In Argentinien kann seit 2012 jeder das Geschlecht wählen, dem er sich zugehörig fühlt: einfach zum Amt gehen, und schon wird aus Martin Martina – oder umgekehrt. Ohne kompliziertes Prozedere und psychologische Gutachten. Ähnlich fortschritt-liche Gesetze gibt es weltweit mittlerweile auch in Dänemark, Irland und Malta. Vor Kurzem ging die Provinz Buenos Aires, ein Bundesland, das fast so groß wie Polen ist, noch einen Schritt weiter. Es gibt nun ein Gesetz für eine Transquote: Transvestiten, Transgender, Transsexuelle werden im öffentlichen Dienst in -Zukunft bei gleicher Qualifikation wie die Mitbewerber bevorzugt eingestellt. Einer von 100 öffentlichen Angestellten soll bald aus der Trans-Community kommen – in Krankenhäusern, Schulen, Ämtern. 

„Wir wollen damit gegen die Diskriminierung in einer Macho-Gesellschaft kämpfen“, sagt die Abgeordnete Karina Naza-bal, die das Gesetz ins Parlament eingebracht hat. „Viele Transpersonen werden in Argentinien im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren von der Familie verstoßen, müssen die Schule abbrechen, haben keine Ausbildung, landen auf dem Strich.“ Tatsächlich sind viele Transsexuelle in Argentinien Prostituierte. Die Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung liegt im Durchschnitt bei gut 76 Jahren. Transpersonen werden im Schnitt aber nur 35 Jahre alt. Die meisten begehen Suizid, sterben an Aids oder werden umgebracht. Innerhalb von vier Wochen wurden im Herbst drei Transsexuelle in Argentinien ermordet. Darunter auch jene, die die Idee für die Transquote in Buenos Aires hatte. 

„Ich bin eine Überlebende“, sagt Lohana Berkins. Es schickt sich nicht, sie nach dem Alter zu fragen, aber sie liegt mit mehr als 50 Jahren deutlich über dem Schnitt der argentinischen Trans-Community. Mit 13 Jahren stellte ihr Vater sie vor die Wahl: „Entweder du wirst doch noch ein echter Kerl, oder du gehst.“ Sie ging, landete auf dem Strich und schaffte es durch ihre enorme Willensstärke, mit 30 Jahren doch noch Pädagogik zu studieren. Heute leitet sie das Büro für Gender-Identität der Stadt Buenos Aires. „Arbeit ist ein Schlüsselthema“, sagt Berkins. Sie ist ungeschminkt, trägt Jeans und T-Shirt, die halblangen Haare hat sie zu einem Zopf gebunden. „Es kann doch nicht sein, dass die Prostitution für jemanden aus der Trans-Community der vorgezeichnete Lebensweg ist.“ 

Das Gesetz ist weltweit einzigartig und fortschrittlich – doch im Alltag werden Transpersonen in Argentinien nach wie vor diskriminiert. „Es gibt Länder, in denen die Politiker Gesetze verabschieden, für die es bereits einen Konsens in der Gesellschaft gibt. Dieses Gesetz folgt der umgekehrten Logik“, sagt Karina Nazabal.  Die Provinz Buenos Aires möchte mit dem Gesetz dafür sorgen, dass Trans-personen in das gesellschaftliche Leben integriert werden, um Vorurteile abzubauen.

Noch wurde keine Stelle nach den neuen Bestimmungen besetzt. Wie die Provinz Bue-nos Aires das Gesetz in die Tat umsetzen will, muss noch ausgearbeitet werden. Dazu gehören werden sicherlich auch Fortbildungen in verschiedenen Berufen. So gibt es in Lanús, dem Bezirk, aus dem Karina Nazabal kommt, einen Gastronomiekurs für Transpersonen, in dem sie unternehmerisches Know-how bekommen. Denn wer sich selbstständig macht, braucht keine Quote.