Für das orthodoxe Weihnachtsfest am 6. und 7. Januar hatte sich die russische Zentralbank ein besonderes Geschenk ausgedacht: einen neuen 100-Rubel-Schein, auf dem architektonische Wahrzeichen der Krim abgebildet sind. Etwa Sewastopol, der Schwarzmeerhafen der russischen Flotte. Das Wasserzeichen zeigt ein Porträt der Zarin Katharina der Großen, die die Krim im 18. Jahrhundert dem russischen Kaiserreich einverleibt hatte. Alles klare Statements: Die Krim gehört zu Russland wie Kaviar und Kreml. Die Banknote ist ein weiteres machtpolitisches Mittel, die völkerrechtlich umstrittene und international geächtete Annexion der Krim gegen alle Widerstände zu festigen. Jetzt auch symbolisch.

Die Halbinsel im Schwarzen Meer, vormals eine autonome Republik der Ukraine, wurde im Frühling 2014 annektiert – durch den Einsatz russischer Streitkräfte und mit Hilfe eines umstrittenen Referendums. Die russische Regierung spricht übrigens von „Wiedervereinigung“, Angela Merkel und andere europäische Regierungschefs hingegen von „Annexion“. Sukzessive wird die Krim seither dem russischen Rechtssystem angepasst.

Das bedeutet auch: Wer offen die neuen Autoritäten unter Regierungschef Sergei Aksjonow, das Russland Putins oder die Annexion der Krim kritisiert, lebt gefährlich. Der Filmregisseur Oleh Senzow etwa, Einwohner der Krim mit ukrainischem Pass, wurde im August 2015 von einem russischen Gericht zu 20 Jahren Haft verurteilt. Die offizielle Begründung: Terrorismus. Amnesty International kritisierte den Prozess als „offenkundig unfaires Verfahren, das von glaubwürdigen Foltervorwürfen überschattet wurde“. Menschenrechts- und Journalistenorganisationen vermelden immer wieder unrechtmäßige Verhaftungen von Journalisten und Aktivisten auf der Krim.

Viele unabhängige Medien wie auch zahlreiche ukrainische Banken und Firmen sowie internationale Unternehmen haben die Halbinsel inzwischen verlassen. Aus Angst vor Repressionen, aus Protest gegen die Annexion, wegen der internationalen Sanktionen, die gegen Russland und die Krim verhängt wurden, und weil sie eine Enteignung befürchten müssen. Zahlreiche ukrainische Firmen wurden bereits verstaatlicht.

Die vielleicht größten Verlierer der Krise: die Krimtataren

Besonders hart trifft es die Krimtataren, ein Sammelbegriff für eine Kulturgruppe, deren Vorfahren über die mongolische Welteroberung im 13. Jahrhundert auf der Krim gelandet waren und die dem sunnitischen Islam anhängen. Zwischen 10.000 und 15.000 von ihnen sollen ihre Heimat seit der Annexion verlassen haben. Ihrem politischen Führer, Mustafa Dschemilew, wurde ein Einreiseverbot erteilt, Aktivisten wie Achtem Chijgoz wurden unter fadenscheinigen Gründen zu Gefängnisstrafen verurteilt. Um auf ihre Not aufmerksam zu machen, haben die Tataren seit September die Wareneinfuhr an den wenigen verbliebenen Grenzübergängen zur Ukraine blockiert. Als – vermutlich – krimtatarische Aktivisten und Mitglieder des ukrainischen ultranationalistischen „Rechten Sektors“ Ende November 2015 Strommasten und Leitungen sprengten und damit zeitweilig die Stromversorgung auf der Krim unterbrachen, erhielt die Region denn auch noch einmal etwas mehr Medienaufmerksamkeit.

Die Annexion der Krim produziert viele Verlierer. Mehr als die Hälfte aller Einwohner der Halbinsel hat früher ihr Geld im Tourismus verdient. Seitdem die Ukrainer aber nicht mehr kommen, fehlen in der Saison rund zwei Millionen Urlauber. Den Menschen auf der Krim geht das Geld aus – während die Lebensmittel immer teurer werden. Die Preise für Früchte oder Mehl sind, weil sie umständlich aus Russland und teuer aus der Ukraine eingeführt werden müssen, seit 2014 teilweise um mehr als 50 Prozent gestiegen. Kartoffeln aus der Ukraine kosteten vor der Annexion rund 30 Rubel das Kilogramm, im April 2015 waren es 80 Rubel, umgerechnet 1,22 Euro. Beamte und Rentner allerdings profitieren finanziell. Ihre Besoldungen und Renten wurden dem fast doppelt so hohen Niveau in Russland angepasst. Trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten scheinen die meisten Bewohner der Krim, die die Halbinsel nicht verlassen haben, hinter der neuen Regierung und Russland zu stehen.

Russland selbst kommt die Annexion bislang durchaus teuer zu stehen, zumindest finanziell. Moskau zahlt bereits heute 75 Prozent des Krim-Haushaltes. Und um den Güter- und Reiseverkehr zwischen der Krim und Russland zu erleichtern, soll eine 19 Kilometer lange Brücke über die Straße von Kertsch errichtet werden. Ein patriotisches Prestigeprojekt für geschätzte 3,5 Milliarden Euro (228 Milliarden Rubel). Ob sich diese Investition tatsächlich rechnet, bleibt abzuwarten.

Coca Colas ganz eigene Krim-Krise

Aus den Schlagzeilen ist das Thema Krim indessen erst einmal wieder weitgehend verschwunden. Syrien, die Flüchtlingskrise, der Terror und Daesh beschäftigen die internationale Medienöffentlichkeit zurzeit mehr. Was nicht bedeutet, dass die internationale Staatengemeinschaft untätig bleibt. Die US-Regierung verschärfte im Dezember ihre Strafmaßnahmen gegen Russland, und auch die EU hat ihre Sanktionen verlängert. Nach Einschätzung von Experten ist dennoch kaum zu erwarten, dass sich die russische Führung den Forderungen nach einer Rückgabe der Krim an die Ukraine in naher Zukunft beugen wird.

Die Firma Coca-Cola hat es in dem andauernden Konflikt um die Krim geschafft, sowohl Ukrainer als auch Russen zu verärgern. Zum neuen Jahr veröffentlichte Coca-Cola eine Grußkarte im beliebtesten sozialen Netzwerk Russlands. Darauf zu sehen: eine Karte der Russischen Föderation – ohne die Krim. Nach vielfachen Beschwerden änderte Coca-Cola die Karte. In der neuen Version gehörte die Krim zu Russland, woraufhin nun ukrainische Internetnutzer protestierten und zum Boykott aufriefen. Eine hausgemachte Krim-Krise – mit einer einfachen Lösung: Um nicht länger zwischen den Fronten zu stehen, entschied sich der Softdrink-Konzern, die Karte zu löschen. Der Konflikt um die echte Krim wird sich nicht ganz so einfach beenden lassen.