Worum geht’s?

Dorothea, Abbie und Julie leben in einer WG in Kalifornien. Dorothea ist Mitte 50, Mutter und gerne ohne Ehemann. Ihren Sohn Jamie bekam sie spät. Abbie ist Anfang 30, Künstlerin und unzufrieden – in ihrer Freizeit fotografiert sie BHs. Julie ist 16 Jahre alt, Schülerin und sexsüchtig – ihre Kippen trägt sie stets im Mundwinkel. Mike Mills' Film „Jahrhundertfrauen“ zeigt das Leben dieser drei Frauengenerationen im Jahr 1979. Im Alles-ist-möglich-Vakuum nach der zweiten Welle der Frauenbewegung und vor der dritten Welle der 1990er-Jahre, die sich gegen die Fehleinschätzung „Aber es sind doch alle Ziele erreicht!“ wehrte.

Was soll uns das sagen?

Frau-Sein ist oft schwierig, noch öfter das Beste auf der Welt und immer ein Sich-und-Andere-Definieren. Für Letzteres stellt der Film Dorotheas Sohn Jamie in den Mittelpunkt. Für seine Mutter ist er ein feministisches Projekt. Immer wieder macht sie ihm Schuldgefühle, bis dieser ruft: „Mum, ich bin nicht alle Männer!“ – „Ja und nein“, antwortet Dorothea darauf. Abbie gibt Jamie wiederum das Buch „Sisterhood of Empowerment“ zu lesen und analysiert sein Verhalten als Mann. Und für Julie ist Jamie nur ein Freund – ein Freund, der ihr jedoch ihren ersten Schwangerschaftstest besorgt. So bilden die drei Frauen einen Orbit aus Lebenserfahrung, feministischer Theorie und, nun ja, Praxis. 

Nachdem Jamie dann dank Abbies Buchtipp das Abc der weiblichen Bedürfnisse auswendig gelernt hat, erklärt der Teenager: „Vielleicht bin ich doch ein Feminist!“ Bei allem Richtigen, was Mike Mills' Film über die weibliche Emanzipation und Sexualität erzählt, sind viele Momente einfach over the top. Obwohl „Jahrhundertfrauen“ drei Protagonistinnen in zahlreichen Dialogen zeigt, wird am Ende nur über Männer und Beziehungen gesprochen. Beim Bechdel-Test gibt’s dafür leider eine Vier minus. 

Wie wird's erzählt?

In alle Richtungen. Denn abgesehen von der feministischen Erziehung Jamies stehen die Frauen oft für sich – das sind die besten Momente des Films. Aus dem Off erzählen sie dann, wie ihre Umwelt sie zu dem machte, was sie sind: glücklich, traurig, einsam, laut, leise und stark. Vor allem Annette Bening als Dorothea haut einen dabei um, wie sie es eigentlich immer tut. Gegen Mitte des Films liegt sie alleine auf dem Bett, schaut an die Decke und ihre Off-Stimme erzählt, wie sie in 20 Jahren an Krebs sterben wird, noch bevor dieses Jahrhundert zu Ende geht. Die Message: Vertrödel nicht deine Zeit – gerade als Frau musst du doppelt so viel arbeiten, um glücklich zu sein. Einfach nur die Geschichten dieser Frauen zu erzählen, ganz ohne männliche Projektionsfläche, ist toll und hätte vollkommen genügt.

Too much

Als Abbie beim Abendessen ruft: „Ich menstruiere! Menstruation! Genau! Sag es!“

Hingucker

Die Farben des Films sehen so wunderbar aus, wie sie in Filmen über die 70er meist aussehen: knallig, mit bunten Tapeten und bunten Autos. Wie ein großer, schöner Vintage-Antiquitätenladen. Manchmal legt Mills sogar Effekte über die Bilder, ein Regenbogenstreifen schlängelt sich unvermittelt über die Szene. Auch wenn das Wort doof klingt, das ist tatsächlich „groovy“.

Beste Szene

Wenn Musik läuft und mal kurz alle schweigen. Die späten 1970er-Jahre sind auch die Zeit des Post-Punk – der Talking Heads, David Bowie, Suicide, The Buzzcocks, The Clash, The Germs und Black Flag. Einmal erklärt Dorothea dabei besonders eindrücklich, warum sie einfach nicht verstehen kann, wie diese ungepflegten Kerle als Vorbilder für eine ganze Generation dienen können. Es erklärt ihr dann zum Glück jemand.

Bester Dialog 

„Worum ging es in eurem Streit?“, fragt Jamies Mutter, als sie ihn nach einer Schlägerei mit einem Gleichaltrigen verarztet. „Klitorale Stimulation“, sagt Jamie.

Ideal für … 

… alle, die Judith-Butler-Bücher unterm Kopfkissen liegen haben. Und noch mehr für alle, die das nicht haben.

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