Den Busen ein bisschen größer, die Ohren ein bisschen kleiner, da die Falte weg und den Nasenhöcker bitte schön auch. Filter drauf, fertig!
Die Zeiten, in denen Selfies noch als spontane Schnappschüsse gelten durften, die unverblümten Einblick in jemandes Alltag gewährten, sind lange vorbei. Die Zeiten, in denen noch irgendwer glaubte, was auf Instagram und Co. zu sehen ist, allerdings auch.
Die Fotografin Scarlett Carlos Clarke will nun mit einer Fotoserie darauf aufmerksam machen, dass uns all die makellosen Gesichter – selbst wenn wir wissen, wie sie entstehen – ganz schön negativ beeinflussen. Und zwar nicht nur jene User, die die Fotos sehen, sondern auch die, die sie von sich selbst kreieren.
Dass Clarkes Bilder für ein Hochglanzmagazin entstanden und neben eitlen Frauen auch eine Menge teurer Klamotten zeigen, wirkt zwar ein bisschen widersprüchlich – der Relevanz von Clarkes Beobachtungen tut es aber dennoch keinen Abbruch.
Die Botschaft der Bilder aber ist aktueller denn je: Wir sind ganz wild nach Selbstoptimierung
Die Arbeit „Body Dysmorphia“* zeigt Frauen, die von ihrem eigenen Antlitz besessen sind: Eine Rothaarige räkelt sich vor einem Wandspiegel. Eine Blondine begutachtet sich im Handspiegel. Eine Brünette liegt lasziv vor einem Fernseher, der – Überraschung! – sie selbst zeigt. Mit ihren toupierten Haaren und überholten Gerätschaften (iPhones gibt es keine) wirken die Frauen wie aus einer anderen Zeit. Die Botschaft der Bilder aber ist aktueller denn je: Wir sind ganz wild nach Selbstoptimierung.
„Obwohl manche Mädchen vielleicht total unsicher sind, verletzlich und voller Selbstverachtung, besitzen sie eine narzisstische Seite, die sie mit Selfies füttern“, sagte die junge Fotografin in einem Interview mit dem Magazin „Dazed“. Gerade auf das „Offline-Leben“ junger Frauen hätten stark manipulierte Selfies einen großen Einfluss. Fotos zu bearbeiten wäre quasi wie Make-up – nur einen Schritt weiter.
„Menschen erschaffen sich im Internet ein neues Ich. Und dann gehen sie nicht mehr raus oder unter Leute, weil sie jenes Bild bevorzugen, das sie kreiert haben“, sagt Clarke. Viele würden ihrem eigenen Leben entfliehen wollen und deshalb ein Image aufbauen, das lustiger, ausgelassener, vermeintlich interessanter ist als ihr reales Ich. Doch dieses erschaffene Wesen sei eine Lüge, die einen irgendwann einhole.
„Wenn du stark emotional involviert bist, solltest du einen Schritt zurück machen und überlegen, wer du wirklich bist.“
Ein prominentes Beispiel, dass diese Annahme womöglich nicht so weit hergeholt ist, ist der Teenie-Star Essena O’Neill. Die australische Bloggerin löschte im November letzten Jahres ihren Instagram-Account – obwohl sie pro Post über 1.000 Euro verdiente. Sich zu inszenieren und perfekte Bilder von sich zu posten habe ihr ganzes Leben eingenommen, gab sie zur Begründung an.
Dass Selfies von Grund auf böse sind, behauptet die Fotografin Scarlett Carlos Clarke aber nicht. Besonders wenn die Fotos „ehrliche Darstellungen“ wären, also mit Pickeln und allem Drum und Dran, könnten sie auch ermutigen. Noch scheinen „aufrichtige“ Social-Media-Accounts zwar in der Unterzahl zu sein. Ein paar prominente User machen die neue Ungeschminktheit aber schon ganz gut vor.
*Von dieser Krankheit Betroffene beschäftigen sich ständig mit ihrem Äußeren und ihren als solchen empfundenen Makeln. Aus Angst, irgendwo könnte beispielsweise gerade ein Pickel sprießen, betrachten sie sich krankhaft oft im Spiegel – oder eben mit Hilfe der Handykamera.