Ein Abendessen mit dem Chef des Fernsehsenders, um die weitere Entwicklung ihrer Rolle zu besprechen. Nach zehn Jahre Kellnern und Castings in Hollywood erkennt endlich jemand, dass sie Talent hat – und eigene Ideen. Die (über-)ambitionierte Schauspielerin Ruth Wilders spielt seit kurzem in einer Frauen-Wrestling-Show mit. Jetzt will tatsächlich jemand ihre Meinung hören, glaubt sie. Mit Siegerlächeln auf den Lippen fragt sie den Kellner nach dem richtigen Tisch. „Bungalow zwei“, antwortet der. Nein, nein, es geht nur um ein Abendessen. „Mister Grand macht seine Meetings immer auf seinem Zimmer.“
Man kann sich schon fragen, wie man in Zeiten der #MeToo-Debatte eine Serie über Frauen machen kann, die in Bodys und transparenten Strumpfhosen mit viel Glitzer im Gesicht und toupierten Haaren in einem pinken Boxring wrestlen, selbst wenn das Ganze im LA der 1980er-Jahre spielt. Und dann kann man Glow gucken.
Basierend auf einer wahren Geschichte haben die Glow-Macherinnen Liz Flahive (Homeland) und Carly Mensch (Weeds, Orange Is The New Black) sich ein so offensichtlich sexistisches Setting ausgesucht, um daraus einen Ort der Befreiung für die unterschiedlichsten Frauen zu machen.
Das geht so: Der erfolglose, frustrierte Regisseur Sam Sylvia castet auf Wunsch eines reichen Muttersöhnchens und Wrestling-Fans aka Produzent eine Gruppe „unkonventioneller“ Frauen zusammen, wie die beiden es nennen. Zunächst müssen alle Frauen ihren „Wrestling-Character“ finden, der bei den meisten irgendetwas mit ihrer Abstammung zu tun hat – oder dem, was die Männer für ihre Abstammung halten. Aus der Inderin Arthie wird „Beirut – The Mad Bomber“, die schwarze Tammé (gespielt von Ex-Wrestlerin Kia Stevens) wird zur „Welfare Queen“. Jenny, die eigentlich kambodschanische Wurzeln hat, wird zum chinesischen „Fortune Cookie“.
Betrunken auf der Couch mit dem Senderchef
So weit, so rassistisch und verstörend. Und so satirisch. Nach und nach entwickeln die Frauen ihre Charaktere dann selbst so weiter, dass sie Spaß an der Arbeit haben. Regisseur Sylvia lässt sie – es bleibt ihm auch nichts anderes übrig. So versuchen die „Gorgeous Ladies Of Wrestling“ sich mit ihrer Show im Fernseh-Business zu behaupten. An Protagonistin Ruth ist übrigens nur „ungewöhnlich“, dass sie lieber die männlichen als die weiblichen Rollen spielen würde, weil sie die spannender findet und deshalb als Schauspielerin erfolglos ist.
Mitten in der zweiten Staffel steht Ruth also vor der Bungalow-Tür. „Tu’s nicht!“, will man ihr noch zurufen, als sie tief durchatmet und eintritt. Wenig später sitzt sie betrunken auf der Couch. Statt Essen wurde bisher nur Wein serviert. Ruth versucht, das Gespräch strikt beim Geschäftlichen zu belassen. Trotzdem landet das Ohr des Senderchefs irgendwann an ihrer Brust, getarnt als Wrestling-Move, den sie ihm zeigen soll. Ruth ergreift die Flucht, am nächsten Tag wird der Sendeplatz der Show von 10 Uhr auf 2 Uhr morgens verschoben.
„Hätte ich mit ihm ficken sollen?“
Als Ruth sich der Produzentin der Show anvertraut, kommt es zum Streit. „Hätte ich mit ihm ficken sollen?“, fragt Ruth. „Nein. Du sollst ihn glauben lassen, dass du wahnsinnig gern mit ihm ficken würdest, wenn du nicht verlobt wärst oder grad deine Tage hättest oder ein Gebiss hast, wo eigentlich deine Vagina wäre“, bekommt sie zurück. Das sei aber nicht wahnsinnig feministisch, sagt Ruth. Die abgebrühte Antwort: „Feminismus hat Prinzipien und das Leben Kompromisse.“
So könnte die #MeToo-Debatte in den 1980er-Jahren gelaufen sein. Knapp 30 Jahre später ist das Film- (beziehungsweise Netflix-) Stoff – in einer Serie über meist halbnackte aber immer kämpfende Frauen.