Kassensturz
Einmal die Brieftaschen öffnen, bitte: Wie viel Geld haben junge Menschen in Deutschland zur Verfügung? Wofür geben sie es aus – und wie viel lässt sich überhaupt sparen?
„Über meine eigene Altersvorsorge mache ich mir noch keine Gedanken. Ich denke, dass ich schon klarkomme“
Ich mache eine Ausbildung zur Mediengestalterin. Mit allen Abzügen habe ich 900 Euro pro Monat raus. Von meinem Vater bekomme ich noch circa 150 Euro Unterhalt. Davon gehen monatlich 100 Euro automatisch auf mein Sparkonto. Dann ziehe ich noch meine Miete ab und rechne aus, wie viel ich pro Woche ausgeben kann. Das sind etwa 100 Euro. Mir hilft es, das in kleinere Beträge zu stückeln, um nicht den Überblick zu verlieren. Wenn am Ende des Monats etwas übrig bleibt, überweise ich den Rest auf mein Sparkonto. Damit komme ich eigentlich ganz gut aus.
Ich wohne in der Nähe von München. Hier sind die Mieten eigentlich unbezahlbar. Aber ich habe Glück und wohne zur Untermiete bei einer älteren Frau, der es nicht ums Geld geht: Für das Zimmer zahle ich 280 Euro. Auch ansonsten habe ich keine großen Ausgaben. Am meisten gebe ich wohl für Zugtickets aus. Vor meiner Ausbildung habe ich einen Bundesfreiwilligendienst gemacht und Menschen in ganz Deutschland kennengelernt, die ich oft besuche.
Letztens habe ich aber mal mit meiner Mutter über ihre Rente gesprochen. Wenn man die Kleckerbeträge auf dem Bescheid sieht, wird einem schon etwas unwohl. Aber über meine eigene Altersvorsorge mache ich mir trotzdem noch keine Gedanken. Ich denke, dass ich schon klarkomme. Weil ich Leute habe, bei denen ich wohnen kann, und nicht viel brauche. Aber vielleicht bin ich da auch zu naiv.
Mehr Sorgen bereitet mir die Zeit nach der Ausbildung. Vielleicht will ich noch mal studieren oder Praktika machen. Oder ich verdiene mal eine Zeit lang gar kein Geld. Dann brauche ich einen Puffer, damit ich nicht so abhängig von meinen Eltern bin.
Mit meinen Freundinnen rede ich offen über Geld. Manche kommen besser mit ihrem Geld zurecht, andere schlechter. Vor allem Mieten sind ein großes Problem. Als Auszubildende hat man oft ein mickriges Einkommen. Wie soll man davon ein 750-Euro-WG-Zimmer bezahlen? Viele wohnen noch zu Hause, weil es nicht anders geht. Daran muss sich dringend etwas ändern.
Paula, 22 Jahre, Auszubildende Mediengestalterin in München
„Ich kann nicht einfach so studieren, sondern muss mich nebenbei mit finanziellen Sorgen rumschlagen. Das frustriert mich“
Als ich noch in der Schule war, hatte meine Familie Schulden. Zeitweise waren wir auf Unterstützung vom Amt angewiesen. Das hat meinen Umgang mit Geld sehr geprägt. Heute bekomme ich den Bafög-Höchstsatz, ohne Krankenkassenzuschlag sind das 855 Euro im Monat. Fast die Hälfte davon geht für die Miete drauf. Den Rest spare ich, um später meine Bafög-Schulden zurückzuzahlen. Wenn man alles auf einmal zahlt, wird ein Teil erlassen.
Für mein WG-Zimmer zahle ich 390 Euro warm – für Berlin ist das echt günstig. Das Haus gehört einer Genossenschaft, die einen Vertrag mit der Stadt hat. Hier dürfen nur Studierende wohnen. Außerdem bekomme ich 255 Euro Kindergeld, die für Essen und sonstige Kosten draufgehen.
Aufgrund meiner familiären Geschichte habe ich große Angst vor Schulden, ich kaufe nie auf Raten und lebe sehr sparsam. Seit kurzem arbeite ich jedoch ein- bis zweimal die Woche in einem Bio-Supermarkt, damit ich mir auch mal Konzerttickets oder einen Sommerurlaub leisten kann. Maximal 600 Euro würde ich dafür ausgeben.
Manchmal fällt mir auf, wie ungleich die Voraussetzungen sind. Vorgestern war ich auf einem Klassentreffen. Ich habe mich mit ein paar Leuten übers Studium unterhalten. Viele kommen aus Akademikerhaushalten und werden finanziell von ihren Eltern unterstützt. Mich frustriert das. Ich kann nicht einfach so studieren, sondern muss mich nebenbei mit finanziellen Sorgen rumschlagen.
Gerade ist es besonders hart. Um Bafög zu beziehen, muss man einen Leistungsnachweis erbringen. Nach vier Semestern sind das bei mir 105 Credits. Dass meine Lebensgrundlage davon abhängt, setzt mich enorm unter Druck. Biotechnologie ist schon so ein anspruchsvoller Studiengang, und ich muss nebenher noch arbeiten. Im letzten Semester ging es mir deshalb mental sehr schlecht – ich konnte einige Prüfungen nicht schreiben und habe nicht alle Module geschafft.
Ich wünsche mir daher, dass der Leistungsnachweis wegfällt oder zumindest flexibler gehandhabt wird. Viele Lebensrealitäten lassen sich damit einfach nicht vereinbaren.
