Der Aufstrebende

Schon seit seiner Kindheit ist sein Lieblingsverein der FC Bayern München. Er war im Tennisverein, und obwohl seine Eltern nicht wohlhabend waren, kauften sie ihm vor allem Kleidung von Benetton und Marc O'Polo. Die Lektion, die er so schon früh lernte: Wer Geld hat und zu den Gewinnern gehört, der führt ein leichtes, befreites Leben. Mit hochgestelltem Polokragen kämpft er sich seither durchs Leben, stets bereit, seine Überzeugungen und Interessen nach denen der jeweiligen Eliten auszurichten.

Die befinden sich für ihn in seinem wirtschaftswissenschaftlichen Studium, seinem Sportverein oder beim Praktikum in einer renommierten Unternehmensberatung. Dort betreibt er stets lächelnd Networking, bejammert die Macht der Gewerkschaften und macht sich auf die Suche nach einem adäquaten Lebenspartner: am besten aus gutem Hause.

Freiheit ist ... "die ungehinderte Entfaltung der Kräfte des Marktes"

Die Vorbilder: Thomas Middelhoff und Uli Hoeneß
 

Jeden Tag verlässt er sein Sofa zur selben Zeit, um für ein paar Schachpartien in den Park zu gehen. Nicht dass ihn dort jemand erwarten würde. Es ist vielmehr so, dass genau in diesem Moment die Sonne hinter dem gegenüberliegenden Dachgiebel verschwindet und das Sofa im Schatten liegt. Und wenn sein stets unabgeschlossenes Fahrrad wieder einmal geklaut wurde, erfüllt ihn das nicht mit Wut. Er denkt, dass es jemand dringender brauchte. Er wird schon wieder jemanden finden, der ihm im Austausch gegen Schachunterricht ein anderes Fahrrad überlässt. Zum Essen lädt er sich gern bei Freunden ein, die ihm dafür vom stressigen Leben zwischen Vorlesung und Nebenjob vorjammern dürfen. Sein eigenes Philosophiestudium ruht seit geraumer Zeit, der Bedürfnislose lernt lieber Tai-Chi oder Jonglieren.

Freiheit ist ... "etwas, das man nicht beschreiben kann, ohne Gefahr zu laufen, es genau durch diesen Definitionsprozess aufs Spiel zu setzen"

Die Vorbilder: Diogenes und der Typ aus der Gauloises-Werbung

 

Der Superglobale

Die Freunde des Superglobalen zitterten zu Jahresbeginn vor der Textiloffensive aus China - jetzt wo die Importquoten gefallen seien. Der Superglobale öffnete hingegen eine Flasche Champagner, um den "glorreichen Sieg des ökonomischen Weltgeistes gegen kleinmütiges Bezirksdenken" würdig zu feiern. Sein Diplom kommt aus der Schweiz, sein Sportwagen aus den USA, seine Freundin aus Spanien. Wenn ihn jemand nach seiner Nationalität fragt, antwortet er "Europäer" oder "Kosmopolit". Der Gedanke, sich einem Land, einer Nation zugehörig zu fühlen, lässt kalten Schweiß auf seiner Stirn erscheinen. Dass er weder weiß, wie das Bundesland heißt, in dem er wohnt, noch, was der Unterschied zwischen Teutoburger Wald und Schwarzwald ist, betrachtet er nicht als Nachlässigkeit, sondern als eine seiner größten Errungenschaften.

Freiheit ist ... "Fakes von amerikanischen Sneakern auf der chinesischen eBay-Seite zu einem Spottpreis zu schießen"

Die Vorbilder: Rupert Murdoch und Mickymaus

 

Der Guerillakämpfer

Frauen in Highheels - von Männern zur Erfüllung von Schönheitsidealen gezwungene Dinger. Jugendliche Kleingangster - Produkte der Ellenbogengesellschaft. Die Welt des Guerillakämpfers ist schwarz-weiß, die Schuld trifft immer das System. Freiwillig werden "die da oben" nie von ihren subtilen Unterdrückungsmechanismen lassen, die den Menschen an der Entfaltung hindern. Ihre wichtigste Waffe: das Fernsehen. Um dessen Macht zu verstehen, zappt der Guerillakämpfer ziellos durch die Kanäle. Seinen Freunden erzählt er, "bald was zu planen". Leider kommt ihm sein Vater dazwischen, der ihm aus erzieherischen Gründen die Zahlung der Kfz-Versicherung für seinen Jeep streicht. Woraufhin dem Guerillakämpfer nichts anderes übrig bleibt, als vor dem Freiheitskampf erst einmal die Ausbildung zu beenden. Denn wer startet die Revolution schon aus dem Linienbus?

Freiheit ist ... "die Beendigung von Unterdrückung durch Kampf"

Die Vorbilder: Che Guevara und der Sänger von Rage Against The Machine

 

Der Surfer

Im Grunde ist das Leben ganz einfach: Man braucht nur einen Strand, Sonne, ein Surfbrett, gute Wellen. Sieht man von Fernreisen, extravagantem Surfmaterial und sauteuren Originalteilen für den VW-Campingbus ab. Um sich das Geld für die Freiheit zu besorgen, arbeitet er während seines Sportstudiums an den Wochenenden als Promoter oder bespannt Tennisschläger neu und wird nach dem Studium verbeamteter Lehrer. Häufig fällt er schon während des Referendariats durch Realitätsflucht negativ auf. Immer wieder versinkt er minutenlang in Tagträumen. Mit zunehmendem Alter fällt ihm mit seinen langen Dreadlocks, der sich ewig pellenden Haut und seiner Beach-Mentalität die Integration in den Alltag immer schwerer.

Freiheit ist ... "eins zu werden mit der großen Welle"

Die Vorbilder: Patrick Swayze in "Gefährliche Brandung" und Tony Hawk

 

Der Intellektuelle

Um seine Gedanken aufs Wesentliche zu konzentrieren und seiner Bedürfnislosigkeit Ausdruck zu verleihen, rasiert er sich die Haare mit einem Langhaarschneider. Er trägt schwarze Rollkragenpullover und hat den Fernseher aus seinem Apartment verbannt. Wenn er nicht in einem Seminar Dozenten mit Sinnfragen nervt, sitzt er in seiner Kammer vor einer Schreibmaschine, blättert ziellos in den Klassikern der Philosophiegeschichte und trinkt einen Espresso. Oft setzt er sein Literaturstudium auf dem Bett fort. Dabei erscheinen ihm die Zeilen des Sartre-Werks "Das Sein und das Nichts" doppelt, er macht ein Nickerchen. Nicht schlimm, dass es erst vormittags ist: Schlafend ist er dem Wesentlichen viel näher - der Französin Olivia. Die hat er beim Schüleraustausch kennen gelernt, in einem Café in Paris.

Freiheit ist ... "die Willensfreiheit des Subjekts im Sosein als Antwort auf seine Existenz im dem ihn umgebenden Dasein"

Die Vorbilder: Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir