Frau Barlow, warum kämpfen Sie gegen die Privatisierung von Wasser?

Weil wir Wasser brauchen, um zu leben. Es ist etwas anderes als Laufschuhe oder Softdrinks. Und deshalb darf man es nicht wie eine Ware verkaufen. Gleichzeitig ist Wasser so wichtig und wertvoll wie Öl.

Was ändert sich, wenn Wasser als eine Ware wie jede andere behandelt wird?

Die Folgen haben wir in den vergangenen 15 Jahren gesehen: Viele Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser, weil sie es nicht bezahlen können. Viele Menschen sind deswegen gestorben. Firmen, die Wasser verkaufen, haben kein Interesse daran, natürliche Vorräte zu schützen. Im Gegenteil: Je schwieriger sauberes Wasser zu finden ist, desto teurer wird es. 

Aber viele Länder in der Dritten Welt haben Probleme, die Bevölkerung mit Trinkwasser zu versorgen. Internationale Wasserversorger besitzen genug Er-fahrung, um ihnen zu helfen. 

Mit diesem Argument kommen die Befürworter seit Jahren. Es hat sich als falsch erwiesen. Unternehmen müssen in erster Linie Gewinne erzielen, um Anteilseigner zu befriedigen. Als Wasserkonzerne wie Suez oder Veolia vor Jahren begannen, in Entwicklungs- und Schwellenländern Geschäfte zu machen, hat man gesagt, dass sie die Bevölkerung wirksamer mit Wasser versorgen könnten als Staatsbetriebe und außerdem in neue Anlagen investieren würden. Beides ist nicht eingetreten.

Nennen Sie uns ein Beispiel.

Es gibt so viele: Cochabamba, La Paz, Buenos Aires. Oder nehmen Sie Johannesburg: Als eine Tochterfirma des internationalen Konzerns Suez dort vor sieben Jahren die Wasserversorgung übernahm, hat sie Zähler angebracht und Preise verlangt, die viele Bewohner nicht bezahlen konnten. Also haben sich die Menschen mit Eimern Wasser am Fluss geholt, obwohl dort Schilder vor Cholera warnten. Aber es geht uns ja nicht nur um die Wasserversorger. 

Sondern?

Flaschenwasser ist ein boomendes Geschäft. 2005 sind 164 Milliarden Liter Wasser abgefüllt worden. Außerdem verhalten sich Firmen wie Coca-Cola oder Nestlé gegenüber Einheimischen und der Natur völlig unverantwortlich. Coca-Cola hat 1998 im indischen Dorf Plachimada eine Abfüllanlage eröffnet und dem Boden so viel Grundwasser entzogen, dass das Tal vertrocknete. Die Bewohner haben sich gewehrt. Coca-Cola hat die Anlage mit Stacheldraht, Hunden und bewaffneten Sicherheitskräften schützen müssen. 

Warum haben sich Entwicklungsländer auf die Privatisierungen eingelassen?

Internationale Organisationen wie die Weltbank, der Weltwährungsfonds und die Welthandelsorganisation haben die Wasserprivatisierung jahrelang gefördert. Sie haben festgelegt, dass Wasser eine Ware ist, mit der man handeln kann – was vorher nicht der Fall war. Sie haben Kredite an die Bedingung geknüpft, dass die Wasserversorgung privatisiert wird. Warum eigentlich? Die meisten westlichen Staaten haben sehr gute Erfahrungen mit staatlichen Wasserversorgern gemacht. Warum helfen wir nicht Ländern in der Dritten Welt, staatliche Betriebe aufzubauen?

Jetzt kämpfen Sie darum, Wasser bei den Vereinten Nationen als Menschenrecht zu verankern. Was erhoffen Sie sich?

Das ist keine esoterische Wortklauberei, sondern hat reale Folgen. Für ein Menschenrecht muss man nicht bezahlen – man kann es vor Gericht einfordern. Uruguay hat als eines der ersten Länder Wasser als Menschenrecht in der Verfassung verankert. Konzerne wie Suez haben dort viel Schaden angerichtet, bis sich vor drei Jahren eine Initiative bildete, um die Verfassung zu ändern. Die Menschen haben gekämpft und Suez aus dem Land geworfen. 

Werden wir es noch erleben, dass das Recht auf Wasser bei den Vereinten Nationen durchgesetzt wird? 

Eine Reihe von Staaten unterstützen unsere Initiative, darunter Deutschland. Sie haben eine Resolution eingebracht. Louise Arbour, die Kommissarin für Menschenrechte, bereitet einen Bericht vor. Ich vermute, dass schon in wenigen Jahren das Recht auf Wasser durchgesetzt ist.

Maude Barlow erhielt für ihr Wasser-Engagement 2005 den Alternativen Nobelpreis. Die 60-jährige Kanadierin engagiert sich in der Menschenrechtsorganisation „Blue Planet Project“, die sie mitbegründet hat, für den Schutz und die gerechte Verteilung von Wasser. Sie ist Autorin des Buches „Blaues Gold. Das globale Geschäft mit dem Wasser“. Im Herbst erscheint auf Englisch ihr neues Buch „Blue Covenant“ (Blaues Abkommen).