Aufgebracht drängen die Menschenmassen im März 2011 gegen die Absperrungen der ägyptischen Armee. Sie fordern die Auflösung der Staatssicherheit und die Öffnung der Geheimdienst-Archive. Als die Soldaten sie nicht mehr aufhalten können, strömen Hunderte in das Hauptquartier der Staatssicherheit. Was sie dort finden, zeigt die Dekadenz der alten Machthaber – marmorne Badezimmer und holzvertäfelte Salons – und die Sammelwut des ägyptischen Geheimdienstes. Neben den Luxusmöbeln lagern dort nämlich Berge von geschredderten Dokumenten, genauso wie unversehrte Akten, die die Aktivisten in den folgenden Tagen fotografieren und unter dem Stichwort „EgyLeaks“ im Internet veröffentlichen. Darunter findet sich auch ein Schreiben der britischen Gamma International – einer Firma, die in Deutschland über eine Lizenznehmerin operiert –, in dem der ägyptischen Regierung unter dem mittlerweile gestürzten Präsidenten Mubarak nützliche Dienste angeboten werden: Mit Produkten ihrer Software „Finfisher“ können E-Mails überwacht und Zielcomputer infiziert werden.

Gamma International ist nicht das einzige Unternehmen, das mit autoritären Staaten weltweit Handel treibt. Zwar haben die EU-Staaten und die USA im Rahmen des Arabischen Frühlings die Demokratiebewegungen unterstützt, dem Handel mit den Regimen tut dies jedoch anscheinend keinen Abbruch. Auch andere Länder, in denen die Opposition bedrängt wird, profitieren von Software aus demokratischen Staaten: So nutzen Saudi-Arabien, China und Russland Software des US-Konzerns Blue Coat zur Internetzensur. Der Einsatz von Mobilfunk-Überwachungstechnik des deutschen Siemens-Konzerns half laut Menschenrechtsorganisationen bei der Niederschlagung des iranischen Aufstands 2009, und die Sicherheitssysteme der Münchner Firma Trovicor wurden nach Ägypten und in den Jemen verkauft. Auch bei der Unterdrückung des syrischen Aufstands haben deutsche Unternehmen ihre Finger im Spiel. Seit dem Jahr 2000 lieferten Siemens und Utimaco Safeware Überwachungssysteme an das Regime von Präsident Assad. Im Jahr 2011 wurde dort – indirekt über ein italienisches Unternehmen – ein weiteres Überwachungspaket von Utimaco installiert.

Strafbar machen sich die Firmen zwar nicht – der Export von Überwachungssystemen nach Syrien ist in der EU erst seit einem Embargo 2012 illegal –, trotzdem sind sie mitschuldig an der Unterdrückung. Denn die Technologie, die Unternehmen wie Utimaco als Sicherheitssysteme anpreisen, die bei der Verfolgung „krimineller Aktivitäten und Terrorismus“ helfen, gefährden in der Praxis Regimegegner und politische Aktivisten. Die Technologie hilft den autoritären Regimen, die Kommunikation von Oppositionellen zu überwachen und einzuschränken. Es kann sogar noch schlimmer kommen: Das zeigte sich etwa am Beispiel des bahrainischen Menschenrechtsaktivisten Abdulghani al-Chanjar, der 2010 von den Sicherheitskräften festgenommen und gefoltert wurde. Während seiner Verhöre wurden ihm Auszüge aus verschiedenen SMS vorgelegt, die laut Aussage der bahrainischen Regulierungsbehörde nur dank Überwachungssoftware aus Deutschland abgefangen werden konnten.

Zwar sind offiziell Exporte von Militärtechnologie verboten, wenn sie Menschenrechte gefährden. Können diese Produkte allerdings auch nichtmilitärisch genutzt werden (Dual-Use-Güter), dürfen sie ausgeführt werden. So werden die Diktaturen dieser Welt auch weiterhin ihre Bürger überwachen – mithilfe von Unternehmen aus demokratischen Staaten.