Auch wenn die Entscheidung zwischen Hillary Clinton und Donald Trump wohl die weitreichendste sein wird – sie war nicht die einzige, die US-Amerikaner an diesem „Ballot Tuesday“ zu treffen hatten: Die mehr als 200 Millionen Wahlberechtigten stimmten auch über einen Großteil der Parlamentssitze in Washington ab. So werden die Republikaner in den nächsten Jahren beide Kammern des US-Kongresses (Senat und Repräsentantenhaus) kontrollieren. Außerdem entschieden die Bürger auf regionaler Ebene in über 150 politischen Einzelfragen: von Mindestlohn über Zuckersteuer bis zu Solarenergie.
Ein wichtiger Unterschied zur Wahl des Präsidenten: Während Mr. oder Ms. President indirekt über die Wahlmänner des „Electoral College“ gewählt wird, stimmen die US-Amerikaner über die konkreten Themen der Referenden direkt ab.
Bei manchen Abstimmungen ging es um Leben und Tod
Dass die zahlreichen Sachabstimmungen ausgerechnet auf den Tag der Präsidentschaftswahl fallen, ist kein Zufall, sondern Auswirkung eines neuen Gesetzes, das eine höhere Wahlbeteiligung sichern soll. Ein Wunsch, der besonders bei näherer Betrachtung nicht überrascht, ging es bei den Abstimmungen doch schon mal um Leben und Tod – wie diese Auswahl zeigt:
Todesstrafe
Über die Todesstrafe wurde in gleich drei Bundesstaaten abgestimmt: Nebraskas Bürger beispielsweise wurden gefragt, ob sie die im vergangenen Jahr abgeschaffte Todesstrafe erneut einführen wollen – und haben dem Vorschlag zugestimmt. In Oklahoma entschieden die Wahlberechtigten, die Hinrichtungen beizubehalten. Und in Kalifornien, dem mit Abstand bevölkerungsreichsten Bundesstaat der USA, gab es gleich zwei einschlägige – bisher noch nicht ausgezählte – Abstimmungen: Vorschlag Nummer 62 zielt darauf ab, die Todesstrafe abzuschaffen und lebenslange Haft (im Sinne von: „bis zum Tode“) als schwerste Strafe einzuführen. Vorschlag Nummer 66 dagegen sieht vor, die Todesstrafe beizubehalten, aber den Berufungsprozess zu beschleunigen.
Marihuana
Ein kleiner Joint, um die Aufregung nach der Präsidentschaftswahl zu lindern? In drei Bundesstaaten, nämlich Kalifornien, Massachusetts und Nevada, wird das bald eine legale Option sein, in Maine steht die Entscheidung dazu noch aus. Einzig Arizona stimmte dagegen, Marihuana als Genussmittel zu legalisieren. In Montana, Arkansas, Florida und North Dakota gab es zusätzlich Referenden über den medizinischen Gebrauch der Droge. Die Zustimmung der letzten beiden Bundesstaaten steht bereits fest. Das „Time“-Magazin schrieb zu den Vorstößen: „Während derzeit etwa 5 Prozent der Bevölkerung in Staaten leben, in denen Gras komplett legal ist, könnte am 9. November fast ein Viertel der US-amerikanischen Bevölkerung an Orten aufwachen, an denen Hasch zum Spaß konsumiert werden darf.“
Obdachlosigkeit
Besonders in Großstädten der US-amerikanischen Westküste leben viele Menschen auf der Straße. Einige Orte nahmen deshalb den „Ballot Tuesday“ zum Anlass, diese zu adressieren – und bei positiver Abstimmung mit großem Budget zu bekämpfen: Los Angeles etwa, wo mit 44.000 Menschen besonders viele obdachlos sind, stimmte über ein zehn Jahre andauerndes Hilfsprogramm ab. 1,2 Milliarden Dollar (zwölf Stellen hinter der Eins) könnten investiert werden, wenn zwei Drittel der Wähler ihr „Ja“ geben. Auch wenn das genaue Ergebnis noch aussteht: Marqueece Harris-Dawson, Mitglied des Stadtrats twittert bereits über den Erfolg des Vorstoßes.
Kondompflicht
Weniger staatstragend, aber dennoch sensibel ist das Thema einer anderen in Kalifornien abgehaltenen Abstimmung: Die Bürger sollten über die Einführung einer Kondompflicht für Pornodarsteller entscheiden. Kritisiert wurde der Vorschlag vor allem von den Darstellern selbst: Ein derartiges Gesetz sei ein Eingriff in ihre Freiheit, wäre durch ohnehin regelmäßig stattfindende Gesundheitstests überflüssig und würde die Filmproduktion in den Untergrund drängen – oder eben in einen anderen Bundesstaat. Doch „Porn Valley“, wie das Zentrum der Pornoindustrie in Los Angeles’ San Fernando Valley auch genannt wird, bleibt ein Umzug erst mal erspart, denn der Vorschlag wurde mit einer knappen Mehrheit abgelehnt.
Alle Ergebnisse und den jeweils genauen Stand der Auszählungen kann man zum Beispiel hier nachlesen (rechts oben auf „State Results“ klicken).
Titelbild: Foto: T.J. Kirkpatrick/ReduxRedux/laif