lied heißt es: "Ich bin nicht frei und kann nur wählen, welche Diebe mich bestehlen, welche Mörder mir befehlen. Schreibt die Parole an jede Wand: Keine Macht Für Niemand!” Das Lied erreicht eine ganze Generation. Bob Dylans Stück "Hurricane" (1975) erzählt die Geschichte des schwarzen Boxers Rubin "Hurricane" Carter, der von einem rassistischen Justizsystem unschuldig verurteilt ins Gefängnis kam; angeklagt des dreifachen Mordes. Bob Dylan singt: "Here comes the story of the hurricane, the man the authorities came to blame for somethin' that he never done." Jahrelange Massenproteste und nicht zuletzt Dylans Lied führen zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens: Nach 18 Jahren Haft kommt Hurricane 1988 frei.

Es gibt auch Stücke, die einfach im richtigen Moment auftauchen: Als 1989 die Berliner Mauer fällt, ist die erste Single, "Looking For Freedom", des amerikanischen Schauspielers David Hasselhoff überall zu hören. Gezielt wegen des Mauerfalls veröffentlicht Marius Müller-Westernhagen "Freiheit". Die Hymne steht für das damalige Bedürfnis der Menschen nach Freiheitsliedern. Der vielleicht bekannteste Wendesong ist "Wind Of Change" von der Hannoveraner Band Scorpions. Mit Zeilen wie "Let your balalaika sing what my guitar wants to say" führen die Scorpions wochenlang die deutschen Hitlisten an.

Im Timing geirrt hat sich dagegen Jahre später Eminem. Mit "Mosh" will er die Jugend Amerikas ermuntern, nicht George W. Bush zum Präsidenten zu wählen. Doch als das Stück acht Tage vor der Wahl 2004 auf den Markt kommt, sind alle Termine, sich in die Wahlregister einzutragen, bereits verstrichen. Am 2. November 2004 wird George W. Bush erneut zum Präsidenten der USA gewählt. An die amerikanische Bevölkerung wandte sich 1988 auch Tracy Chapmans "Talkin' 'bout A Revolution". Vierzig Jahre nach der Verabschiedung der "Universal Declaration of Human Rights" der Vereinten Nationen machten diese Zeilen die farbige Musikerin zur Stimme derer, die unter Arbeitslosigkeit und beruflicher Chancenlosigkeit litten: "Don't you know, talking about a revolution sounds like a whisper while we're standing in the welfare line, crying in the doorstep of those armies of salvation, wasting time, in the unemployment line, sitting around, waiting for a promotion." Im gleichen Jahr begann Tracy Chapman mit Bruce Springsteen und anderen die Konzerttour "Human Rights Now" und forderte im Namen von Amnesty International die Wahrung der Menschenrechte ein. In Artikel 9 der Menschenrechte heißt es, dass niemand willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden darf.

Ein Menschenrecht, das den Musikern Gilberto Gil und Caetano Veloso Ende 1969 verweigert wurde, als sie von der brasilianischen Militärdiktatur ohne konkrete Anklage verhaftet und nach einem mehrmonatigen Gefängnisaufenthalt für drei Jahre ins Zwangsexil nach London abgeschoben wurden. Dem Regime dürfte die Musik der beiden missfallen haben: In Velosos erfolgreichem Lied "Alegria Alegria" heißt es: "ohne Dokumente, ohne Taschentuch", womit er auf das Verschleppen eines Menschen anspielte. Gil wiederum sang zum Beispiel in "Miserere Nobis": "Ich hoffe, dass ein Tag kommen wird, an dem es nicht nur ein halbes Brot für alle geben wird." Er konnte seine politischen Aktivitäten erst nach dem Ende der Militärdiktatur 1985 legalisieren und unterstützte den Wahlkampf des heutigen brasilianischen Staatspräsidenten Luis Inácio "Lula" da Silva. Seit dem 1. Januar 2003 ist er brasilianischer Kulturminister. Dass Musik von Regierungen kritisch betrachtet wird, ist allerdings kein neues Phänomen. Denn auch das Volkslied "Die Gedanken sind frei" war Mitte des 19. Jahrhunderts für einige Jahre verboten. Es entstand zwischen 1780 und 1800, Komponist und Textdichter sind unbekannt. Die Epoche der Aufklärung, in der sich die Bevölkerung gegen die Bevormundung durch den Herrscher wehrte, prägte seinen Text. Zeilen wie "Und sperrt man mich ein in finstere Kerker, das alles, das sind vergebliche Werke. Denn meine Gedanken zerreißen die Schranken" waren damals von der Obrigkeit nicht gern gehört. GMX benutzt das Lied für seine Kampagne, da das Internet "das freieste Medium (ist), das es gibt" - der Internet-Provider sich somit als Freiheitsvermittler betrachtet. Davon halten kann jeder, was er möchte - die Gedanken sind ja frei.