„Was willst du einmal werden?“ Schon das Verb in dieser Frage zeigt, wie sehr die Arbeit das Leben definiert. Auch gehört die Frage nach dem Job meist zu den ersten, die man sich beim Kennenlernen stellt, und die Antwort „Keiner“ klingt schon etwas komisch. So bedeutsam ist die Arbeit, dass Versuche, sie mittels Maschinen zu reduzieren, vielfach nicht als Erleichterung, sondern als Bedrohung wahrgenommen werden.

Mit diesem existentiellen Bereich des Lebens beschäftigt sich die neue Ausgabe des Illustrations- und Comicmagazins Spring. Das Heft – von Umfang und Aufmachung fühlt es sich eher wie ein Buch an – erscheint seit 2004 einmal pro Jahr, herausgegeben von einer gleichnamigen Künstlerinnengruppe mit Schwerpunkt in Hamburg. Publiziert werden ausschließlich Frauen.

Die Wege, mit denen sich die 13 Zeichnerinnen dem Thema nähern, sind visuell wie erzählerisch von einer enormen Bandbreite. So hat Doris Freigofas japanische Haikus, kurze Gedichte, über die unmöglichen gesellschaftlichen Anforderungen an berufstätige Mütter verfasst und illustriert. 

Birgit Weyhe interpretiert einen Essay von Susan Sontag über das Wesen der freiberuflichen Kreativarbeit. In einer anderen Geschichte von Weyhe werden ihre Comicfiguren lebendig und machen mit ihr einen Ausflug zum Hamburger Hafen, doch dort verdirbt Weyhe ihnen mit Vorträgen über die Ausbeutung von Hafenarbeitern und Kindern in der Kakaoproduktion so sehr den Spaß, dass die Comicwesen schließlich in den Streik treten.

Jul Gordon zeigt trostlose Impressionen aus Großraumbüros, zwischen Kantinentalk und Immergrünpflanzen, Karin Stangl zeichnet Grimms Märchen von den drei Spinnerinnen, wo ausnahmsweise mal die Faulheit siegt, Larissa Bertonasco legt ein sehr persönliches Protokoll ihres Burn-Outs vor. 

Optisch ist das Magazin eine Wucht, mit seitenfüllenden Bildern und satten Strichen, noch verstärkt durch die Reduktion auf die drei kontrastreichen Druckfarben Schwarz, Neonorange und Marineblau. Es finden sich fließende Wimmelbilder voller kleiner Fantasiewesen von Moki, schattenrisshafte, an die Vorspänne von 1960er-Jahre-Filme erinnernde Illustrationen von Stephanie Wunderlich, Surreales von Katharina Gschwendtner … klar, kaum jemand wird sämtliche Zeichenstile mögen. Aber es gibt viel zu entdecken.

So unterschiedlich die Ansätze sind, gibt es auch ein paar Gemeinsamkeiten, die sich allein schon aus der relativen Homogenität des Zeichnerinnenkollektivs ergeben. Die meisten Autorinnen gehören zu einer Generation, die sich jenseits der klar vorgezeichneten Erwerbsbiografien ihrer Eltern bewegt, in einem Arbeitsmarkt, in dem der Konkurrenzkampf härter geworden ist, wo Selbstoptimierung bis -ausbeutung immer selbstverständlicher dazu gehört – erst recht für Freiberuflerinnen.  

So eint viele Beiträge ein kapitalismuskritischer Blick, speziell auf die Leistungsethik der Arbeitswelt. Und natürlich ein weiblicher. Frauen haben in der Arbeitswelt bis heute mit vielfachen Diskriminierungen zu kämpfen, ob es um die gleiche Bezahlung für den gleichen Job geht, um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz oder das Geschlechterverhältnis auf den Führungs- und Entscheidungsebenen.

Vielleicht liegt es daran, dass das Heft in seiner Gesamtheit manchmal eine Spur zu didaktisch, ein wenig zu vorhersehbar geraten ist. Es dürfte gern noch ein wenig mehr Überraschung, mehr Binnenkontroverse, auch etwas mehr Sinnlichkeit sein. Lesenswert ist das Heft aber allemal.

Spring (Hrsg.): SPRING#15 – Arbeit. mairisch Verlag, Hamburg 2018, 228 Seiten, 20 Euro