Portrait von Patrick Albrecht auf einer Brücke

So ist es, ich zu sein: Deutschlands jüngster Bürgermeister

Patrick Albrecht ist 24 und der Bürgermeister von Gößnitz in Thüringen. Manchmal arbeitet er 80 Stunden in der Woche. Mehr als das stört ihn aber, dass seiner Gemeinde Gelder fehlen

Protokoll: Alina Schneider
Thema: Demokratie
31. Juli 2025

Ich war 23, als ich zum Bürgermeister von Gößnitz gewählt wurde. Damit bin ich der jüngste hauptamtliche Bürgermeister in ganz Deutschland. Angefangen hat alles bei einem Abendessen in meiner WG-Küche in Gotha. Der amtierende Bürgermeister war krank geworden und konnte nicht mehr ins Amt zurückkehren. Wir rätselten über seinen Nachfolger. Ich hatte bereits meine Ausbildung in der Stadtverwaltung gemacht und meinte, ich könne mich ja aufstellen lassen. 

Eigentlich war das nur ein Witz, doch der Gedanke blieb hängen. Ich hatte total Lust, meine Heimatstadt mitzugestalten. Kurz darauf sammelte ich die ersten Unterstützungsunterschriften. Die braucht man als parteiloser Kandidat. Bei der Wahlwerbung haben mich meine Freunde unterstützt. Sie haben Korrektur gelesen, Plakate designt und mich motiviert. Mein Plan ging auf: Im Juni 2024 wurde ich mit 60,4 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister von Gößnitz gewählt, einer ostthüringischen Kleinstadt mit rund 3.500 Einwohnern.

„Ich bin mit Computern und Handys aufgewachsen. In der Verwaltung ist vieles noch total veraltet. Als ich anfing, nutzte meine Sekretärin noch einen Papierkalender“

Ich sehe mich nicht als klassischen Politiker, sondern als Vermittler. Ich brauche kein Parteibuch, um gute Ideen umzusetzen. Im Gegenteil – ohne Parteizwang kann ich auf alle Fraktionen im Stadtrat zugehen. Das ist ein großer Vorteil.

An meiner Personalie gab es aber auch Kritik. Einige Wählerinnen und Wähler meinten, ich sei zu jung und mit den Aufgaben überfordert. Klar gibt es andere, die mehr Lebenserfahrung haben, aber ich sehe mein Alter auch als Vorteil. Ich bin mit Computern und Handys aufgewachsen. In der Verwaltung ist vieles noch total veraltet. Als ich anfing, nutzte meine Sekretärin noch einen Papierkalender – jetzt arbeiten wir mit einem digitalen System. Eine Kleinigkeit, die das Arbeiten enorm erleichtert. Aktuell planen wir auch einen Online-Bürgerservice.

Aber es gibt auch kompliziertere Baustellen. Ein riesiges Problem ist das Geld. Damit haben viele Kommunen zu kämpfen. Die Baukosten steigen jedes Jahr, Personalkosten auch, aber die Gelder, die wir vom Land bekommen, werden nur minimal angehoben. Das ist total frustrierend. Und dann ist da die Landes- und Bundespolitik: Manchmal müssen wir Entscheidungen umsetzen, mit denen wir gar nicht einverstanden sind. 

2013 gab es in Gößnitz ein großes Hochwasser. In den Jahren danach hat das Land Thüringen einen Hochwasserschutzplan entwickelt. Einen Tag vor Beginn der dafür notwendigen Baumfällungsarbeiten bekam ich dann per E-Mail gesagt, dass es morgen losgeht. Ich hatte keine Zeit mehr, um die Bürgerinnen und Bürger zu informieren. Das hat für viel Unmut gesorgt. Vor allem online. Auf Facebook hieß es: „Der neue Bürgermeister ist gerade erst im Amt und lässt Bäume fällen …“ Das nimmt man mit nach Hause. Familie und Freunde sind da enorm wichtig. Sie helfen einem, nach stressigen Tagen wieder runterzukommen.

„Eine weitere Amtsperiode kann ich mir noch vorstellen. Bis ich alt bin, möchte ich den Job allerdings nicht machen“

Inzwischen bin ich schon ein Jahr im Amt. Jeder Arbeitstag sieht anders aus. Als Bürgermeister bin ich der Leiter der Gemeindeverwaltung mit insgesamt 40 Mitarbeitenden. Morgens drehe ich eine Runde und begrüße alle. Dann gehe ich in mein Büro. Dort liegen meist schon die ersten Unterschriftenmappen mit Vermerken, die ich gegenzeichnen muss. Gegen Mittag habe ich Termine, zum Beispiel zu Bürgeranliegen.

Parallel zu meinem Amt habe ich ein duales Studium zum Diplom-Verwaltungswirt absolviert. Das war manchmal echt hart. Morgens hatte ich in Gotha Vorlesungen, und abends musste ich zur Ausschusssitzung nach Gößnitz – 140 Kilometer entfernt. Hinzu kamen repräsentative Termine am Wochenende. In Spitzenzeiten habe ich fast 80 Stunden die Woche gearbeitet. Das war nicht immer einfach. Zum Glück haben mich meine Beigeordneten sehr unterstützt – das sind gewählte Vertreter aus dem Stadtrat, die den Bürgermeister vertreten können. Wenn alles gut geht, bin ich im August durch mit dem Studium. Dann wird es wohl entspannter.

Ich bin für sechs Jahre gewählt worden. Eine weitere Amtsperiode kann ich mir noch vorstellen. Bis ich alt bin, möchte ich den Job allerdings nicht machen. Das Amt verlangt viel Zeit und Engagement. Das lässt sich nur schwer mit einem Familienleben vereinbaren. Bürgermeister zu sein, ist definitiv kein Nine-to-five-Job.

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Titelbild: Sandra Tetzner / Fotodesign