Triggerwarnung: Das Sprechen und Schreiben über trans* Personen hat sich seit Erscheinen dieses Artikels entwickelt: Es ist wissenschaftlich wie politisch korrekter und sensibler geworden. Fehler wie Misgendering und Deadnaming machen wir heute – hoffentlich – nicht mehr.

Der Twitter-Account von Hari Nef gleicht dem einer Diva: Sie postet Fotos mit befreundeten Promis, Schmollmund-Selfies und Links zu Werbekampagnen, in denen sie die Hauptrolle spielt.

Dazwischen tauchen aber auch politische Botschaften auf: Tweets, in denen sie kritisiert, dass Filmrollen für Trans-Frauen oft von heterosexuellen Männern besetzt werden. Oder sich beschwert, dass ihr als Trans-Frau bei Fotoshootings kaum Klamotten passen. Scheinbar nebenbei schreibt Hari Nef auch über ihre Hormontherapie oder die Entfernung ihrer Gesichtsbehaarung. Oder darüber, wie aufregend es ist, zum ersten Mal als „Cunt“ beschimpft zu werden – als „Fotze“ also.

Über ihre Arbeit und ihr Leben postet Hari Nef auf so gut wie allen gängigen Social-Media-Kanälen: Tumblr, Facebook, Twitter und Instagram. Auf letztgenannter Plattform hat sie bereits 26.000 Follower. Dabei ist sie nicht die einzige Trans-Frau, die momentan im Rampenlicht steht. Die Schauspielerin Laverne Cox aus der Kultserie Orange is the New Black schaffte es als erste Transgender-Frau auf das Cover des Time-Magazine. Das erfolgreiche australische Model Andrej Pejic, das früher als androgynes Männermodel auch in Damenkleidern modelte, unterzog sich 2014 einer Geschlechtsumwandlung und änderte seinen Namen in Andreja Pejic. Im selben Jahr eröffnete die thailändische Agentur Apple Model Management eine neue Abteilung, die ausschließlich Transgender-Models vertritt. Seit kurzem gibt es auch in Los Angeles einen solchen Ableger.

Die 22-jährige Hari Nef wurde in einem Männerkörper geboren, fühlt sich aber als Frau. Sie ist Schauspielerin, Performance-Künstlerin und wurde diesen Sommer als erste Transgender-Frau bei IMG Models unter Vertrag genommen – der einflussreichen Agentur, die auch Gisele Bündchen repräsentiert. Ihr Laufstegdebüt hatte Hari Nef auf der New York Fashion Week. Dort trug sie Mode von Eckhaus Latta und Hood By Air. Diesen Sommer modelte sie für Other Stories, eine Marke der H&M-Gruppe. Interessante Randnotiz: Die Kampagne wurde mit einem Team von ausschließlich Transgender-Menschen produziert.

Klickt man sich durch die Transgender-Kategorie auf deren Website, findet man allerdings keine Trans-Männer. Das spiegelt recht treffend ihre Situation auf dem Modelmarkt: Sie haben es noch schwerer als Trans-Frauen. Außerhalb der Szene ist nur Model und Fitnesstrainer Aydian Dowling bekannt, der als Frau geboren wurde. In diesem Sommer machte er Schlagzeilen in der Mainstream-Presse, weil er es ins Finale von „Ultimate Men's Health Guy“ geschafft hat – einen Wettbewerb des erfolgreichen Fitnessmagazins, dessen Gewinner auf dem November-Cover der Zeitschrift gezeigt wird.

„Als Transgender-Frau musst du andere Qualitäten auf den Tisch bringen.“

Was Aydian Dowling mit den prominenten Trans-Frauen gemein hat: Sie treten selbstbewusst auf. Allen voran Hari Nef: Auf Twitter rät sie Trans-Mädchen, die modeln wollen, sich nicht mit weiblichen Models zu messen, die seit ihrer Geburt Frauen sind: „Du bist nicht Natasha Poly, Naomi Campbell oder Liu Wen. Du wirst es nie sein“, schreibt sie. „Als Transgender-Frau hast du wahrscheinlich keine perfekten Modelmaße. Das ist nicht schlecht. Aber das bedeutet, dass du andere Qualitäten auf den Tisch bringen musst.“

Hari Nef könnte mit dieser Aussage Recht behalten. Der Mode geht es wohl – wie so oft – eher darum, sich abzusetzen, als sich tatsächlich mit den Anliegen der Trans-Community zu befassen. Ein Glück, dass es die Diva Hari Nef gibt, die lautstark im Internet darüber spricht, was es heißt, eine Trans-Frau zu sein – und damit ein Bewusstsein für Gleichberechtigung in der Branche schafft. Wohl deshalb schminkt Hari Nef ihr kantiges Gesicht kaum und trägt mittellange Haare. Mit ihrem androgynen Auftreten will sie eine ganz normale Frau sein, die manchmal Lust auf Make-up hat und manchmal eben nicht.

Die gegenwärtige Öffnung der Modeindustrie für Trans-Frauen sieht sie mit einer Portion Skepsis: „Es ist die Trans-Ästhetik, die gerade angesagt ist, nicht die Probleme der Trans-Menschen“, sagt Hari Nef in einem Interview mit der Vogue. Die Transgender-Menschen, die in der Modebranche arbeiten, könne man noch immer an einer Hand abzählen.