Die Glotze bleibt kalt – die Zukunft der Kommunikation 

»Vor zehn Jahren hätte niemand vorausgesagt, dass Menschen heute ihre Plattensammlungen in der Hemdtasche mit sich herumtragen.« Das sagt der Medienwissenschaftler Lothar Mikos, und tatsächlich schreitet die Weiterentwicklung im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechniken (ITK) besonders forsch voran. Der Münchner Kreis – ein gemeinnütziger Zusammenschluss von Informations- und Kommunikationsexperten hat zusammen mit drei Partnern einen Ausblick auf die Jahre bis 2030 herausgegeben. Den Rahmen für die Studie »Zukunft und Zukunftsfähigkeit der Informations- und Kommunikationstechnologien und Medien« bereitete eine Beobachtung von Gordon Moore, dem Mitbegründer der Chipfirma Intel. Der sagte vor gut 40 Jahren voraus, dass sich die Dichte elektronischer Schaltungen etwa alle zwölf bis 24 Monate verdoppeln werde. Der Münchner Kreis geht davon aus, dass das Internet im Jahr 2025 bereits mit 195 MBit pro Sekunde übertragen wird, fünf Jahre später bereits doppelt so schnell (heute ca. 54 MBit). Spätestens in zehn Jahren werden laut Studie 95% der Erwachsenen in Deutschland das Internet regelmäßig nutzen (Mitte 2009 waren es 69). Und 2024 werde nicht mehr das Fernsehen, sondern das Internet das Unterhaltungsmedium Nummer eins in Deutschland sein. Zudem werde es vom Jahr 2024 an für drei Viertel der Mediennutzer in Deutschland normal sein, ein und denselben Medieninhalt über verschiedene Träger zu nutzen. Außerdem: Ab dem Jahr 2015 werden in Deutschland mehr Menschen das Internet regelmäßig über mobile Endgeräte als über stationäre Computer nutzen. 

Woher die das wissen wollen? Für diese Prognosen wurden weltweit Experten befragt – im Rahmen einer Delphi-Studie. Der Name leitet sich vom Orakel von Delphi ab. Bei der Delphi-Methode werden Experten aus verschiedenen Disziplinen mehrmals befragt – in jeder Fragerunde haben sie die Möglichkeit, die Antworten der Experten aus den anderen Fachbereichen in ihre Einschätzungen einfließen zu lassen.


Der neue Autofahrer

Immer mehr Menschen sehen in einem schicken Smartphone ein größeres Statussymbol als in einem großen Auto. Nur in Brasilien, Russland, Indien und China – dem sogenannten BRIC-Markt – taugt eine große Karre in Zukunft noch zum Angeben. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest die Unternehmensberatung Arthur D. Little, die weltweit große Konzerne berät. Für die Studie »Zukunft der Mobilität 2020« hat sie recht unterschiedliche Typen ausgemacht, auf die sich die Autoindustrie einrichten sollte. Unter ihnen der »Greenovator«, der in den westlichen Industrienationen im Jahr 2020 bereits 27 Prozent des gesamten Automobilmarktes ausmachen soll. Er möchte gern »intelligente, nachhaltige, teilweise sogar asketische Fahrzeugkonzepte«. Neben diesem grünen Asketen wird es noch den »Family-Cruiser«geben, der beim Versuch, Karriere, Kindererziehung und Freizeit unter einen Hut zu bekommen, ein multifunktionales Vehikel benötigt. In größerem Ausmaß wird es auch den »High-Frequency-Commuter« geben, der zwischen Jobs, Wohnorten und Projekten hin und her fährt und deswegen auf Carsharing und kurzfristige Mietwagenangebote abfährt. »Wer spart, hungert bloß für die Erben«, sagt sich wiederum der »Silver Driver« – ein Rentner, der auch im Alter noch mal Gas gibt und nach bandscheibenschonenden Sportflitzern verlangt. Am beruhigendsten für die Autokonzerne dürfte noch die Erkenntnis sein, dass die sogenannten »Car Guys« oder »Sensation-Seekers« – Typen also, für die Autofahren einfach das Schönste ist – noch nicht ganz ausgestorben sein werden. Das dürften im Jahr 2020 allerdings wesentlich weniger sein als die »Low-End-User«, die sich das Autofahren wegen der hohen Spritpreise schlichtweg nicht mehr leisten können. Ganz generell sieht die Studie ein globales Anwachsen der grünen Bewegung voraus. Neue Antriebe wie Elektromotoren werde man in großen Zahlen von Kalkutta bis Berlin sehen. Ein weiteres Fazit der industrienahen Beratungsfirma: Produkte, welche am neuen grünen Denken vorbeientwickelt sind, werden kaum noch vermarktbar sein.

Woher die Unternehmensberatung das alles weiß? Sie hat eine ganze Menge Interviews geführt, u. a. mit Wissenschaftlern, Soziologen, Marktforschern und Autoentwicklern. Zudem hat sie Umfragen ausgewertet über Kaufabsichten, gegenwärtige Konsumtrends und Schätzungen über die Entwicklung von Einkommen und Populationen.


