Albert Einstein war ein Jahrhundertgenie, ein Tausendsassa. Er soll mal gesagt haben, wenn die Bienen verschwänden, hätte der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Naturschützer zitieren diesen Satz gerne, wenn es um das sogenannte Bienensterben geht. Denn es klingt gleichermaßen plausibel und dramatisch, außerdem besonders glaubwürdig. Hat schließlich Einstein gesagt! Bloß hat er das gar nicht – und auch inhaltlich stimmt das vielen Experten zufolge so wenig wie die Horrormeldung, die Honigbienen stürben aus.

„Die Zahl der Imker und der Bienenvölker in Deutschland steigt seit vielen Jahren“, sagt Werner von der Ohe, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Institute für Bienenforschung und Leiter des Instituts für Bienenkunde Celle. Der Deutsche Imkerbund (D.I.B.) bestätigt das: Derzeit seien ihm rund 800.000 Völker gemeldet – vor zehn Jahren seien es noch 682.000 gewesen.

„Unsere Zahlen belegen, dass es kein Bienensterben gibt“, sagt D.I.B.-Sprecherin Petra Friedrich. Ihr Verband hat noch mehr überraschende Zahlen parat: Weniger als ein Prozent der 115.000 Imkereien hält ihre Bienen beruflich, für alle anderen ist das Imkern Hobby oder Nebenerwerb. Damit geht einher, dass die einzelnen Imker heute im Schnitt weniger Völker halten als früher. Besonders in den Städten ist die Bienenhaltung zum Trend geworden, Stichwort „Urban Beekeeping“.

Forscher und Imker sagen: Es geht unseren Bienen gut

Einer dieser Hobby-Imker ist Nicolas Hellmuth. Der 29-Jährige steht in einer abgelegenen Ecke eines Berliner Friedhofs, auf dem Kopf einen Schleierhut, vor ihm vier Holzkisten, die ihm etwa bis zum Bauchnabel reichen. Es ist sein wöchentlicher Besuch bei den Bienen – Ergebnis: „Alles in bester Ordnung.“ Wie immer eigentlich.

Forscher und Imker sagen also, es gehe den Bienen gut in Deutschland. Wie kommt es dann zu dem verbreiteten Eindruck, es stünde schlecht um sie?

Das Ganze hat wie so oft einen wahren Kern. Wer weiter zurückblickt, muss feststellen, dass die Zahl der Bienenvölker schon einmal deutlich größer war – Imkertrend hin oder her: Im Jahr 1950 gab es laut D.I.B. noch 2,1 Millionen Bienenvölker in der Bundesrepublik plus etwa 450.000 in der DDR.

Und es ist auch nicht so, dass es überhaupt keinen Grund zur Sorge gäbe. Besonders in Westeuropa und Nordamerika beklagen Imker regelmäßig Verluste in ihren Völkern, die im Laufe eines Winters durch die aus Asien eingeschleppte Varroamilbe verursacht werden. Sind diese Winterverluste besonders hoch – normal sind zehn, im Winter 2014/2015 lag die Rate in Deutschland jedoch bei 22 Prozent –, dann sorgt das für Schlagzeilen.

Doch nach einigen besonders kritischen Jahren wissen die Imker mittlerweile einigermaßen mit der Milbe umzugehen. „Schädlingsprobleme hat jeder“, sagt Jungimker Nicolas Hellmuth. Doch die ließen sich mit einer Lösung aus Ameisensäure recht gut in den Griff bekommen. „Wer hohe Winterverluste zu beklagen hat, macht was falsch.“

Die Medien sind nicht up to date

Wer nichts falsch macht, sollte die gewöhnlichen Verluste durch die Bildung neuer Jungvölker problemlos ausgleichen können, sagt Experte von der Ohe. Er hat eine Vermutung: „Bei den Medien scheinen diese Winterverluste mit weit zurückliegenden Trends verknüpft zu werden.“ Im Klartext: Die Medien sind nicht up to date – und der Laie denkt, die Honigbiene stirbt aus. Zielgerichtete Kampagnen von Umweltorganisationen tun ihr Übriges.

Bestäubung kann nicht nur von Insekten wie Bienen erledigt werden, sondern seltener auch von anderen Tieren wie Vögeln. Daneben existieren auch Windbestäubung (das ist beispielsweise bei Weizen, Reis, Hirse, Hafer, Roggen und Mais der Fall) und Wasserbestäubung (selten) – sowie Pflanzen, die sich selbst bestäuben, etwa Gerste, Bohnen und Erbsen.

Das Szenario Bienensterben ist in der Tat krass. Die Welternährungsorganisation schätzt, dass Bienen 71 der 100 Nutzpflanzenarten bestäuben, aus denen 90 Prozent aller Lebensmittel nahezu weltweit gewonnen werden. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit geht von mehr als 80 Prozent aller Feldfrüchte und Wildpflanzen in Europa aus. Der ökonomische Wert der Bestäubung wird weltweit auf etwa 200 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt, in der EU sollen es 22 Milliarden Euro sein.

Ohne Bienen gäbe es also nicht nur keinen Honig und keine Nebenprodukte wie Wachs, Pollen und Gelée royale, es fehlte auch der wichtigste Bestäuber. Experten schätzen zwar, dass die weltweite Agrarproduktion ganz ohne tierische Bestäubung „nur“ um drei bis acht Prozent zurückgehen würde. Doch für die biologische Vielfalt wären dramatische Folgen zu befürchten.

Wirklich schlecht dran sind die Wildbienen

Für die Berliner Bienenforscherin Eva Rademacher hat deshalb allen guten Statistiken zum Trotz auch das Mahnen seine Berechtigung. „Fakt ist, dass die Bienen stark belastet sind“, sagt sie. Das gelte besonders auf dem Land: Die vielerorts bestehenden großen Monokulturen seien „ökologische Wüsten“, das Nahrungsangebot für die Bienen also zu klein, und außerdem machten ihnen dort giftige Pestizide zu schaffen. Sie fordert deshalb mehr Blühflächen und mehr Umweltschutz.

Davon würden auch die Wildbienen profitieren, denen es überdies zunehmend an geeigneten Nistmöglichkeiten mangelt (gemeint sind Verwandte der Honigbiene, nicht etwa wild lebende Honigbienen). „Bei den Wildbienen gibt es tatsächlich ein wahres Bienensterben“, sagt Petra Friedrich vom D.I.B. Von den rund 560 in Deutschland registrierten Arten sei etwa die Hälfte gefährdet oder bereits ausgestorben. Auch diese Bienen sind Bestäuber und haben ihre Funktion im jeweiligen Ökosystem.

Nicolas Hellmuth will im Kleinen seinen Teil zum Überleben der Bienen beitragen. Damit nichts schiefgeht, hat er sich gleich zu Beginn im örtlichen Imkerverein angemeldet. Dort wurde er geschult und hat einen Paten bekommen, der ihm alles zeigt. Das ist auch gut so, denn Fehler und Nachlässigkeiten bei der Krankheitsbekämpfung können sich schnell auf umliegende Bienenvölker auswirken; besonders in Städten wie Berlin, wo mittlerweile sechs Völker pro Quadratkilometer leben (Bienen haben einen Flugradius von bis zu drei Kilometern).

Wer auch mit dem Imkern anfangen möchte, sollte sich ein bis zwei Stunden pro Woche um die Bienen kümmern können und etwa 500 Euro Startkapital parat haben. Besonders gern gesehen ist beim D.I.B. das Gegen-den-Trend-Imkern – also das Imkern auf dem Land und am besten mit mehreren Völkern.

Titelbild: Matthias Walendy