Thema – Klimawandel

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Klimakonferenzen sind aufwendige, nervenaufreibende Treffen, leider oft mit mageren Ergebnissen. Aber sie setzen das Thema immer wieder auf die Tagesordnung – und können dann plötzlich überraschend erfolgreich sein

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Klimakonferenz (Foto: picture-alliance/REUTERS)

Mit einem aufmerksamen Blick ins Publikum nimmt der französische Außenminister Laurent Fabius am 12. Dezember 2015 um 19.24 Uhr ein Holzhämmerchen in die Hand. Vor dem voll besetzten Saal im Parc des Expositions von Le Bourget, nordöstlich von Paris, erklärt er, alle seien zufrieden. Dann sagt er fast beiläufig: „Damit ist der Vertrag angenommen“, und pocht mit dem Hämmerchen auf den Tisch. Im Saal bricht ein Sturm der Begeisterung los: Delegierte aus aller Welt springen auf, klatschen, jubeln, umarmen ihren Nachbarn. Das Pariser Abkommen zum Klimaschutz ist beschlossen. Und endlich, nach 21 Jahren, hat eine Klimakonferenz einmal einen richtigen Grund zum Feiern. 

Der Vertrag von Paris ist mehr als nur ein völkerrechtliches Regelwerk. Er ist der Beweis, dass die Maschinerie der UN-Klimaverhandlungen Ergebnisse produzieren kann – wenn die Bedingungen günstig sind und wenn die handelnden Personen entschlossen vorgehen. Das trifft manchmal zu. Aber häufig auch nicht.

Alles nur heiße Luft?

Von außen betrachtet sieht eine UN-Klimakonferenz so aus: Für knapp zwei Wochen treffen sich Vertreter der 196 Staaten der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change) an wechselnden Orten zur „Konferenz der Vertragsstaaten“ COP (Conference of the Parties) – zuletzt im Dezember 2018 bei der COP24 im polnischen Kattowitz. Bei wichtigen Konferenzen wie in Paris versammeln sich knapp 40.000 Teilnehmer (Diplomaten, Industrielobbyisten, Umweltschützer, Wissenschaftler und Journalisten). Das erfordert einen riesigen Organisationsaufwand, allein die COP23 in Bonn 2017 kostete Deutschland, das als Gastgeber für die Fidschi-Inseln eingesprungen war, etwa 117 Millionen Euro.

Für viele Beteiligte hören die Konferenzen praktisch nie auf. In Deutschland sind einige Dutzend Spezialistinnen und Experten in den Ministerien für Umwelt, Entwicklung und Auswärtiges das ganze Jahr über mit dem Thema beschäftigt – um weitere kleinere Konferenzen und die nächsten COPs vorzubereiten.

„Crunch-Time“ – die Konferenz geht in die heiße Phase

Die folgen einer ganz eigenen Choreografie: In der ersten Woche bereiten die Fachbeamten die technischen Fragen vor. Zu vielen Themen gibt es einen Wust von Vorschlägen, die für die Minister auf zwei, drei Varianten heruntergebrochen werden müssen, zum Beispiel auf konkrete Zahlen. Dann beginnt die politische Phase, Ministerinnen und Minister treffen ein, mit ihnen die meisten Medien. Die wichtigen Staatengruppen und Staaten – in der Regel die USA, EU, China, Indien, Brasilien, Südafrika, Indonesien, Saudi-Arabien – geben im Plenum ihre Erklärungen ab und bereiten in Hinterzimmern die Deals vor. Dafür haben die Fachbeamten die wichtigsten Probleme auf einige Kernfragen reduziert. Aus mehreren Hundert Seiten Text mit verschiedenen möglichen Versionen muss ein Abschlusstext gemacht werden. Ab Donnerstag der zweiten Woche ist dann „Crunch-Time“ – die Konferenz geht in die heiße Phase. Die Zeit wird knapp, Gerüchte kursieren und die Frage: Steht die Konferenz vor dem Scheitern? 

