Deutschland, im Jahr der WM: "Die beste Aufstellung für 2006", jubelt ein Spruchband und darunter, im Schaufenster der Hypovereinsbank, stehen ein Paar über den Waden abgeschnittene Fußballerbeine herum. Es scheint um ein Anlagemodell zu gehen. Die Postbank füllt ein Stadion mit gelben Bällen und Volkswagen erklärt den Polo zum Libero und den Golf zum Goalgetter. Im Werbespot der Bayerischen Zimmerer- und Holzbauverbände (VBZH) taucht eine Fußballspardose auf und eine den Kräuterschnaps Kümmerling trinkende Runde macht Fußballwitze. Und das alles ist erst der Anfang.

Die Werbung ist endgültig im Jahr der Weltmeisterschaft angekommen und es gilt anscheinend der Satz: Eine Marke kann gar nicht so fußballfern sein, als dass man sie nicht doch irgendwie mit der Weltmeisterschaft in Verbindung bringen könnte. Laut einer Umfrage wollen 70 Prozent der werbetreibenden Unternehmen aus Deutschland die WM werblich nutzen. Die WM ist das Ereignis schlechthin, daher sind Sensibilität und Aufmerksamkeit beim Thema Fußball um ein Vielfaches höher als sonst. Also, so die Philosophie der Werbenden, sollte man sein Produkt damit in Verbindung bringen. Vorsichtigen Schätzungen zufolge werden während der WM rund 5000 Werbebotschaften pro Tag auf die Kunden einprasseln, die alle irgendwie mit dem Großereignis zu tun haben wollen. Der Fachmann spricht da vom Overkill. Davonlaufen geht nicht, also wird der Konsument irgendwann alles ignorieren, was sich nicht von der Fußballmasse abhebt. Nicht nur Michael Trautmann von der Werbeagentur Kempertrautmann warnt vor der "größten Werbetapete, die es jemals in unserem Land gab."

Eckhart Müller vom Fachblatt Kressreport ergänzt: "Erfolg werden nur die Firmen haben, die intelligent und kreativ mit der WM umgehen". Der Kressreport veranstaltet sogar Seminare, auf denen Werber diskutieren, wie eine gute WM-Werbung aussehen muss und wie man rechtliche Hürden umschifft. Denn um ihre eigenen Kampagnen exklusiv zu halten, haben die offiziellen Sponsoren viel Geld an die Fifa gezahlt, jeder der 15 Hauptsponsoren allein rund 45 Millionen Euro. Nur sie dürfen zum Beispiel mit dem offiziellen WM-Logo werben. Auch Begriffe wie "Fußball-Weltmeisterschaft" oder "WM2006" sind für andere verboten. Aber im Weltmeisterschaftsjahr verbinden wir jeden Fußball, jedes Trikot und jede Eckfahne automatisch mit der WM. Daher haben auch wilde Werber gute Chancen auf die von den Unternehmen erhoffte Aufmerksamkeit.

Schon jetzt kann man auf so genannte Guerilla-Marketingkampagnen von Nichtsponsoren gespannt sein. WM-Sponsor Emirates Airline beispielsweise muss hilflos zuschauen, wie Nichtsponsor Lufthansa mit auf die Flugzeugnasen gemalten Fußbällen durch WM-Deutschland fliegt. Den "Turnierburger" wird der offizielle WM-Sponsor McDonald’s seinem Konkurrenten Burger King kaum verbieten können und auch die Mediamarkt-Werbung "Wir holen den Titel" ist rechtlich unangreifbar. Wortspiele werden im Sommer Hochkonjunktur haben, ein Schokoriegelhersteller ruft den "Wettmeister" aus, ein Getränkefabrikant wird den Geschmack "Wäldmeister" anbieten. "Eine witzige Werbung bringt im Zweifel mehr, als sich ‚Hauptsponsor der WM’ aufs Plakat zu pinseln", meint Müller. Im Notfall greift man eben zu Fußballvokabeln, preist "Steilpässe in die Zukunft" an, wie das Stadtmarketing von Köln. Hauptsache Fußball, oder?

"Nein, genau da liegt die Gefahr. Viele Unternehmen werden ihr Budget sinnlos mit unkreativen und vor allem unwirksamen Aktionen vergeuden", meint Müller. Firmen sollten es sich also genau überlegen, ob sie sich wirklich in die Reihe der WM-Werbenden einreihen wollen. Trotz der Weltmeisterschaft, meint Lothar S. Leonhard von der Werbeagentur Ogilvy & Mather, sollten die beworbenen Marken schon einen halbwegs schlüssigen Bezug zu den Themenfeldern Männer, Sport oder, idealerweise, sogar Fußball haben. Leonhard beruhigt vor allem Inhaber fußballfremder Marken: "Es wird keiner untergehen, der nicht mit dem WM-Zug mitfährt."

Illustration: Ruzi