Eine Menge Holz – der Wald wird immer wichtiger 

Oftmals sind die Ergebnisse von Studien nicht eindeutig, stattdessen werden unter- schiedliche Szenarien durchgespielt. Ein klassisches Beispiel für solch eine Untersuchung ist die Studie »Zukünfte und Visionen Wald 2100«, für die sich im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen von Forst- und Wirtschaftswissenschaften bis hin zur Umweltethik zusammengeschlossen haben. Im Zentrum der Untersuchung stand die wachsende Bedeutung des Rohstoffes Holz vor allem als nachwachsender Energieträger in einer sogenannten biobasierten Wirtschaft. In den kommenden 100 Jahren werde der Wald laut Studie »zum Ort des Konflikts« im Spannungsfeld zwischen Umweltschutz, wirtschaftlicher Nutzug und dem Bedürfnis der Menschen nach Erholung. Derzeit werden rund 60 Mio. Kubikmeter Holz in deutschen Wäldern geschlagen, potenziell wären in den nächsten 20 Jahren durch Aufforstung und höheren Einschlag sogar etwa 79 Mio. Kubikmeter jährlich nutzbar. Der Forderung der Holzindustrie und Energiewirtschaft nach erhöhtem Holzeinschlag wurde bereits nachgekommen. Noch gehört der Wald vielen: Insgesamt verteilt sich der private und öffentliche Waldbesitz auf 1,5 Millionen Eigentümer. Doch das könnte sich bald ändern, wenn etwa verschuldete Kommunen kein Geld mehr für die teure Waldpflege haben. Hin- zu kämen neue Akteure wie Unternehmen aus der chemischen Industrie, der Biotechnologie, der Energiewirtschaft oder auch Investmentfonds. Wenn der Wald aber auf diese Weise aufgekauft wird, so warnt die Studie – dann bestehe die Herausforderung für den Staat darin, die sich verschärfenden Nutzungskonflikte durch kluge Vermittlung zu moderieren. Damit der Wald nicht nur als Ressourcenspender, sondern auch als ökologischer Rückzugsraum erhalten bleibt.

Wie kommt’s, dass die Forscher den Wald vor lauter Bäumen noch sehen? Im Projektteam arbeiteten Wissenschaftler/-innen aus den Forst-, Umwelt-, Wirtschafts-, Sozial- und Regionalwissenschaften, aus der Zukunftsforschung und Umweltethik zusammen mit Praktikern der Holz- und Forstwirtschaft. Das Team stützte sich auf Untersuchungen zu zukunftsrelevanten Problemfeldern wie Globalisierung, Klimawandel oder demografischer Wandel und schaute, was davon für die Zukunft des Waldes relevant ist.


Gallium ist das neue Gold – seltene Rohstoffe werden knapp

Eisen, Aluminium und Kupfer – mit diesen Metallen hat man früher das große Geschäft gemacht. Doch der eigentliche Run findet heute auf ganz andere Metalle statt: Gallium, das u.a. aus dem Erz Bauxit gewonnen wird, Neodym, das vor allem in China vorkommt, Indium, das so selten wie Silber ist und in Ostsibirien gefunden wurde, Germanium aus Kupfer- oder Zinkerz oder Scandium. Diese seltenen Rohstoffe werden dringend für die Industrien von morgen benötigt. Im Elektrofahrzeugbau, der Lasertechnik, in Handys und Flachbildschirmen sowie für Beschichtungen von Solarzellen – der Bedarf, den die Zukunftstechnologien an hauchdünn auftragbaren und mit besonderen Leiteigenschaften ausgestatteten Metallen haben, wird in den nächsten Jahren rasant ansteigen. Und zwar womöglich mehr, als von den Hightechrohstoffen verfügbar ist. Das Bundesministerium für Wirtschaft hat eine Studie in Auftrag gegeben, die untersucht hat, in welchem Umfang die Edelmetalle im Jahr 2030 benötigt werden. Fazit: Bei manchen Rohstoffen, etwa dem für die Dünnschichtfotovoltaik benötigten Gallium, steigt der Bedarf auf das Sechs- fache der derzeitigen Weltproduktion. Bei Neodym, das in Elektroautos und der Lasertechnik verwendet wird, immerhin noch auf das 3,8-fache. Dennoch, so die Autoren der Studie – darunter Experten vom Fraunhofer- Institut für System- und Innovationsforschung – gibt es ausreichend Zeit, den Rohstoffbedarf in 20 Jahren sicherzustellen. Viele technologische Entwicklungen haben nämlich einen längeren Vorlauf als die Umsetzung neuer Bergbauprojekte oder anderer Gewinnungsmethoden.

Wie man den Bedarf in 20 Jahren errechnet? Die Zukunftsstudie war vor allem eine Rechenaufgabe: Aus den derzeitigen Entwicklungszyklen neuer Technologien, dem spezifischen Rohstoffbedarf und der Verbreitung der Konsum- und Industriegüter, in denen die seltenen Metalle Verwendung finden, wurden Faktoren für Gleichungen errechnet. Das Datenfundament dafür wurde durch Auswertung von Fachdatenbanken und zahlreichen Interviews gelegt.