Ganz am Anfang erinnert Michael Moore daran, wie unwahrscheinlich der Wahltriumph von Donald Trump war. Noch am Abend vor der Präsidentschaftswahl vom 8. November 2016 galt ein Sieg der Gegenkandidatin Hillary Clinton als ausgemachte Sache. Eine fein montierte Sequenz aus TV-Mitschnitten rekapituliert, wie die scheinbare Gewissheit zerrann. Clinton liegt vorn, dann gewinnt der Republikaner Trump den Swing State Ohio. Die Wende.
Am 9. November um 2.29 morgens erleuchtet ein Porträt Trumps das Empire State Building – der Mann wurde zum 45. US-Präsidenten gewählt. Nicht nur Michael Moore brennt nun eine Frage unter den Fingernägeln:
„How the fuck did this happen?“
Wie zum Teufel also konnte es dazu kommen? Wie Moore zu Trump steht, legt bereits der an seinen Anti-Bush-Film „Fahrenheit 9/11“ angelehnte Titel nahe. Polarisierend sind beide, Moore wie Trump. Der Regisseur tut gar nicht erst unparteiisch. Zu Trumps Wahlparty spielt er das finstere Stück „Ave Satani“ aus dem Horrorfilm „Das Omen“ ein. Später unterlegt er eine Hitler-Rede mit O-Tönen von Trump. Der Polemiker liefert, wofür er steht: agitatorisches Dokutainment mit klarer Haltung.
Die Ursachen für Trumps Aufstieg sieht Moore in dessen Spiel mit den Medien. Der anfangs belächelte „Goldesel“ bescherte hohe Quoten. Jeder noch so abstruse Tweet wurde (und wird) breit besprochen – was unvorstellbar schien, schlich in den Bereich des Möglichen. Eine Szene zeigt, wie Trump den Kameramann bei einer Kundgebung anweist, die große Zuhörerschaft zu filmen. Der Fernsehmacher, willfährig, tut wie ihm geheißen.
Natürlich attackiert Moore Trumps von weißer Identitätspolitik, Rassismus und Frauenfeindlichkeit geprägte Wahlkampagne. Aber auch die Demokratische Partei lässt Moore nicht ungeschoren. Er zeigt, wie die Führungsriege den an der Basis beliebten Kandidaten Bernie Sanders ausgebootet hat, um Clinton zu hofieren. Die Arbeiterschicht fühlte sich verlassen, Trumps Populismus verfing dagegen.
Alarm bei General Motors: Michael Moore ist im Anmarsch
Nur ein gutes Viertel des Films gilt Donald Trump. Als wie so oft in Moores Filmen seine Heimatstadt Flint in Michigan in den Blick rückt, avanciert die Doku zum Recherchestück. In Flint hatte Michigans republikanischer Gouverneur Rick Snyder 2014 den Bau einer Pipeline veranlasst. Das spülte Geld in die Kasse – und bleihaltiges Wasser in die meist armen Haushalte. Krankheitsfälle folgten, die Bevölkerung wurde mit falschen Messwerten irregeführt, der verantwortliche Konzern General Motors blieb unbehelligt. Auch der hoffnungsvoll erwartete Auftritt des damaligen Präsidenten Barack Obama enttäuschte. Während der Rede in Flint verlangte Obama ein Glas Leitungswasser und tat so, als würde er die Plörre trinken, nippte aber nur.
Auf die Wasserkrise in Flint kommt Moore mehrfach zurück. Dazwischen sammelt er reichlich Material zum politischen Klima in den USA, kommentiert eine Abfolge aus TV-Beiträgen, Pressekonferenzen, Fotos, Artikeln, kurzen Interviews. Im schnellen Takt montierte Sequenzen reißen zig Themen an, darunter Lehrerproteste in West Virginia und Jugendmärsche nach dem Schulattentat von Parkland. Unterm Strich zeichnet der Gedankenstrom eine Nation, die zu zerreißen droht.
Für Michael Moore erfordert die Krise politische Beteiligung. Das Amerika der Trumpisten könne nur eine liberale Gesellschaft überwinden. Eine, die bereit ist, die bedrohte Freiheit zu verteidigen. Als ein Mitarbeiter von General Motors dem Notruf meldet, dass eine Gruppe Demonstranten im Anmarsch ist, will die Polizistin wissen, ob die Leute Waffen tragen. Die Antwort: „Michael Moore is here.“
Titelbild: Midwestern Films