Es dürfte ein einmaliger Vorgang in der Geschichte dieses Landes sein, dass sich eine Punkband bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes (VS) mit einem Präsentkorb bedankt. So geschehen vor gut zwei Jahren, als die mecklenburg-vorpommerische Band Feine Sahne Fischfilet bei den Beamten in Schwerin anklopfte, um ihnen ein Sortiment, bestehend aus Leberwurst, Kaffee und grünen Bohnen, zu überreichen.

Die Band, die eine Mischung aus Deutschpunk und Ska spielt und schon mal mit derberer Wortwahl über Auseinandersetzungen mit der Polizei („Helme warten auf Kommando / Knüppel schlagen Köpfe ein / Wasser peitscht sie durch die Straßen / niemand muss Bulle sein“ im aktuellen Song „Wut“)“, den Kampf gegen Nazis oder auch gegen den Staat ansingt, wurde damals zum ersten Mal im Verfassungsschutzbericht gelistet. Der Verfassungsschutz des rot-schwarz regierten Bundeslandes stufte die linke Combo, die seinerzeit noch durch die kleineren Jugendzentren der Republik tourte, aufgrund einer „explizit antistaatlichen“ Einstellung als Gefährdung ein. Feine Sahne Fischfilet machte dies nach zahlreichen Medienberichten schlagartig berühmt. Und so bedankte man sich für die Umsonst-Promo mit delikaten Geschenken.

Hinter all den Scharmützeln und Begleiterscheinungen verbirgt sich aber eine ernsthafte Kontroverse. Denn auch heute noch, während mit „Bleiben oder Gehen“, das neue Album der in Greifswald und Rostock lebenden Musiker, erscheint, dürfte die Band im Visier des Verfassungsschutzes stehen. Im VS-Bericht des Jahres 2013 zitiert die Behörde unter Punkt 3.6.2, mit dem man sich auf ganzen zweieinhalb Seiten den Musikern widmet, aus Interviews, Songtexten und Einträgen in sozialen Medien. Mit dem Ergebnis, dass Feine Sahne Fischfilet „den Staat selbst und seine Vertreter als faschistisch“ ansähen und von der Band „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ ausgingen.

Zwei der Musiker, von denen diese Gefahr ausgehen soll, sitzen Anfang Januar in einem Café in Berlin-Kreuzberg beim Interview. Sänger Jan „Monchi“ Gorkow und Gitarrist Christoph „Tscherni“ Sell haben Kuchen und Pfefferminztee vor sich. Die beiden Bandmitglieder – der eine, Gorkow, etwas breiter und lauter, der andere, Sell, etwas schmaler und bedächtiger – sind an der Spree, um Interviews zu geben. Anlass ist das Erscheinen ihres inzwischen vierten Albums, auf dem hymnischer, souliger, eingängiger Punk zu hören ist.

„Wir nehmen es zwar mit Humor, aber natürlich macht uns das wütend“, sagt Sänger Jan „Monchi“ Gorkow auf die Frage, wie man die Einordnung des Verfassungsschutzes heute sehe. Man stehe als Band sicher nicht für einen „staatstragenden Antifaschismus“ – zum Beispiel bedaure man es nicht, wenn mal ein Nazi einen „auf die Fresse“ bekomme. Gorkow aber kann es nicht verstehen, dass man mit ihrer Band ausgerechnet jene Menschen kriminalisiere, die eine Alternative zu den oft rechts geprägten Jugendkulturen in den Provinzorten böten: „Es ist ein wichtiger Anker gerade für Leute in ländlicheren Gebieten, dass es Bands wie uns gibt.“ Feine Sahne Fischfilet verbinden Konzerte manchmal mit Vorträgen oder Veranstaltungen, in denen sie über Neonazi-Strukturen informieren.

Was also wird diesen Kapuzenpullover tragenden Endzwanzigern konkret vorgeworfen? Im aktuellen VS-Bericht bezieht man sich auf das, was die Band öffentlich sagt: „Das, was wir machen, ist keine Kunst! (…) Das, was wir machen, soll eine Art Werkzeug sein, um unserer Wut gegenüber Rassisten, Sexisten, Homophobie und Staat eine Stimme zu geben!“ So haben sie sich etwa mal zu ihrem Selbstverständnis geäußert. Der VS bewertet dies als staatsfeindliche Aussage.