Mai Ly, 21, Biotechnologie-Studentin in Berlin
„An meine Sparkonten gehe ich nicht ran. Das ist mein Notgroschen. Und eine neue Jeans ist nun mal kein Notfall“
Ich kaufe schon immer gerne schöne Dinge. In der Schulzeit habe ich nach dem Motto „Man gönnt sich ja sonst nichts“ gelebt – das stand sogar in meinem Jahrbuch. In den Pausen habe ich mir neue Schuhe bestellt und viel auf Raten gekauft. Aber ich habe auch ordentlich dafür geackert.
Auch heute gebe ich gerne Geld aus: Mein Freund und ich haben so ziemlich jedes Streamingabo, wir fahren mindestens einmal im Jahr in den Urlaub, ich bin im Fitnessstudio angemeldet und gehe gerne shoppen.
Leisten kann ich mir das, weil ich inzwischen gut verdiene. Ich arbeite als Bankkauffrau und bekomme ungefähr 2.100 Euro netto raus. Außerdem wohne ich mit meinem Freund zusammen. Wir haben ein doppeltes Einkommen und können uns viele Kosten teilen, wie die Miete. Aktuell sind das 800 Euro.
Es gab aber auch andere Zeiten. Als ich noch in der Ausbildung war, hat das Geld hinten und vorne nicht gereicht. Etwa die Hälfte meines Einkommens ging für Miete drauf. Meine Eltern wollte ich nicht um Hilfe bitten – das war eine Frage des Egos. Also habe ich nebenbei im Einzelhandel gejobbt.
Heute sieht das anders aus. Inzwischen kann ich sogar jeden Monat Geld zur Seite legen, etwa für Autoreparaturen oder den TÜV. An meine Sparkonten gehe ich nicht ran. Das ist mein Notgroschen. Und eine neue Jeans ist nun mal kein Notfall. Ich bin disziplinierter geworden und denke inzwischen mehr an meine Zukunft. Mein Freund und ich haben einen Bausparvertrag – in ein paar Jahren wollen wir ein Haus kaufen. Aber die Zeiten sind hart, alles wird teurer. Ich habe Angst, dass wir uns das nicht mehr leisten können.
In meiner Arbeit als Bankkauffrau sehe ich oft, wie schlecht es um die Rente vieler Kunden bestellt ist. Deshalb investiere ich in Fonds. Anderen in meinem Alter würde ich raten, sich früh mit dem Thema Altersvorsorge auseinanderzusetzen. Viele schauen ein paar TikTok-Videos über ETFs und denken, sie haben den Aktienmarkt verstanden. Besser ist es, sich gut zu informieren, sonst investiert man, obwohl einem Nachhaltigkeit wichtig ist, plötzlich versehentlich in Ölkonzerne.
Anna, 25, Bankkauffrau in Nordfriesland
„Über Aktien und ETFs mache ich mir keine Gedanken. Ich investiere lieber in solidarische Beziehungen“
Als Auszubildender in der Pflege verdiene ich etwa 1.200 Euro netto. Ich bin jetzt im dritten Lehrjahr, also in der höchsten Gehaltsstufe. Manchmal kommen noch Zulagen obendrauf. Das ist nicht megaviel, aber im Vergleich gar nicht schlecht. Mein jüngerer Bruder macht gerade die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, der verdient ein Drittel weniger als ich. Auch viele Freunde, die Bafög bekommen, haben weniger.
In meiner Kindheit war das Geld immer knapp. Bei meinem Vater musste ich oft betteln, wenn ich zum Beispiel mal ins Kino wollte. Das hat meinen Blick aufs Leben geprägt.
Mit meinem Geld komme ich gut zurecht. Neue Klamotten kaufe ich mir nur selten, und ich wohne in einem selbstverwalteten Hausprojekt. Da entscheidet jeder selbst, wie viel er an Miete zahlen kann. Bei mir sind das aktuell 330 Euro im Monat – Strom und Internet inklusive. Auch das Essen teilen wir, 5 Euro pro Tag steuert jeder bei. Ich gehe aber natürlich auch draußen mal einen Döner essen. Für meinen Rugbyverein zahle ich 20 Euro. Ansonsten geht viel Geld für Limos am Kiosk drauf. Und Tabak. Das sind bestimmt so 80 Euro pro Monat. Viel bleibt da am Ende des Monats nicht übrig. Vielleicht bin aber auch einfach nicht so gut im Sparen.
Über Aktien und ETFs mache ich mir keine Gedanken. Ich investiere lieber in solidarische Beziehungen und ein stabiles Wohnumfeld. Das gibt mir Sicherheit. Letztes Jahr war ich nach einer Trennung zwei Monate wohnungslos – dank meiner Freund:innen konnte ich in einer WG unterkommen. Die hatten glücklicherweise auch kein Problem damit, dass ich mich mehrere Wochen am Kühlschrank bedient habe.
Mein Traum ist eine Gesellschaft, in der sich keiner mehr Sorgen um Geld machen muss. Ein erster Schritt könnte das bedingungslose Grundeinkommen sein. Bis es so weit ist, finde ich es wichtig, über Geld zu sprechen, statt in Konkurrenzdenken zu verfallen. Man sollte sich nicht dafür schämen, nach Hilfe zu fragen, wenn man mal pleite ist.
Fynn, 21, Pflege-Azubi, Göttingen
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