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Die Antifeministin

Die Serie „Mrs. America“ erzählt vom Kampf um Gleichberechtigung in den USA der Siebzigerjahre

  • 3 Min.
Serie Mrs. America

Eine elitäre linksradikale Minderheit will die amerikanische Familie zerstören, Geschlechterrollen für Unisex-Toiletten opfern und Abtreibung zur Routine machen: Behauptungen wie diese ließen sich heutzutage ohne Mühe im Programm des US-amerikanischen TV-Senders Fox News finden. In diesem Fall stammen sie aber von keinem trumpaffinen Moderator, sondern von Phyllis Schlafly, der Antiheldin der Serie „Mrs. America“ – und sind beinahe 50 Jahre alt.

Für eine Geschichte über die zweite Welle der Frauenbewegung wählt „Mrs. America“ einen ungewöhnlichen Ansatz. Anstatt eine Vorkämpferin für die Gleichberechtigung ins Zentrum zu stellen, entschied die Serienautorin Davhi Waller sich für eine überzeugte Antifeministin. Phyllis Schlafly, hier gespielt von Cate Blanchett, lebte von 1924 bis 2016 und mag außerhalb der USA kaum bekannt sein. Aber an ihrem Beispiel zeigt die Serie, wie das Thema Gender zu einem Fixpunkt in einem Kulturkampf wurde, der bis heute tobt. Die Polarisierung der Trump-Ära, in der zwischen Demokraten und Republikanern ein tiefer Graben verläuft, ruft „Mrs. America“ ständig in Erinnerung.

Selbst der Republikaner Nixon unterstützte das Equal Rights Amendment

1972 nimmt die historische Schlafly als republikanische Aktivistin den Kampf gegen das Equal Rights Amendment (ERA) auf. Das ERA soll Geschlechterdiskriminierung durch die Verfassung verbieten und gilt als überparteiliches Projekt der Frauenbewegung. Obwohl im Kongress nur 15 weibliche Abgeordnete sitzen, unterstützt eine große Mehrheit das ERA – auch Präsident Nixon. Doch ein Verfassungszusatz muss in den USA von drei Viertel der Bundesstaaten – damals 38 – ratifiziert werden. Dieser Prozess gerät ins Stocken, als Schlafly unter dem Banner „Stop ERA“ eine unterschätzte politische Kraft mobilisiert: weiße Hausfrauen aus den Vorstädten.

Mrs. America Season 1 Trailer | Rotten Tomatoes TV

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Die Serie zeichnet Schlafly als konservative Katholikin, die im Diskurs um traditionelle Rollenbilder auch das Potenzial für einen Rechtsruck ihrer Partei erkennt. Der Protestkampagne verpasst sie ein positives Framing: pro life und pro family. Auftritte beginnt sie mit der Punchline: „Ich danke meinem Mann, dass ich hier sein darf – weil es die Liberalen so verrückt macht.“ Aber Schlafly, Mutter von sechs Kindern, hat selbst höchste berufliche Ambitionen: Kongresskandidatin, Bestsellerautorin, Expertin für nationale Sicherheit. Schwarze Hausangestellte und ihre Schwägerin halten ihr den Rücken frei, während sie für ihre Kampagnen durchs Land reist. Blanchett spießt diese Widersprüche nicht satirisch auf, sondern spielt sie mit einfühlsamer Präzision. Das ist stellenweise schmerzhaft anzuschauen, zum Beispiel wenn Schlafly für ihren schwulen Sohn zur Beichte geht oder widerwillig ihren Mann beim Sex gewähren lässt. „No Means No“ scheint in ihrer Ehe nicht zu gelten.

Intersektionalität war in der Frauenbewegung schon damals ein Thema

Die Dramaturgie von „Mrs. America“ prägen ständige Perspektivenwechsel. Neben Schlafly kommt pro Folge auch jeweils eine der wichtigsten Feministinnen der Ära in den Blick: Gloria Steinem etwa, Gründerin des Magazins Ms., Shirley Chisholm, die erste afroamerikanische Präsidentschaftskandidatin, oder die Autorin Betty Friedan. Die zahlreichen Schauplätze sorgen dafür, dass in dieser Diskursserie nicht bloß Talkshows und Konferenzräume, sondern verschiedene repräsentative Lebenswelten zu sehen sind. Manche Figuren sprechen etwas nah am Jargon von heute, aber die wesentlichen Erzählstränge sind historisch akkurat. Intersektionalität, also die Überschneidung verschiedener Diskriminierungskategorien, war schon damals ein Streitpunkt in der Bewegung, auch wenn der Begriff erst später auftauchte. Dass im Versuch, die Mehrheitsgesellschaft zu erreichen, die Anliegen von Schwarzen und lesbischen Frauen ignoriert oder sogar bekämpft wurden, ist die größte Kritik, die die Serie an der zweiten feministischen Welle durchscheinen lässt.

Kein Wunder, dass sich nun beide Seiten, Feministinnen wie Steinem genauso wie Konservative, über „Mrs. America“ aufregen. Denn die Hochphase der Frauenbewegung erscheint hier zwar als Aufbruch, aber auch als Beginn eines folgenreichen Backlash. Tatsächlich war das Scheitern des Equal Rights Amendment eine schwere Niederlage der US-Liberalen. Besiegelt ist sie noch nicht: Fast 40 Jahre nach der Deadline hat Virginia im Januar als 38. Bundesstaat den Vorschlag ratifiziert. Ob das zählt, müssen nun die Gerichte entscheiden. Die Wiederauflage der Debatte ist zu erwarten.

„Mrs. America“ läuft dienstags um 21 Uhr bei Fox und im Anschluss an die lineare Ausstrahlung unter anderem bei Sky und Magenta TV.

Titelbild: Hulu 

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