Links:  eine Kirche, rechts: eine Frau steht vor einer Wand aus Lehm

Kräuter statt Klinik

Malawi hat eines der strengsten Abtreibungsgesetze der Welt, der Widerstand gegen eine Lockerung ist groß. Dabei gefährden unsichere Schwangerschaftsabbrüche das Leben vieler Frauen im Land

Text und Fotos: Julian Hilgers
Thema: Körper
29. Oktober 2025

Um ihre Schwangerschaft zu beenden, brauchte Patuma Ganeti nur ein paar traditionelle Kräuter. Sie sollte sie verbrennen und in kochendes Wasser werfen. „Ich habe die Medizin am Morgen und am Nachmittag getrunken. Am Abend bekam ich eine Blutung“, erzählt Ganeti. Die 22-Jährige sitzt im Wohnzimmer ihres kleinen Hauses im Dorf Chiwamba, eine knappe Autostunde entfernt von der Hauptstadt Lilongwe. Nur wenige Frauen in Malawi trauen sich, offen über ihre Abtreibung zu sprechen. Denn diese ist in Malawi eine Straftat.

„Jede Frau, die schwanger ist und mit der Absicht, eine Fehlgeburt herbeizuführen, sich (…) schädliche Substanzen verabreicht (…), begeht eine Straftat und wird mit einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren bestraft.“ – Artikel 150, Strafgesetzbuch Malawi

Wer, zum Beispiel als Arzt, eine Frau bei einem Schwangerschaftsabbruch unterstützt, kann bis zu 14 Jahre inhaftiert werden. Eine Abtreibung ist in Malawi nur dann erlaubt, wenn das Leben der Mutter bedroht ist und sie dadurch gerettet werden kann. Diese Gesetzgebung stammt noch aus der britischen Kolonialzeit. Zwar sind Haftstrafen in der Praxis selten, der juristische und gesellschaftliche Druck auf Frauen aber ist enorm.

Viele Schwangerschaften sind ungeplant

Wie in vielen afrikanischen Staaten wird die Bevölkerung in Malawi bis 2050 voraussichtlich um mehr als die Hälfte wachsen. Eine Frau bekommt im Schnitt 3,6 Kinder, ein beachtlicher Teil der Schwangerschaften in Malawi ist ungeplant. Patuma Ganeti bekam ihr erstes Kind mit gerade mal 16 Jahren; in Malawi keine Seltenheit. 

Auch Ganetis erste Schwangerschaft war nicht geplant. Genau wie die zweite mit ihrem neuen Partner im vergangenen Jahr. „Ich habe vergessen, dass ich eine neue Verhütungsspritze gebraucht hätte, deshalb wurde ich schwanger“, erzählt sie. Noch immer sind Verhütungsmittel nicht überall im Land verlässlich verfügbar und nicht für alle Menschen bezahlbar. Vielen fehlt auch Wissen zum Thema Familienplanung. Weil sie fürchtete, mit einem zweiten Kind überfordert zu sein, rieten ihre Freunde Patuma gegen den Widerstand aus der Familie zu einer Abtreibung.

Strassenszene Lilongwe

Eine Straße in Lilongwe, der Hauptstadt Malawis. Das südostafrikanische Land hat rund 20 Millionen Einwohner

Laut einer Studie des Guttmacher Institute wurden 2015 schätzungsweise 141.000 Abtreibungen in Malawi durchgeführt – aktuellere Schätzungen gibt es nicht. 60 Prozent der Frauen erleben dabei Komplikationen, so auch Ganeti. „Ich hatte schreckliche Bauchschmerzen, lag einen Monat im Bett und konnte nur Getränke und Porridge zu mir nehmen.“ Damit hatte sie noch Glück. Unsichere Schwangerschaftsabbrüche sind für bis zu 18 Prozent der Todesfälle von schwangeren Frauen verantwortlich.

Um die Gesundheit von Frauen und Mädchen im Land zu schützen, setzen sich Nichtregierungsorganisationen in Malawi seit Jahren für eine Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes ein. Sie unterstützen einen Gesetzesentwurf, der erst 2016, dann 2021 im Parlament diskutiert wurde, aber nie in Kraft getreten ist. Er sieht unter anderem vor, eine Abtreibung bei Vergewaltigung oder Fehlbildung des Kindes zu erlauben.

