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Männlich oder weiblich? Manchmal ist das nicht so leicht zu beantworten (kallejipp)

Männlich oder weiblich? Manchmal ist das nicht so leicht zu beantworten

(kallejipp)

Menschen, die sich mit ihrem Geschlecht nicht identifizieren und danach streben, im anderen Geschlecht zu leben oder als das andere Geschlecht anerkannt zu werden, bezeichnet man als transsexuell. Mit der sexuellen Orientierung hat Transsexualität nichts zu tun. Es geht um das Verhältnis zu sich selbst, nicht zu anderen. Transsexuelle können sich wie jeder als hetero-, homosexuell oder etwas dazwischen identifizieren. Die Gewissheit, im "falschen" Körper zu leben, bedeutet einen enormen Leidensdruck für die Betroffenen und Transsexualität wird im Diagnosekatalog der Weltgesundheitsorganisation als Geschlechtsidentitätsstörung gelistet.

Um dem Leidensdruck zu entgehen und das äussere dem inneren Geschlecht anzugleichen, wählen viele transsexuelle Männer und Frauen den Weg einer Geschlechtsumwandlung mittels Operation und/oder Hormontherapie. Der Prozess bis zu diesem Punkt ist nicht leicht. Unsicherheit, große Ängste und viele Fragen begleiten die Betroffenen. Leben sie in einer Beziehung, stellt es aber auch die Welt ihres Partners auf den Kopf. Kann eine Liebe es aushalten, wenn einer von beiden sein Geschlecht wechselt? "Sie kann!", sagen Steffi und Christoph, der früher Christiane hieß.

Christoph (29): "Ich wusste, dass ich den Weg der Geschlechtsangleichung gehen muss."

Ich bin ein Spätzünder. Dass ich transsexuell bin, habe ich lange verdrängt. Ich habe mich von Anfang an in Frauen verliebt, ohne mich mit dem Label "Lesbe" wohl zu fühlen. Als ich Steffi kennenlernte, hatte ich einige erfolglose Datingversuche und eine Beziehung hinter mir, in der sich nicht nur der Sex komisch anfühlte. Eigentlich wollte ich allein sein. Aber es funkte schnell. Meine Beziehung zu Steffi lief super, aber Sex blieb ein schwieriges Thema für mich.

2010, als wir schon drei Jahre zusammen waren, entdeckte ich das Buch von Balian Buschbaum "Blaue Augen bleiben blau". Mit jedem Kapitel wurde mir klarer: "Das ist auch mein Problem. Dieser weibliche Körper ist ein Irrtum." Das war ein Schock, aber auch ein befreiendes Glücksgefühl. Viele Puzzlesteine setzen sich im Rückblick zusammen. Nach Jahren mit Depression und Angststörung hatte ich wieder Hoffnung, dass mein Leben doch noch besser werden könnte. Die Beziehung mit Steffi war das Einzige, was mich damals annähernd glücklich machte. Ich wusste, dass ich den Weg der Geschlechtsangleichung gehen muss. Egal ob sie mitgeht oder nicht. Ich wollte nicht, dass eine Beziehung die einzige Quelle für mein Lebensglück ist. Man muss zuerst mit sich selbst glücklich sein.

"Mittlerweile fühle ich mich in meinem Körper zu Hause"


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Fremd im eigenen Körper (phoenixie)

Fremd im eigenen Körper

(phoenixie)

Ich habe mir gewünscht, dass wir es zusammen schaffen, aber ich hätte verstanden, wenn sie gegangen wäre. An meiner Liebe zu Steffi hat sich nach meinem Coming-Out nichts geändert. Manche sagen, die Hormonbehandlung ändert die sexuelle Orientierung. Für mich ist das Quatsch. Auch unsere Rollenverteilung hat sich nicht verändert. Die Geschlechtsangleichung hat eins bewirkt: Sie hat uns noch stärker zusammengeschweißt.

