Die Standarddatenquelle für die Messung von „Armut oder sozialer Ausgrenzung“ in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind die European Union Statistics on Income and Living Conditions, kurz EU-SILC genannt. Von Armut gefährdet ist demnach, wer: (1) über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens des Landes verfügt, in dem er lebt; (2) in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung lebt, einem sogenannten „Erwerbslosenhaushalt“.

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cms-image-000045698.jpg (Illustration: Frank Höhne)
(Illustration: Frank Höhne)

Das bedeutet: Die tatsächliche Erwerbsbeteiligung der im Haushalt lebenden erwerbsfähigen Haushaltsmitglieder beträgt weniger als 20 Prozent ihrer potenziellen Erwerbsbeteiligung; (3) mindestens vier finanzielle Engpässe hat, etwa zu wenig Geld für Miete, Heizen, eine Waschmaschine, jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder eine gleichwertige vegetarische Mahlzeit – oder für eine Woche Urlaub im Jahr an einem anderen Ort als zu Hause.

In Deutschland lag im Jahr 2013 (und auch schon 2012) die Armutsgefährdungsquote bei 16,1 Prozent der Bevölkerung. Gut jede zehnte Person war dauerhaft von Armut gefährdet, das heißt: im Jahr der Erhebung und in mindestens zwei der drei vorigen Jahre. Die Zahlen sind eine Hochrechnung, die auf einer Stichprobe befragungsbereiter Haushalte in Deutschland basiert.

Dieses Konzept hat Schwächen. Denn steigt das durchschnittliche Einkommen, dann steigt auch die Armutsgefährdungsgrenze von 60 Prozent dieses Einkommens. Die Zahl der Armutsgefährdeten bliebe also konstant, auch wenn ihre Einkommen ebenfalls ansteigen würden. Statistiker kritisieren: Man kann Armut nicht messen, indem man sich an den Wohlhabenden orientiert. Man sollte stärker die Armen für sich in den Blick nehmen.

Abgesehen von diesen Kontroversen gilt als sicher, wer besonders von Armut gefährdet ist: Arbeitslose, Alleinerziehende und ihre Kinder, allein lebende Menschen sowie Menschen mit geringer Bildung. Ihnen muss die Politik besonders helfen, fordern etwa der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Caritas einhellig, die sich wiederum uneins sind über die Aussagekraft der Quote der von Armut Gefährdeten.

Felix Ehring arbeitet als freier Journalist. Bei der Recherche wurde ihm von Zahl zu Zahl klarer: Ob es nun um Armut, Geburten, Arbeitslosigkeit oder Klimaschutz geht – Interessengruppen führen eine teilweise erbitterte Debatte um die Deutungshoheit dieser Zahlen. Und: Einige Journalisten vermelden amtliche Zahlen einfach, ohne sie zu hinterfragen und einzuordnen. Dabei gilt für jede Zahl: Sie sagt nicht nur etwas aus, sie verschweigt auch etwas.