In einem kleinen Konferenzraum außerhalb von Blantyre, dem wirtschaftlichen Zentrum im Süden Malawis, probt eine Theatergruppe. Sie trommeln und tanzen, in der Geschichte erzählt die Protagonistin von den Folgen ihres Abbruchs, die fiktive Dorfgemeinschaft ist schockiert. Am Ende halten sie ein Schild hoch: „Abortion is healthcare“ – Abtreibung ist Gesundheitsfürsorge.

Theatergruppe
Centre for Solutions Journalism

Die Theatergruppe gehört zum Centre for Solutions Journalism, kurz CSJ. Die Organisation entwickelt neben Theaterstücken vor allem Inhalte für Radio- oder TV-Sender und soziale Medien, um über Abtreibung aufzuklären. „Viele wissen nicht, dass es tatsächlich Institutionen gibt, die sichere Schwangerschaftsabbrüche anbieten“, erklärt Programmmanagerin Penelope Kamanga. Lokale Organisationen wie Banja La Mtsogolo betreiben dafür Gesundheitscenter im ganzen Land. Offiziell führen diese Einrichtungen Abtreibungen nur dann durch, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist – in der Praxis unterstützen sie jedoch jede Frau, die eine Abtreibung wünscht. 

Das CSJ erhält für seine Arbeit Unterstützung von Organisationen aus dem Ausland wie dem Safe Abortion Action Fund oder AmplifyChange. Doch die Kürzungen bei weltweiten Entwicklungshilfegeldern, vor allem aus den USA, könnten die Arbeit künftig einschränken. 

Eine große Mehrheit ist gegen Abtreibungen

Die meisten Malawierinnen und Malawier sprechen sich in Umfragen klar gegen Abtreibung aus. Eine Umfrage des Afrobarometer, einem Verbund unabhängiger Meinungsforschungsinstitute auf dem Kontinent, zeigt: 82 Prozent der Befragten in Malawi halten Abtreibung für ungerechtfertigt, selbst wenn die Frau durch Vergewaltigung schwanger wurde. Chikondi Chabvuta von der humanitären Organisation CARE erklärt diese Haltung unter anderem mit dem großen Einfluss der Kirche und traditionellen männlichen Anführern in den Dörfern. Ein Großteil der Bevölkerung lebt auf dem Land, rund 80 Prozent sind Christen und 14 Prozent Muslime. 

„Es wird nie so weit kommen, dass ein Mensch über das Leben eines anderen entscheiden kann. Abtreibung sollte deshalb nie legalisiert werden“, sagt Patrick Kamba, Priester und Teil der Katholischen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden in Malawis Bischofskonferenz. Auch Haftstrafen hält Kamba für gerechtfertigt, Sex zum Vergnügen sei von Gott nicht vorgesehen.

Kirche in Lilongwe

Der Einfluss der Kirche ist in Malawi groß. Die Mehrheit der Menschen sind Christen

Christlich-konservative Organisationen beziehen vielerorts ähnliche Positionen und kämpfen, aus ihrer Perspektive, für den Schutz des Lebens von ungeborenen Kindern. CitizenGo aus Spanien oder Family Watch International aus den USA etwa setzen sich in Malawi und weltweit gegen die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ein.

2019 gründete sich in Malawi mit dem Religious Leaders Network for Choice erstmals auch eine Gruppe von Vertretern von mittlerweile mehr als 1.000 Christen und Muslimen, die eine Legalisierung befürworten. Dass sich die Gesetze in Malawi zeitnah ändern, ist aber unwahrscheinlich. Nach 2016 sollte auch 2021 eine Änderung im Parlament eingebracht werden. Die Versuche scheiterten am politischen Gegenwind.

Patuma Ganeti würde sich wünschen, dass staatliche Krankenhäuser legale Abtreibungen anbieten. „Dann hätten wir die Kontrolle über unseren eigenen Körper – und würden uns wirklich beschützt fühlen.“

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.