In der Vergangenheit begründete die Behörde die Nennung mit dem Engagement der Bandmitglieder in der Antifa. Der Eintrag im VS-Bericht sei „vor dem Hintergrund“ entstanden, „dass Mitglieder der Band der Polizei bekannt und bereits durch Straftaten in Erscheinung getreten sind“, bestätigt Marion Schlender, Pressesprecherin des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommerns. Laut Band geht es dabei um Delikte wie „Widerstand gegen die Staatsgewalt“, etwa um Blockaden bei Anti-Nazi-Demonstrationen. Schlender macht dazu keine genauen Angaben, sagt aber, die Band habe versucht, die Delikte „herunterzuspielen“. Die Verwendung von Logos aus der linken Szene auf der Band-Website war damals für die Staatsschützer ein weiteres Argument (eines zeigte etwa die Abwandlung des Logos der Getränkemarke Club-Mate zum „Club-Molli“, also einem leicht zu bauenden Molotowcocktail; die Band forderte zu dessen Einsatz bei Demos auf, bezeichnete das Posting in einem Interview aber „als Satire“. Ein anderes Logo zeigt einen niedergetretenen Nazi, versehen mit der Aufforderung „Good Night White Pride“. Dieses Logo ist in der Hardcore- und Punkszene weit verbreitet und unter anderem deshalb entstanden, um Nazis keinen Raum in Subkulturen wie Hardcore oder Ska einnehmen zu lassen).

Die Debatte um die Band berührt zum einen die Frage, inwieweit zwischen Privatperson und Mitglied einer Band zu unterscheiden ist, und zum anderen die Meinungs- und Kunstfreiheit. Mit Hinweis auf das oben zitierte Interview argumentiert der VS, Feine Sahne Fischfilet berufe sich „immer wieder auf die grundgesetzlich garantierte Kunstfreiheit (…) für eine Betätigung, die von ihr explizit nicht als ‚Kunst‘ eingeordnet wird“.

Eine zentrale Frage, die derzeit weder vom Verfassungsschutz noch in den Gerichtsurteilen zu der Causa Fischfilet beantwortet wird, lautet mithin: Gilt die Kunstfreiheit nur für jene, die sich explizit als Künstler verstehen? In einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Mecklenburg-Vorpommern aus dem Juni 2013 heißt es in Bezug auf die Meinungsfreiheit: „Lassen sich Bestrebungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus Meinungsäußerungen ableiten, dürfen Maßnahmen zur Verteidigung dieser Grundordnung ergriffen werden.“

Die Band wehrt sich weiter juristisch gegen die Nennung in den VS-Berichten 2011 und 2012; das Verfahren gegen letzteren ist anhängig. Der Anwalt der Band stellte einen Antrag auf Unterlassung der Verbreitung beider Berichte – beide Male hat das OVG beziehungsweise das Verwaltungsgericht Schwerin diesen in erster Instanz abgewiesen. In dem Beschluss des OVG vom Juni 2013 kommen die Richter zu dem Ergebnis, die Gruppe dürfe als linksextremistisch eingestuft werden, weil die Band Gewalt als Mittel des Widerstandes gegen die Polizei oder gegen Nazis befürworte. Man bezieht sich dort unter anderem auf den Aufruf „Bullen und Nazis bekämpfen!“, den die Band für einige Zeit auf ihrer Homepage hatte.

Feine Sahne Fischfilet wählen, wie Generationen von Punkbands vor ihnen, harsche Worte, um etwa das Verhalten der Polizei auf Demonstrationen zu kritisieren („Polizist sein heißt, dass Menschen mit Meinungen Feinde sind / Ihr verprügelt grad wieder Kinder“ heißt es im aktuellen Song „Wut“). Die Gruppe, deren Alben und Songs nicht von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert sind, stand schon auf ihrem 2012er-Album „Scheitern und Verstehen“ nicht für eine in Watte gehüllte Kritik an Staatsorganen: „Verfassungsschutz und Nazis gehen weiter Hand in Hand / noch ein paar Reformen, schon sind alle froh in diesem Land“, singt Gorkow. Dabei geht es um den Umgang mit dem staatlichen Versagen, das im Skandal um die Mordtaten der rechten Terrorgruppe NSU deutlich wurde. Die Songzeilen sind eine zugespitzte Form so mancher Kritik, die zum Fall NSU zu vernehmen ist.

Gorkow und Sell reden bei Kuchen und Pfefferminztee im Kreuzberger Café dann noch darüber, was es für sie persönlich bedeutet, dass sie überwacht werden: „Es beginnt damit, dass Bandmitglieder Probleme mit ihren Arbeitsstellen bekommen, geht weiter mit persönlichen Sachen und endet damit, dass es Leute zu heikel finden, uns in ihren Lokalitäten auftreten zu lassen“, so Gorkow.

Im zweiten Halbjahr 2015 wird der Verfassungsschutzbericht für das Vorjahr 2014 erscheinen. Möglich, dass dort wieder die Punkband Fischfilet aufgeführt wird. Einen Präsentkorb als Dankeschön für die Verfassungsschützer aber wird es wohl nicht mehr geben.