 

Diese Klimagipfel seien „die Höchststrafe der Natur für die menschlichen Umweltfrevel“, meint nur halb ironisch der Klimawissenschaftler und langjährige Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber.Nun wird auch in den Nächten durchverhandelt, traditionell wird mindestens um einen Tag überzogen. In dieser Phase kommt es oft auch zum „Huddle“: Die Vertreter der wichtigsten Staatengruppen versammeln sich in einem Knäuel rund um den COP-Präsidenten, der die Konferenz moderiert, und versuchen, in letzter Minute zu Einigungen zu kommen. Dann verkündet ein völlig übermüdeter Konferenzpräsident einen „Durchbruch“. Der kann wie in Paris tatsächlich historisch sein. Oder, weitaus häufiger, nur darin bestehen, die ungeklärten Fragen auf nächstes Jahr zu verschieben.

Andererseits werden durchaus auch Fortschritte erzielt: Im Pariser Abkommen haben sich praktisch alle Staaten völkerrechtlich bindend zum Klimaschutz verpflichtet – auch wenn sie dazu niemand zwingen kann, außer ihrer eigenen Bevölkerung. In Kattowitz haben sich die Staaten 2018 auf ein „Regelbuch“ geeinigt, das die Klimaschutzpläne der Länder vergleichbar machen soll – um eine Tonne Kohlendioxid (CO₂) in China genauso zu messen wie in Schweden. Auch über Finanzen entscheiden die Konferenzen: Ab 2020 sollen jedes Jahr 100 Milliarden Dollar aus den Industrieländern an die Entwicklungsländer fließen, um Klimaschutz und Ökotechniken voranzubringen. 

Jeder Staat hat Vetorecht

Die UN-Klimagipfel leiden an vielen Problemen: Entschieden werden kann in der Regel nur mit Einstimmigkeit, dadurch hat praktisch jedes Land ein Veto. Also einigt sich die Konferenz meist auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. So wie in Kopenhagen 2009, wo es statt eines verbindlichen Abkommens aufgrund des Einspruchs vonseiten der USA und Chinas nur eine unverbindliche Erklärung von Zielen gab, die sich jeder selbst setzen kann. Und gibt es konkrete Beschlüsse, dann existieren keine direkten Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen – oder wenn sich, wie 2017 die US-Regierung, eine Nation ganz aus dem Abkommen zurückziehen will. Außerdem geht es bei den Klimakonferenzen nicht nur um Klimapolitik. Indirekt werden noch ganz andere Probleme verhandelt: Die Industrienationen etwa fürchten ökonomische Konkurrenz durch Schwellenländer wie China und Indien – die armen Länder wiederum fühlen sich durch Jahrhunderte des Kolonialismus und ungerechter Weltwirtschaft in ihrer Entwicklung behindert.

Der bislang vielleicht größte Erfolg der Klimagipfel: Sie lenken die Aufmerksamkeit immer wieder auf das Thema Klimawandel und rufen uns die Warnungen der Wissenschaftler ins Gedächtnis. Ihr größtes Versagen: Seit der ersten COP 1995 in Berlin sind die CO₂-Emissionen weltweit nicht etwa gesunken, sondern von 23 auf 37 Milliarden Tonnen gestiegen. Für echten Klimaschutz muss der Ausstoß laut UN-Klimarat zwischen 2010 und 2030 um 45 Prozent sinken, dann (nach Berechnungen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung) in jedem Jahrzehnt bis 2050 weiter halbiert werden. Bei den kommenden Konferenzen dürfte es also heiß hergehen.   

Das Pariser Abkommen legt verbindliche Regeln für den globalen Klimaschutz fest: Bis 2100 soll die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad Celsius gehalten werden, möglichst sogar bei 1,5 Grad. Um das zu schaffen, müsste in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts Schluss sein mit der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, zudem müssten Wälder erhalten bleiben und neu angepflanzt werden. Im Pariser Abkommen verpflichten sich nicht nur die Industrieländer, sondern alle Staaten der Welt zum Klimaschutz. Entwicklungsländern soll geholfen werden, in saubere Techniken zu investieren.

Titelbild: Reuters/picture-alliance

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