Über die richtige Ernährung lässt sich trefflich streiten. Darüber, ob Weizen und Milch dumm und dick machen, ob gehypte Beeren nun Superfood oder nur überteuertes Vogelfutter sind, ob man bereits als Vegetarier ein besserer Mensch ist oder doch erst als Veganer. Meistens sind solche Diskussionen überfrachtet mit Ideologie und gefährlichem Halbwissen. Neue Argumente im Ringen um den besten Teller lieferten Wissenschaftler der Carnegie Mellon University in Pennsylvania. Die Forscher veröffentlichten im vergangenen Dezember eine Studie mit steiler These: Vegetarische Ernährung sei in vielen Fällen schlechter für unser Klima. Salat im Vergleich zu Speck ein echter Klimasünder – genau wie Aubergine, Sellerie oder Gurken. Natürlich gibt es auch Gemüse, das den fleischlichen Vergleich nicht scheuen muss. Nur Rindfleisch und gefrorene Fischsorten seien für das Klima tatsächlich so schlecht wie gedacht.

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Rinder sind und bleiben Klimaschweine – das räumen die US-Wissenschaftler im Kleingedruckten ihrer Studie ein. Für Schlagzeilen hatte ihre stark vereinfachte These gesorgt, wonach Salat ist dreimal schlechter für das Klima ist als Bacon (Foto: Arnhel de Serra)

Rinder sind und bleiben Klimaschweine – das räumen die US-Wissenschaftler im Kleingedruckten ihrer Studie ein. Für Schlagzeilen hatte ihre stark vereinfachte These gesorgt, wonach Salat ist dreimal schlechter für das Klima ist als Bacon

(Foto: Arnhel de Serra)

Das Szenario der Forscher: Alle US-Amerikaner verzichten auf einen Schlag auf ihre geliebten Burger und Steaks und ernähren sich nur noch von Obst und Gemüse. Davon ausgehend untersuchten sie, wie viel Energie und Ressourcen für den Anbau, die Verarbeitung und den Transport eines Nahrungsmittels nötig sind, um am Ende jeweils 1.000 Kilokalorien (kcal) zu erhalten. Der Clou: Die meisten Gemüse- und Obstsorten sind im Vergleich zu Fleisch eher kalorienarm. 100 Gramm Salat bestehen vor allem aus Wasser und haben einen Brennwert von nur etwa 13 kcal, die gleiche Menge Speck kommt dagegen auf 350 kcal. Folglich müsste deutlich mehr Gemüse angebaut werden, würden die USA plötzlich eine Nation von Vegetariern. So würden die Veggie-Amerikaner laut den Forschern 38 Prozent mehr Energie und 10 Prozent mehr Wasser als heute verbrauchen. Auch der von ihnen zu verantwortende Ausstoß von Treibhausgasen wäre höher.

Die US-Forscher sind mit ihren Ergebnissen ziemlich allein auf weiter Flur

Doch halt: Diese Forschungsergebnisse sind noch kein Grund, erschrocken den glutenfreien Weizengras-Smoothie beiseitezustellen und auf dem Smartphone eilig die nächste Fleischerei zu googeln. Die US-Forscher sind mit ihren Ergebnissen ziemlich allein auf weiter Flur. 2012 veröffentlichte die Umweltorganisation WWF eine Studie mit dem Titel „Klimawandel auf dem Teller“. Ihr Ergebnis: Knapp 70 Prozent der direkten Treibhausgas-Emissionen unserer Ernährung sind auf tierische Produkte wie Fleisch, Milch und Eier zurückzuführen, auf Obst und Gemüse dagegen nur knapp ein Drittel. Berücksichtigt wurden dabei Emissionen durch Viehhaltung und Bewirtschaftung der Felder sowie Weiterverarbeitung, Transport und Lagerung der Produkte. Und die Vereinten Nationen kommen in ihrem Bericht „Livestock’s Long Shadow“ zu dem Ergebnis, dass die industrielle Viehzucht mehr Klimagase produziert als der gesamte Verkehrssektor an Land, in der Luft und auf dem Wasser zusammen. So gehe knapp ein Fünftel der globalen Treibhausgas-Emissionen – gemessen in CO2-Äquivalenten – auf das Konto der Viehwirtschaft.

Das für Fleisch Regenwald abgeholzt wird, bleibt unberücksichtigt

Doch wie kamen die Wissenschaftler der Carnegie Mellon University dann zu ihrem Ergebnis? Die Antwort darauf steckt im Detail. Zum einen ist ihre Ausgangsannahme, alle Amerikaner würden plötzlich (!) Vegetarier, sehr speziell gewählt. Damit verliert die Studie an Aussagekraft für die Praxis. Zum anderen ließen die Forscher den Import von Futtermitteln und die damit verbundenen Emissionen außen vor und gingen von einem Anbau im eigenen Land aus – auch das ist realitätsfern. Dass für Acker- und Weideland Regenwald abgeholzt wird, blieb ebenso unberücksichtigt. Zudem untersuchten die Forscher die Emissionen und den Ressourcenverbrauch von Fleisch und Gemüse nicht selbst, sondern verglichen nur die Ergebnisse von anderen Studien. Die Hintergründe ihrer Auswahl und Bewertung der Daten bleiben so allerdings im Dunkeln, transparenter wäre eine eigene Erhebung gewesen. Schließlich kommt es sehr darauf an, welche Zahlen man im Einzelnen heranzieht – mit der Auswahl steht und fällt das Ergebnis der eigenen Studie. Und abseits der steilen und in Medien viel zitierten These „Salat ist dreimal schlechter für das Klima als Bacon“ finden sich am Ende der Studie doch Hinweise darauf, dass gerade die Produktion von Rindfleisch für höhere Treibhausgas-Emissionen sorgt als jedes Gemüse.

Unter dem Strich ist die trügerische Klimarechnerei der Studie also eine schlechte Grundlage für die Antwort auf eine hochkomplexe und wichtige Frage: Wie isst man denn nun klimafreundlich? Man sollte bewusst und maßvoll konsumieren und dabei auf regionale und saisonale Produkte setzen. Durch kürzere Transportwege und Lagerzeiten werden die Emissionen nämlich deutlich reduziert. Denn Erdbeeren im Winter oder Fisch aus Übersee belasten das Klima ähnlich stark wie jeden Tag ein saftiges Steak auf dem Teller.