Jugendliche mit Transparenten beim "Trans Day of Visibility march"

„Wie soll ich mich sicher fühlen, wenn niemand für mein Existenzrecht eintritt?“

Donald Trump nennt geschlechtsangleichende Behandlungen bei Minderjährigen „böse“, in gut der Hälfte der US-Bundesstaaten sind sie mittlerweile verboten. Was bedeutet das für die Betroffenen?

Von Alina Schneider
Thema: Körper
23. Oktober 2025

„Das ist herzzerbrechend“, „Ich werde umziehen müssen“, „Wir sind ihnen scheißegal“. Nach dem erneuten Amtsantritt Donald Trumps ließen die Reaktionen auf Social Media nicht lange auf sich warten. Viele junge trans Personen sorgten sich um ihre Zukunft in den USA. 

Und tatsächlich: Gerade einmal acht Tage im Amt erließ Trump im Januar eine Verfügung, die einem landesweiten Verbot geschlechtsangleichender Behandlungen bei minderjährigen trans Personen gleichkommt. Das Dekret mit dem Titel „Protecting Children from Chemical and Surgical Mutilation“ richtet sich gegen Pubertätsblocker, Hormone oder geschlechtsangleichende Operationen für unter 19-Jährige. Kliniken, die solche Behandlungen anbieten, werden dadurch von der Förderung durch Bundesmittel ausgeschlossen. 

Was ist trans?

Der Begriff „trans“ bezeichnet Menschen, die sich mit ihrem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht nicht identifizieren oder sich von ihm nicht beschrieben fühlen. Manche trans Personen streben eine körperliche (etwa durch Hormone oder Operationen) und/oder soziale Angleichung an – etwa durch neue Ausweise, einen neuen Vornamen oder neue soziale Rollen. Dieser Prozess der Angleichung wird Transition genannt. 

Was sind geschlechtsangleichende Maßnahmen?

Der Begriff bezeichnet medizinische und therapeutische Schritte, die trans Personen dabei unterstützen, ihren Körper an ihre Geschlechtsidentität anzupassen. Bei minderjährigen trans Personen zählen dazu vor allem die Einnahme von Hormonen und Pubertätsblockern, aber auch die psychologische Begleitung der Behandlung. Geschlechtsangleichende Operationen bei jugendlichen trans Personen sind stark reglementiert. In Deutschland sind sie nur in Ausnahmefällen ab dem 16. Lebensjahr und unter strengen Auflagen möglich. 

Im Juni folgte dann ein Urteil mit Signalwirkung für das ganze Land: Das oberste US-Gericht entschied, dass bundesstaatliche Verbote von geschlechtsangleichenden Behandlungen für trans Jugendliche rechtmäßig sind. Aktuell sind geschlechtsangleichende Maßnahmen für Minderjährige in 27 von 50 US-Bundesstaaten verboten, das betrifft etwa 100.000 jugendliche trans Personen.

Geklagt hatten drei trans Jugendliche aus Tennessee, wo ein entsprechendes Verbot bereits gilt. Die Jugendlichen sahen sich in ihrem Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Eine der Klägerinnen, eine 16-jährige trans Frau, berichtete vorab in einem Interview von ihrer schwierigen Schulzeit. Mit dem Einsetzen der Pubertät habe sie sich zunehmend zurückgezogen. Aus Angst vor Ausgrenzung mied sie die Schultoiletten, was schließlich zu Harnwegsinfektionen führte. Erst durch die Einnahme von Pubertätsblockern und Östrogen habe sie die Möglichkeit gehabt, sich in ihrem Körper wohlzufühlen. „Es ist ein sehr beängstigender Gedanke, diese medizinische Behandlung abzubrechen“, sagte sie vor dem Urteil. „Dass ich nicht mehr ich selbst sein kann, fühlt sich an wie Body-Horror im echten Leben.“ Doch die konservative Mehrheit des Gerichts gab ihrer Klage nicht statt.

Medizinische Fachverbände sind gegen Verbote

„Dieses Urteil trifft junge Menschen in ihrer verwundbarsten Lebensphase. Sie verlieren den Zugang zu lebenswichtiger Versorgung“, sagt Ash Lazarus Orr vom Interessenverband Advocates for Trans Equality (A4TE). Seine Organisation wertet das Vorgehen der Trump-Regierung als verfassungswidrig und kritisiert, dass dadurch das Recht auf Selbstbestimmung untergraben werde. „Politiker sollten sich nicht in medizinische Entscheidungen einmischen“, so Orr. 

