Jamila Schäfer, 24, ist Bundessprecherin der Grünen Jugend. Sie studiert Soziologie und Philosophie in Frankfurt

Schon als Kind war es mir immer unverständlich, wie leichtsinnig die Menschen mit der Umwelt und mit Tieren umgehen. Als ich dann älter wurde, habe ich bemerkt, dass Frauen in vielen Fragen nicht gleichberechtigt sind. Außerdem war ich im ersten G-8-Jahrgang in Bayern und habe miterlebt, wie die Schule nicht nach den Interessen der Schüler ausgerichtet wurde, sondern nach denen der Wirtschaft. Bei einer Demonstration gegen das achtstufige Gymnasium habe ich dann Leute kennengelernt, die sich bei der Grünen Jugend engagiert haben. Da wurde mir bewusst: Wenn man politisch etwas erreichen will, ist es sinnvoll, sich zusammenzuschließen und in eine Jugendorganisation oder Partei einzutreten. Die relevanten Entscheidungen werden nicht ohne Parteien getroffen. Deswegen bin ich eingetreten, da war ich 18 Jahre alt.

„Mir war immer unverständlich, wie leichtsinnig die Menschen mit der Umwelt umgehen“

Seit Oktober 2015 bin ich Bundessprecherin der Grünen Jugend. Einmal die Woche bin ich im Bundesvorstand der Grünen, und immer wenn Sitzungswoche ist, bin ich bei den Fraktionssitzungen der Grünen dabei. Dann bringe ich die Position der jungen Grünen ein. Außerdem organisiere ich für die Grüne Jugend Veranstaltungen auf Bundesebene und kümmere mich um Pressearbeit. Gerade eben war ich mit der Grünen Jugend Berlin im Treptower Park, um auf Gentrifizierung aufmerksam zu machen. 

Vielerorts werden öffentliche Plätze auf einmal zu Orten mit Konsumzwang – dann muss man plötzlich ein Bier oder etwas zu essen kaufen, wo man vielleicht vor einer Woche noch sitzen konnte, ohne zu konsumieren. Das führt natürlich dazu, dass es auf einmal von deinem Geldbeutel abhängt, ob du an schönen Orten deine Zeit verbringen kannst. Mit unserer Kampagne zur Bundestagswahl wollen wir zeigen, dass Demokratie mehr ist, als nur ein Kreuz bei der Wahl zu machen. Wir wollen Menschen ermutigen, sich selbst für ihre Interessen einzusetzen.

Viele finden es erst mal komisch, wenn ich sage, dass ich bei einer Partei aktiv bin. Auch dann, wenn sie die Themen ansprechend finden. Manchmal muss ich mich auch in meinem Freundeskreis dafür rechtfertigen. Da wird mir schon mal vorgeworfen, dass ich Teil des Staatsapparats bin, mich anpasse und sowieso nur eingeschränkte Möglichkeiten habe, Dinge voranzubringen. Ich erkläre dann immer, dass es sinnvoll ist, bei einer Partei mitzumachen, weil man sich dort nun mal am wirksamsten für die Inhalte einsetzen kann. Ich finde nicht, dass sich das Engagement in Bewegungen oder Initiativen und Parteiarbeit gegenseitig ausschließen müssen. Vielmehr sollte man gut zusammenarbeiten und sich wechselseitig Impulse geben. 

„Wir können uns von Problemen nicht einfach abschotten“

Natürlich ist es wichtig, dass Menschen kritische Nachfragen stellen. So kann man seine eigenen Positionen überdenken, schärfen und verbessern. Sich selbst zu reflektieren ist wichtig, gerade in der Politik. Aber natürlich gibt es bestimmte Grundüberzeugungen. Zum Beispiel ist es mir wichtig, dass die Bedürfnisse der Menschen und der Schutz ihrer Lebensgrundlagen Priorität haben und nicht die Profitinteressen der Wirtschaft.

Gerade jetzt finde ich es besonders wichtig, sich für grüne Themen zu engagieren und sich für Menschenrechte und gegen Diskriminierungsformen wie Rassismus, Homo- oder Transfeindlichkeit einzusetzen. Die Klimakrise und die Tatsache, dass laut UNHCR weltweit über 65 Millionen Menschen auf der Flucht sind, zeigen, wie wichtig es ist, humanitäre Antworten auf globale Krisen und neue Formen des Zusammenlebens zu finden. Man muss Probleme lösen und kann nicht einfach die Augen vor ihnen verschließen. Wir können nicht so weiterwirtschaften wie in den vergangenen Jahrzehnten und rücksichtslos die Lebensgrundlage vieler Menschen zerstören. Ich glaube, das ist auch für viele Leute, die in wohlhabenderen Verhältnissen leben, ein wichtiges Thema: einerseits aus einem Gerechtigkeitsempfinden heraus, andererseits, weil es eben irgendwann auch um die eigene Lebensgrundlage geht. Wir können uns von Problemen nicht einfach abschotten und hoffen, dass es von alleine besser wird. 

„Die relevanten Entscheidungen werden nicht ohne Parteien getroffen“

Ich wünsche mir, dass in Zukunft immer mehr Leute den Mut haben, über den nationalen Tellerrand hinauszublicken. Ich will entschlossen für eine Gesellschaft kämpfen, in der die Menschen solidarisch zusammenleben und keine Angst haben müssen, anders zu sein. Ich möchte in einer Welt leben, in der niemand für das, was er oder sie ist, ausgegrenzt wird. 

 

Weil 42 Protokolle – so viele Parteien nehmen an der Bundestagswahl am 24.9. teil – ein bisschen viel wären, haben wir uns auf jene sieben Parteien beschränkt, die laut Umfragen eine realistische Chance auf den Einzug in den Bundestag haben.

Illustration: Daavid Mörtl