Ein Pfandleihhaus in Neukölln, an sich des Schaufensters und der Auslage, in der eine Kette liegt

So ist es, ich zu sein: Stammkunde im Pfandleihhaus

Wenn bei Peter (44) das Konto leer ist, verleiht er seine Goldkette und bekommt dafür kurzfristig Geld. Die hohen Zinsen darauf findet er weniger belastend, als die Vorstellung, Freunde um Geld zu bitten

Protokoll: Paulina Albert
24. Juli 2025

Das erste Mal war ich mit 18 Jahren im Pfandleihhaus. Damals habe ich meine PlayStation aus der Not heraus verpfändet, weil ich überhaupt kein Geld mehr auf dem Konto hatte und keine Arbeit. Ich nahm die PlayStation, weil ich nichts anderes mit Wert besaß. Dafür habe ich circa 200 D-Mark bekommen.

Das ist 26 Jahre her, heute bin ich 44 Jahre alt. Seitdem war ich jedes Jahr ein- oder zweimal im Pfandleihhaus. 

Gerade habe ich meine Goldkette wieder von dort abgeholt. Ich hatte sie dort hinterlegt, weil mein Konto leer war, ich war blank. Ich arbeite als Security-Mitarbeiter in einer Sicherheitsfirma, da verdiene ich 2.800 Euro brutto im Monat. Manchmal reicht das einfach nicht, also habe ich mir gesagt: Ich hole jetzt mein Gehalt vom Pfandleihhaus und wenn ich wieder genug zusammenhabe, dann zahl ich es direkt zurück. Das war mir die 84 Euro Zinsen wert. 

Das Ganze funktioniert so: Man gibt im Pfandleihhaus einen Gegenstand ab, dessen Wert dort erst mal geschätzt wird. Danach kann man sich Geld in der Höhe ausleihen, bar auf die Hand. Man vereinbart eine Laufzeit, bei meinem Pfandhaus zum Beispiel drei Monate, bis der Pfandschein abläuft. Wenn ich die Kette in dem Zeitraum nicht abhole und das geliehene Geld plus Zinsen und Gebühren zurückzahle, wird sie eigentlich versteigert. Aber man kann die Laufzeit auch verlängern, indem man alle Zinsen und Gebühren, die pro Monat anfallen, abbezahlt. Danach hat man wieder Zeit, um das Pfandstück auszulösen.

 

„Die Zinsen können sich anhäufen. Man zahlt dann eben Lehrgeld. In einem Fall musste ich alle drei Monate 250 Euro Zinsen abbezahlen. Über ein Jahr waren das 1.000 Euro, quasi für nichts“

Im Pfandleihhaus hätte ich für die Kette dieses Mal bis zu 4.000 Euro bekommen können. Das Pfand kann aber mehr wert sein als die Summe, die man sich ausleiht. Wenn man nicht so viel Geld braucht, macht es Sinn, weniger zu nehmen, weil man die Zinsen und Gebühren auf die geliehene Geldmenge zahlt. Hätte ich 4.000 Euro geliehen statt 2.800 Euro, wären das also auch mehr Zinsen gewesen. 

Vor diesem Mal war ich zuletzt vor einem Jahr im Pfandleihhaus. Ich bin in den Urlaub nach Holland gefahren und brauchte noch ein bisschen Taschengeld. Ich habe mir 2.000 Euro geliehen, auch indem ich die Kette verpfändete.

Dass etwas versteigert wurde, ist mir noch nie passiert. Ich hole die Sachen immer wieder ab, sobald ich das Geld habe. Die längste Zeit, die ich etwas im Pfandleihhaus liegen hatte, war ein Jahr. Die Zinsen haben sich da angehäuft, das hat mich schon gestresst. Man zahlt dann eben Lehrgeld, in dem Fall musste ich alle drei Monate 250 Euro Zinsen abbezahlen. Über ein Jahr waren das 1.000 Euro, quasi für nichts. Bereut habe ich trotzdem nie, etwas verpfändet zu haben. Irgendwie hatte ich ja auch keine andere Wahl. Ich habe ein Kind, dem möchte ich nicht sagen müssen: „Papa hat kein Geld mehr.“ 

Ich komme aus Berlin-Neukölln und gehe immer zu demselben Pfandleihhaus auf der Sonnenallee. Ich mag die zwei Damen, die dort arbeiten. Sie sind vertrauenswürdig. Manchmal lachen sie auch, wenn ich komme, und scherzen: „Na, die Kette haben wir aber schon lange nicht mehr gesehen.“ Es ist ein lockeres Verhältnis, aber es ist auch anonym. Die Frauen fragen nicht, wofür ich das Geld brauche, und auch nicht, warum ich es gerade nicht habe. Sie nehmen einfach das Stück, das ich verpfänden will, begutachten es und sagen mir, was ich dafür bekomme. 

„Ich möchte meine Freunde oder meine Familie einfach nicht fragen, wenn ich Geld brauche. Da steckt auch Scham dahinter“

Ich verpfände seit Jahren immer nur meine Goldkette, die ich mal von meiner Freundin geschenkt bekommen habe. Die Kette ist mein Notgroschen. Ich gehe eigentlich immer zum Pfandleihhaus, wenn ich Geld brauche, ich möchte meine Freunde oder meine Familie einfach nicht fragen: „Entschuldigung, kannst du mir mal 3.000 Euro leihen?“ Es steckt auch Scham dahinter, dass ich in meinem Umfeld niemanden nach Geld fragen will. 

Dabei bin ich nicht der Einzige, der aus meiner Familie und von meinen Freunden zum Pfandleihhaus geht, das tun viele. Mein Schwager zum Beispiel hat dieselbe Goldkette wie ich, er verpfändet sie auch manchmal.

Dass Pfandleiher einen abzocken, sehe ich nicht so. Ich finde, es ist eine ehrliche und faire Sache. Es kommt nichts dazu, es wird nicht weniger. Und ich kann mich immer darauf verlassen, dass es diese Option gibt. 

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Titelbild: Hahn & Hartung