Auch die Mehrheit der großen medizinischen Fachverbände in den USA lehnt die Verbote ab. Organisationen wie die American Academy of Pediatrics (AAP), die Endocrine Society und die American Academy of Child and Adolescent Psychiatry (AACAP) sprechen sich für geschlechtsangleichende Behandlungen bei Jugendlichen aus – vorausgesetzt, diese erfolgen unter sorgfältiger medizinischer Begleitung. Ihre Einschätzung stützt sich auf eine breite Datenlage. Studien zeigen, dass jugendliche trans Personen, die Zugang zu geschlechtsangleichender Versorgung erhalten, ein stärkeres Selbstwertgefühl entwickeln und seltener Depressionen oder Suizidgedanken haben. Fast alle setzten ihre Behandlung auch im Erwachsenenalter fort – mit hoher Zufriedenheit.

Konservative Stimmen halten dagegen. Sie sind überzeugt, dass Jugendliche nicht reif genug seien, um derartig langfristige Entscheidungen über ihren Körper zu treffen. Außerdem kritisieren sie den Einsatz von Pubertätsblockern und Hormonen. Wie alle medizinischen Maßnahmen bergen auch diese Risiken – etwa für das Knochenwachstum, die Fruchtbarkeit oder die neurologische Entwicklung. Langfristige Studien zu möglichen Nebenwirkungen gibt es bisher kaum, was in der Debatte häufig als Argument gegen solche Behandlungen angeführt wird. Fachgesellschaften und zahlreiche Expert:innen warnen jedoch davor, diese Unsicherheiten als Vorwand zu nutzen, um trans Jugendlichen grundsätzlich den Zugang zu medizinischer Versorgung zu verwehren. Manche Kritiker:innen sehen Transidentität auch als einen Trend, der sich über Social Media verbreitet. Geschlechtsangleichende Maßnahmen lehnen sie mit dem Verweis auf Kinder- und Jugendschutz ab. 

Wie umfassend die Auswirkungen der Gesetze sind, zeigt ein Bericht von Human Rights Watch. Die Menschenrechtsorganisation sprach dafür von Dezember 2023 bis Frühjahr 2025 mit 51 Personen in 19 US-Bundesstaaten – darunter trans Jugendliche, Eltern und Gesundheitsdienstleister. Klinikmitarbeitende berichten dabei von Bombendrohungen, Brandstiftungsversuchen und koordinierten Belästigungskampagnen. Einige Kliniken waren gezwungen, teure Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Diese Situation hat viele Anbieter dazu gebracht, ihre Dienste einzustellen oder in Bundesstaaten mit weniger restriktiver Gesetzgebung umzuziehen. 

Manche müssen den Wohnort wechseln

Die Folge: Immer mehr trans Jugendliche und ihre Familien stehen vor großen Hindernissen. „Sie müssen ihr Leben komplett umkrempeln, um einen Arzt aufsuchen zu können“, so Studienautorin Yasemin Smallens. Elf der befragten Familien geben an, regelmäßig für Rezepte und Termine in andere Bundesstaaten reisen zu müssen. Einige Jugendliche konnten ihre Behandlung gar nicht erst beginnen, andere mussten ihren Wohnort wechseln, um medizinisch versorgt zu werden. Dies wirkt sich auch auf die mentale Gesundheit aus. „Wir wussten nicht, dass die Behandlung lebensrettend war – bis sie verboten wurde“, berichtet die Mutter einer 17-jährigen trans Tochter.

Die Verbote hätten zu einem Klima der Angst geführt, erklärt Yasemin Smallens. Zu Beginn ihrer Arbeit für Human Rights Watch sei es leichter gewesen, mit betroffenen Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Aber spätestens seit der Wiederwahl von Donald Trump seien viele zurückhaltender. Dazu trägt auch eine zunehmend aggressive Rhetorik bei. Der republikanische Senator Roger Marshall bezeichnete Transitionsbehandlungen bei Minderjährigen als „Kindesmissbrauch“. Die Folgen für Betroffene seien schwerwiegend: „Wie soll ich mich sicher fühlen, wenn niemand mehr in einer Machtposition für mein Existenzrecht eintritt?“, fragt Smallens.

Auch gegenüber fluter.de wollten sich Betroffene und Ärzt:innen nicht äußern. „Ich gebe aktuell keine Interviews“, schreibt eine Ärztin per Mail. „Die allermeisten Kolleginnen auch nicht.“ 

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Titelbild: Erica Lansner/Redux/laif