Ich heiße Faesa, bin 47 Jahre alt und komme aus dem Irak. Seit diesem Jahr stricke ich im Strickcafé für Flüchtlingsfrauen von „Amnesty International“ und der „Save me!“-Kampagne in Aachen. Schon in meinem Heimatland war dies mein Hobby. Wir stricken Pullover, etwa für Kinder, oder Strümpfe. Gemeinsam arbeiten wir an einer großen Patchworkdecke. Jeder macht kleine Quadrate, die wir am Ende zusammennähen. Die Strickarbeiten schicken wir in den Irak oder andere Länder, in denen wir Kontakt zu Flüchtlingen haben.

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cms-image-000046418.gif (Illustration: Daniel le Bon)
(Illustration: Daniel le Bon)

Als ich in die Gruppe kam, half mir jemand dabei, alle Leute kennenzulernen. Inzwischen helfe ich als Flüchtlingspatin anderen neu angekommenen Flüchtlingen und bringe ihnen – wenn nötig – das Stricken bei. Bei uns arbeiten Frauen aus Syrien, Ägypten, dem Irak und auch aus Deutschland. Die Gruppe ist nett und die Arbeit wichtig. Ich nutze die Möglichkeit, um mein Deutsch zu verbessern und in Kontakt mit den Menschen zu kommen, die hier leben. Aber Stricken ist auch beruhigend und erinnert mich ein bisschen an die Heimat. Zu unseren Treffen bringe ich gerne eine regionale Spezialität mit, zum Beispiel die Süßspeise Baklava.

Ich habe beim Stricken schon viele interessante Menschen mit Fluchterfahrung kennengelernt. Ich habe Deutsche getroffen, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben. Da kamen Männer und haben uns Wolle von ihren verstorbenen Ehefrauen gebracht. Sie haben gesagt: Wir wissen, was Flucht ist. Aus dieser Erfahrung heraus unterstützen sie unser Projekt.

Letztens habe ich vorgeschlagen, dass wir einen Deutschkurs vor dem Stricken machen könnten. Die anderen fanden die Idee gut. Jetzt treffen wir uns immer eine Stunde früher und lernen gemeinsam Deutsch – mit zwei pensionierten Lehrerinnen.

Im letzten Monat war Ramadan. In der Zeit kamen die muslimischen Frauen nur für den Deutschkurs, zum Stricken sind sie nicht mehr geblieben. Es hat mich gefreut, dass meine Idee und der Kurs so gut ankamen.

Ich bin seit drei Jahren und fünf Monaten in Deutschland. Als chaldäisch-katholische Christin verfolgte man meine Familie und mich im Irak. Zuerst verließen mein damals 15-jähriger Sohn, mein Onkel und meine Tante den Irak. Sie waren über einen Monat mit dem Schiff nach Griechenland unterwegs. Ein Jahr später kam ich mit dem Flugzeug nach. Wir dürfen dauerhaft in Deutschland bleiben, wie andere verfolgte Christen aus dem Irak, weil die Behörden davon ausgehen, dass sich die Lage in unserem Heimatland nicht verbessern wird.

Daher leben wir auch nicht – wie viele andere Flüchtlinge – in der Peripherie, sondern im Zentrum der Stadt Aachen. Damit wir uns besser integrieren können. Ich besuche vier Tage die Woche einen Deutschkurs. Wenn ich richtig gut Deutsch spreche, möchte ich mich zur Altenpflegerin ausbilden lassen. In Bagdad habe ich über 20 Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet.

Mein Sohn und ich fühlen uns wohl in Aachen. Wir haben nur das Problem, dass es in dieser Gegend nicht viele chaldäisch-katholische Kirchen gibt. Die nächste ist in Mönchengladbach. Wir müssen mit dem Zug dorthin fahren. Das kostet Geld und Zeit. Zum Runterkommen gehe ich aber auch gerne in den Aachener Dom – oder ins Strickcafé. Dort gibt es immer etwas zum Lachen. Eine andere Frau hat letztens betont, wie sehr sie es genießt, dass wir so viel lachen. Wegen des Krieges habe sie ganz vergessen, wie Lachen geht.

Das Gespräch fand auf Deutsch statt. Faesas Muttersprache ist Aramäisch.

Caroline von Eichhorn ist freie Journalistin, Autorin und Gestalterin in München. Sie arbeitet unter anderem für den Bayerischen Rundfunk, die Süddeutsche Zeitung und das Bayerische Jugendfilmfestival Jufinale  – und sie hat beim fluter.de-Workshop für Jugendliche auf der Berlinale mitgewirkt.