Thema – Plastik

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Eine Welt ohne Müll

… ist möglich, wenn alle Abfälle wiederverwertet würden. Warum das auch in Deutschland noch nicht gut funktioniert: Trashtalk mit der Forscherin Christina Dornack

Foto: © Cortis & Sonderegger / 13 Photo

fluter.de: Seit Jahren fällt in Deutschland EU-weit der meiste Verpackungsmüll an. Haben wir ein Müllproblem?

Christina Dornack: Nein, davon würde ich nicht sprechen. In Deutschland funktioniert das System eigentlich recht gut. Wer Verpackungen in Umlauf bringt, ist auch für die ordnungsgemäße Verwertung und Entsorgung verantwortlich. Als Problem könnte man bezeichnen, dass gesetzlich keine Müllvermeidungsstrategie vorgesehen ist.

Das Gesamtgewicht der Plastikverpackungen hat sich hierzulande seit Anfang der 1990er-Jahre etwa verdoppelt. Warum ist das so?

Es ist bequem, verpackte Produkte einzukaufen, kleine Packungsgrößen zu haben oder Milch im Tetrapack mitzunehmen statt in einer schweren Glasflasche. Und wir kaufen heute viele Produkte häufiger und nutzen sie kürzer. Wir können es uns leisten, ein Produkt vor seinem Lebensende zu entsorgen, weil es etwas Neues gibt, das uns besser gefällt. Ich würde also sagen: Es liegt auch an unserem Verhalten.

Selbst wenn es in Deutschland auf diesen Anstieg von verpackten Wegwerfprodukten „recht gute“ Antworten geben sollte – was ist mit dem Teil des Mülls, der nicht hierbleibt?

Ein Viertel unserer Plastikverpackungen wurde bis vor kurzem nach China exportiert, ein zunehmender Anteil aber wurde dort nicht wiederverwendet und landete letztendlich in den Meeren. China hat den Import Anfang 2018 gestoppt, dann waren Malaysia, Indonesien und Vietnam Abnehmerländer, aber auch die wollen zunehmend nichts mehr annehmen. Dieser Export wird also irgendwann enden. Die gute Nachricht ist: Wir müssen uns um unser Zeug selber kümmern.

Foto: Cortis & Sonderegger

Dick eingepackt: Wer Verpackungen in Umlauf bringt, ist auch für ihre Verwertung und Entsorgung verantwortlich …

Sie forschen zur Kreislaufwirtschaft, was bedeutet, dass dieselben Ressourcen möglichst lange immer und immer wieder verwendet werden, so wie die Natur es macht. Ist eine vollständige Kreislaufwirtschaft aus Ihrer Sicht denkbar?

Wir müssen jetzt damit anfangen, sie anzustreben. Aber meine Generation wird das sicher nicht mehr erleben. Solange wir bestimmte Produkteigenschaften verlangen, die dazu führen, dass sie vielerlei Schadstoffe enthalten, so lange werden wir keine vollständig geschlossene Kreislaufwirtschaft haben. Wir benötigen zum Beispiel Aromabarrieren für Lebensmittelverpackungen oder Flammhemmer für elektronische Geräte. Das sind alles wichtige Eigenschaften, um das eigentliche Produkt zu schützen. Das Problem dabei: Diese Stoffe sind kaum von den anderen Materialien zu trennen und müssen deshalb deponiert oder verbrannt werden.

Wenn man diese Stoffe deponiert, sind sie für immer verloren und scheiden aus der Kreislaufwirtschaft aus.

Genau, oft ist es technisch noch nicht zufriedenstellend möglich, Stoffe – zum Beispiel seltene Erden aus Smartphones – zurückzugewinnen. Aber die Technik schreitet recht gut voran. Das Problem ist allerdings auch, dass keine wirtschaftlich relevanten Gerätemengen zurückkommen: Ein großer Teil lagert irgendwo in Kellern und Schubladen. Der Metallwert eines Smartphones liegt bei etwa einem Euro; wenn man den Leuten fünf Euro gibt, sobald sie ihr Handy abgeben, macht man ein Verlustgeschäft.

Bitte entsorgen – das Müll-Problem. Ein fluter-Schwerpunkt

Wie könnte man dafür sorgen, dass die Rohstoffe wiederverwendet werden?

Dafür brauchen wir die Politik. Primärrohstoffe sind heute viel billiger als Sekundärrohstoffe, weil sie gesammelt, gereinigt und aufbereitet werden müssen. Man könnte zum Beispiel die Verwendung von Primärrohstoffen massiv besteuern, sodass Recyclingrohstoffe eine ganz andere Chance auf dem Markt bekämen.

Foto: Cortis & Sonderegger

… vermieden wird Müll dadurch aber nicht, sagt Christina Dornack. 226,5 Kilogramm Verpackungsmüll verursacht jeder Mensch pro Jahr in Deutschland

 

Wie sähe ein Wirtschaftssystem aus, das nicht darauf beruht: Ressourcen ausgraben – nutzen – wegschmeißen bzw. verbrennen?

Das Wirtschaftswachstum dürfte nicht dauerhaft an den hohen Ressourcenverbrauch gekoppelt sein. Zunehmend wird es darum gehen, nicht mehr nur Produkte zu verkaufen, sondern Leistungen und Services! Ein Beispiel ist das Unternehmen Circular Economy Solutions, das sich aus einem großen Konzern heraus gegründet hat und das Thema Waschmaschinen neu angeht. Heute hat jeder Haushalt eine eigene Maschine – aber die Leute wollen eigentlich keine Waschmaschine besitzen, sondern saubere Wäsche. Wenn man ihnen eine Maschine hinstellt, sie für jeden Waschgang zahlen und die Garantie haben, dass bei Störungen spätestens 24 Stunden später wieder eine funktionsfähige Maschine da steht, sind sie zufrieden.

Wie wird dadurch Müll vermieden?

Wenn der Service der Punkt ist, mit dem Geld verdient wird, dann wird das Unternehmen dafür sorgen, dass die Produkte stabil sind, damit der Servicetechniker möglichst selten kommen muss. In diesem Wirtschaftsunternehmen macht es keinen Sinn, Maschinen zu bauen, die möglichst schnell kaputtgehen. Im Gegenteil: Da zahlt sich Langlebigkeit aus.

Christina Dornack ist Professorin am Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft der Technischen Universität Dresden 

Fotos: Cortis & Sonderegger

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.