Nach eineinhalb Jahren waren die wesentlichen körperlichen Veränderungen durch: Stimmbruch ohnehin, Bartschatten, veränderte Gesichts- und Körperform. Ich fühle mich mittlerweile in meinem Körper ganz zu Hause. Auch wenn dieser niemals so aussehen wird wie der eines Bio-Manns. Man kann einen Penis nachbauen, aber Komplikationen sind da und nicht so selten, wie oft in den Medien dargestellt. Ich wäre lieber mit einem durchschnittlichen Männerkörper auf die Welt gekommen und hätte 0815-Sex. Aber ich will, dass sich mein Leben nach zwei Jahren zweite Pubertät und zwei OPs mit Komplikationen wieder weniger um das Thema Transsexualität dreht. Daher plane ich erst mal keine weiteren OPs. Ich glaube, niemand hat das perfekte Glück und ich will meins nicht abhängig machen von zehn, fünfzehn fehlenden Zentimetern in der Hose, sondern mich auf das konzentrieren, was ich habe. Meine Beziehung zum Beispiel. Da habe ich viel genommen und Steffi hat es verdient, dass ich jetzt auch wieder mehr gebe.

Steffi (30): "Erst hatte ich Angst Christiane zu verlieren."

Bevor ich Christiane kennengelernt habe, war ich sowohl mit Männern als auch mit Frauen zusammen. Alle Beziehungen gingen immer über mehrere Jahre. Christiane und ich haben gleichzeitig bei einer neuen Firma angefangen. Da wir beide neu in der Stadt waren und niemanden kannten, haben wir viel unternommen. Und so ist es dann einfach irgendwann passiert. Irgendwann habe ich dann eben nicht mehr nur die Arbeitskollegin in ihr gesehen. Sie hatte einen tollen Charakter, wir konnten über alles reden und viel Spaß miteinander haben.

Als sie dann eines Tages mit der Geschlechtsangleichungsidee um die Ecke kam, habe ich das als Scherz abgetan. Schon vorher hatte sie öfter mal gefragt, wie das wohl wäre, wenn sie ein Mann wäre. Doch ich merkte dann schnell, dass es diesmal kein Spaß mehr war und Christiane es wirklich ernst meinte. Ich war total geschockt. In der Anfangszeit habe ich sehr viel geweint. Ich hatte einfach Angst davor, diesen Menschen zu verlieren. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass sich durch das Testosteron der Charakter verändern kann. Und ich wollte doch meine Christiane behalten.

Es hat auch ziemlich lange gedauert, bis wir Freunden von unserem Plan erzählt haben, weil ich Angst hatte, dass die dann nichts mehr mit uns zu tun haben wollen. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Alle waren total interessiert und neugierig, haben viele Fragen gestellt und uns unterstützt. Von vielen Seiten kam dann der Spruch: "Ach, dann seid ihr ja doch ein normales Paar."

"Dann habe ich mich neu verliebt"

So positiv das Outing vor den Freunden war, so negativ war es bei meinen Eltern. Sie wohnen in einer Kleinstadt, wo jeder jeden kennt. Sie haben mich aufs Schlimmste beschimpft. Sie wollen mit Christoph gar nichts zu tun haben. Zu Familienfeiern darf ich nur alleine kommen. Das hat mich sehr verletzt. Mittlerweile erzähle ich ihnen gar nicht mehr, was wir unternommen und erlebt haben, was mir sehr schwer fällt, weil ich sonst ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern habe.

Jetzt nach zwei Jahren Testosteron-Behandlung und mehreren OPs bin ich mir aber total sicher, dass Christoph und ich die richtige Entscheidung getroffen haben. Er ist viel offener und lebenslustiger geworden. Auch sexuell läuft es jetzt besser, weil er sich für seinen Körper nicht mehr schämt. Ich habe mich noch einmal neu verliebt. Und dadurch, dass wir diesen Weg zusammen gegangen sind, ist unsere Liebe intensiver geworden.

Protokoll: Paul Henkel

Links

Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität: umfassende Informationen zu medizinischen und rechtlichen Aspekten mit Forum und Links zu Selbsthilfegruppen

Portal für transsexuelle Eltern und Eltern von transsexuellen Kindern: umfassende Informationen zu medizinischen, rechtlichen und praktischen Aspekten mit Forum


FTM-Portal für Transmänner und FTM-Transgender in allen Phasen des Lebens: Forum und Chat zu allen Themen rund um Transsexualität

Transfamily – Zusammenschluss von transsexuellen Menschen, ihren Partnern und Angehörigen: Stammtisch für Erfahrungsaustausch und Beratung in Duisburg und Köln, zahlreiche Links zu weiterführenden Websites