Selbst von Südamerika-Kennern bleibt meist ein Gebiet des amerikanischen Doppelkontinents unentdeckt. Genau genommen sind es drei kleine tropische Länder, die zwischen dem Atlantik und dem nördlichsten Teil Brasiliens liegen: Guyana, Suriname und Französisch-Guayana. Allen drei gemein ist, dass weite Flächen mit Regenwald bedeckt sind, die Flora und Fauna dadurch besonders vielfältig ist und die meisten Menschen in den Städten der Küstenebene leben.
Guyana: bekannt durch einen totalitären Sektenstaat
Es liegt schon einige Jahre zurück, da machte Guyana weltweit gruselige Schlagzeilen: Am 18. November 1978 kam es in der Siedlung Jonestown
im Nordwesten des Landes zu einem kollektiven Selbstmord von mehr als 900 Menschen. Der US-amerikanische Sektenführer Jim Jones, der zu dieser Zeit mit seinen Anhängern völlig abgeschottet im Urwald lebte, hatte allen befohlen, Zyankali zu nehmen. Wahrscheinlich weil er fürchtete, nach dem Besuch eines US-Abgeordneten könnte bekannt werden, dass einige Sektenmitglieder gegen ihren Willen in Jonestown festgehalten wurden. Er selbst starb bei dem Massaker.
Das heutige Guyana geht auf niederländische Kolonien im 16. und 17. Jahrhundert zurück, gehörte später dann aber auch zu Großbritannien und Frankreich, bis das Land 1966 unabhängig wurde. Gut 20 Prozent der rund 780.000 Einwohner leben in der Hauptstadtregion Georgetown. Die größten ethnischen Gruppen der Republik sind die Afro-Guyaner, die von ehemaligen Sklaven aus Afrika abstammen, und die Indo-Guyaner, deren Vorfahren ab 1838 als Vertragsarbeiter aus dem ehemaligen Britisch-Indien ins Land geholt wurden. Die Amtssprache ist Englisch. Seit 2015 wird Guyana von dem Präsidenten David Arthur Granger, einem ehemaligen hochrangigen Militär, geführt. Die Bestrafung homosexueller Handlungen und auch die Todesstrafe im Strafrecht gehören zur traurigen Realität unter seiner Regierung.
Suriname: unverkennbar geprägt durch die Niederlände
Suriname mit der Hauptstadt Paramaribo ist das kleinste unabhängige Land Südamerikas. Im Jahr 1498 entdeckte es Christoph Kolumbus – ebenso wie Französisch-Guayana. Geprägt wurde es dann vor allem durch die Niederländer, die dort 1613 einen Handelsposten errichteten, und später durch die Engländer. Von der ethnisch sehr heterogenen Bevölkerung der rund 570.000 Einwohner stammt heute mehr als ein Drittel von afrikanischen Sklaven ab, fast die Hälfte der Surinamer ist christlich. Die Amtssprache ist Niederländisch. Die wechselvolle Geschichte des Landes reicht von der Abschaffung der Sklaverei (1863) über die Unabhängigkeit von den Niederlanden (1975) bis zu der Zeit der Militärdiktatur (1980–1987). Ein großer Teil der Bevölkerung emigrierte im 20. Jahrhundert, etwa um Arbeit zu finden. So gingen mehrere Hunderttausend Surinamer in die Niederlande. Heute lebt ein großer Teil der Surinamer im Ausland. Nach demokratischen Wahlen im Jahr 2015 regiert Präsident Desi Bouterse, doch immer noch wird die Politik bestimmt vom Einfluss des alten Militärs und ist durch Korruption gekennzeichnet. Die Wirtschaft des Landes profitiert vor allem von Bodenschätzen wie Gold und Erdöl.
Französisch-Guayana: der Außenseiter Südamerikas
Die sogenannte Teufelsinsel, 13 Kilometer vor der Küste Französisch-Guayanas, wurde fast 100 Jahre lang bis 1946 als Strafkolonie für Schwerverbrecher genutzt. Bis zu 70.000 Häftlinge lebten unter menschenunwürdigen Verhältnissen in dem Arbeitslager. Im 20. Jahrhundert brachten das als autobiografischer Roman vermarktete Buch „Papillon“ von Henri Charrière und die Verfilmung des Stoffes die Teufelsinsel erneut ins kollektive Gedächtnis. Heute befindet sich auf dem Archipel auch eine Radar- und Funkstation, um die Raketenstarts aus dem Raumfahrtzentrum Guayana zu überwachen. 1968 von den Franzosen in der Stadt Kourou in Betrieb genommen, wird der für das Land wirtschaftlich bedeutende Weltraumbahnhof seitdem immer wieder erweitert. Wenngleich Französisch-Guayana wie viele Länder Südamerikas von Niederländern, Briten und Franzosen kolonialisiert wurde, besitzt es eine Sonderstellung auf dem Kontinent. Denn seit 1946 gehört das ethnisch sehr diverse Land mit seiner Hauptstadt Cayenne und seinen circa 260.000 überwiegend christlichen Einwohnern als Übersee-Département zu Frankreich. Damit gelten die französischen Gesetze, und das Land ist Teil des EU-Binnenmarkts.