Als Russland im vergangenen Jahr die Krim besetzte, reagierten Politiker aus dem Baltikum entsetzt. „Wenn Putin nicht in der Ukraine gestoppt wird, wird er noch weiter gehen“, warnte die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaité. Auch die Regierungen von Estland und Lettland befürchten eine Destabilisierung ihrer Länder durch Russland.

Erst seit 1990 ist Litauen wieder ein unabhängiger Staat, nachdem es 1940 zum Teil der Sowjetunion geworden war. Wie unsicher dieser Status ist, erfuhren die Litauer, als 1991 prosowjetische Kräfte die junge Demokratie mit Panzern stürzen wollten. Eine ähnliche Entwicklung zur Unabhängigkeit nahmen die beiden anderen baltischen Staaten, in denen der Anteil der russischsprachigen Minderheit in der Bevölkerung recht hoch ist: Ein knappes Drittel der Bevölkerung von Estland und mehr als ein Viertel der Einwohner Lettlands gehören dazu; in Litauen ist es jeder Zehnte. Allerdings scheint die Sehnsucht, wieder zu Russland zu gehören, recht klein zu sein: In einer Umfrage in Lettland bezeichnete sich ein Großteil der russischen Minderheit als lettische Patrioten.

Die Angst vor dem russischen Großmachtstreben ist groß: Das litauische Verteidigungsministerium gab kürzlich sogar eine Broschüre heraus, die Bürger auf eine Invasion vorbereiten soll. Mit Streiks, Blockaden und Hackerangriffen solle sich die Bevölkerung bei einer möglichen Aggression wehren, dabei aber stets ruhig und bedacht handeln.

Die Nato, deren Mitglied die baltischen Staaten seit 2004 sind, schickte bereits Kampfflugzeuge zur Luftüber- wachung in die Region, die russische Seite wiederum flog mehrfach Scheinangriffe auf den Nato-Luftraum. Die Wirtschaftssanktionen, die wegen der Ukraine-Krise von der EU gegen Russland verhängt wurden, treffen Litauen besonders hart: Russland ist für das kleine Land der wichtigste Exportmarkt.