War die Meldung diesmal richtig? Oder wie so oft nur ein perfekt inszeniertes Schauspiel? Shoukhrat Mitalipov, einem Wissenschaftler vom Oregon National Primate Research Centre in den USA, ist es 2007 gelungen, Embryonen aus den Hautzellen eines Rhesusaffen zu klonen. Die daraus gewonnenen Stammzellen hat er zu Herz- und Nervenzellen reifen lassen und damit bewiesen, dass therapeutisches Klonen beim Affen möglich ist. Denn diese Körperzellen haben die Eigenschaft, sich zu jeglichem Gewebe und zu Organen entwickeln zu können, weshalb sie als Multifunktionsheilmittel gehandelt werden.

Doch die weltweite Forschungsgemeinschaft ist skeptisch geworden, seitdem der Koreaner Hwang Woo Suk bereits 2005 behauptet hatte, er habe einen menschlichen Embryo geklont. Eine Lüge, wie sich im Nachhinein herausstellte.

In Deutschland sind das Klonen von Embryonen und die Gewinnung von Stammzellen aus ihnen generell verboten. Die Bundesrepublik gehört damit zu den Ländern mit den strengsten Gesetzen in Bezug auf die Stammzellforschung. So regelte das 2002 verabschiedete und bis vor kurzem noch gültige Stammzellgesetz, dass nur mit embryonalen Stammzellen geforscht werden darf, die vor einem bestimmten Stichtag im Ausland gewonnen wurden, und zwar vor dem 1. Januar 2002 – das aber auch nur nach intensiver Prüfung des Forschungsvorhabens durch eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission.

Vorsprung durch Gentechnik

Wissenschaftler/innen und verschiedene Politiker/innen sahen in dieser Beschränkung einen erheblichen Nachteil für die deutsche Forschung und forderten daher eine Verschiebung beziehungsweise eine Abschaffung des Stichtages. Ihre Begründung: Die mittlerweile bereits sechs Jahre alten Stammzelllinien seien zu alt, um mit ihnen vernünftig forschen zu können. Embryonale Stammzellen sind im Prinzip "Alleskönner", das heißt, sie können sich zu jeder Art von Zelltyp entwickeln. Forscher/innen haben große Hoffnung, dass sich aus ihnen gesundes Gewebe gewinnen lässt, mit dem man beispielsweise Krankheiten wie Diabetes oder Parkinson heilen kann. Mit den alten, durch falsche Versorgung mit tierischen Produkten verunreinigten Stammzelllinien sei dies aber nicht mehr möglich, da sie sich für die Forschung nur noch bedingt eignen.

Dieser Argumentation folgte die Mehrheit des Bundestages und stimmte Anfang April einer Gesetzesänderung zu. Der Stichtag wurde auf den 1. Mai 2007 verschoben, wodurch nun frische Stammzelllinien importiert werden können. Außerdem wurde die Strafandrohung für deutsche Forscher/innen, die sich an internationalen Projekten beteiligen, aufgehoben. Eine Entscheidung, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG sehr begrüßte. Ihr Präsident Matthias Kleiner sagte: "Die jetzt beschlossene Verschiebung des Stichtages für den Import humaner embryonaler Stammzelllinien ist ein guter und wichtiger Schritt nach vorne für die Wissenschaft in Deutschland und für die deutschen Stammzellforscher."

Umgang mit dem Dissens

Kritiker/innen hingegen fordern immer wieder ein gänzliches Verbot der Forschung mit Stammzellen. Sie sind der Ansicht, die Stammzellforschung verstoße gegen das Grundgesetz und das darin verankerte Recht auf Leben und Menschenwürde. Auch die Verschiebung des Stichtages sorgt für Einspruch. So sagte der Chef der deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch im Deutschlandfunk: "Der gute Zweck rechtfertigt nicht jedes Mittel." Er befürchtet, wenn der Stichtag nun einmal verschoben wurde, sei dies immer wieder möglich.

Eine Aussage, der die DFG entschieden widerspricht. "Diese Linien, die jetzt verwendet werden können, sind qualitativ so viel besser als die vor 2002 gewonnen Stammzellen, dass eine Verschiebung des Stichtages nicht noch einmal nötig sein wird", sagt Marco Finetti von der DFG. Außerdem hoffe man nun auf den Durchbruch, damit embryonale Stammzellen vielleicht bald nicht mehr gebraucht werden.

Auch der evangelische Theologe Klaus Tanner von der Zentralen Ethik-Kommission der Bundesregierung begrüßte die Gesetzesänderung. Er sei von Anfang an dafür gewesen, überzählige Embryonen aus der künstlichen Befruchtung mit Einverständnis des Spenderpaares für die Stammzellforschung zu verwenden. "Auch die Forschungsfreiheit hat einen hohen ethischen Wert", so Tanner. "Und Deutschland ist ja trotzdem immer noch sehr restriktiv in der Gesetzgebung, wodurch bestimmte Dinge eben unmöglich gemacht werden." Eine völlige Freigabe der Stammzellforschung wie in anderen Ländern befürwortet Tanner nicht, sondern einen kompromissorientierten "Umgang mit dem Dissens".

Forschungsfreiheit – Chance oder Fluch?

So haben die USA und England sehr liberale Gesetze in Bezug auf die Stammzellforschung. In den USA beispielsweise gibt es so gut wie keinerlei Beschränkungen, insofern die Forschungsprojekte mit privaten Geldern finanziert werden. Zwar bezuschusst auch die Bundesregierung einige Vorhaben, jedoch nur unter strengen Auflagen. Sowohl das reproduktive als auch das therapeutische Klonen werden nicht vom Staat unterstützt, sondern sind ausschließlich auf private Geldgeber angewiesen.

Auch in England ist vieles möglich, das in Deutschland undenkbar wäre. Das therapeutische Klonen beispielsweise ist ausdrücklich erlaubt, sogar das Erzeugen von Mischembryonen aus Mensch und Tier. Englische Wissenschaftler/innen haben etwa vor wenigen Wochen erstmals menschliches Erbgut in Eizellen von Rindern eingepflanzt, woraus sich ein Embryo entwickelte. Sie wollen damit die Nutzung von in der Regel schwer zu beschaffenden Eizellen von jungen Frauen umgehen. Deutsche Wissenschaftler/innen haben mit Kritik auf diese ethisch bedenkenlose Art der Forschung reagiert.

Elisabeth Lehmann studiert in Leipzig Journalismus und schreibt als freie Autorin für Magazine.