„Celovec“ steht auf dem Schild im Vorgarten eines Klagenfurter Einfamilienhauses. Es ist ein Statement. Wer genauer hinschaut, entdeckt viele dieser Schilder hier in der Hauptstadt des südlichsten österreichischen Bundeslands Kärnten, das dank seiner Seen und Berge zu den beliebtesten Tourismuszielen Österreichs gehört und mit der Verleihung des Ingeborg-Bachmann-Preises jeden Sommer den Blick der deutschsprachigen Literaturszene auf sich lenkt. „Celovec“ ist der slowenische Name von Klagenfurt, das nur knapp 30 Kilometer nördlich der Grenze zu Slowenien liegt. Und die Kärntner Slowenen sind die größte autochthone – also einheimische, aber anderssprachige – Volksgruppe Österreichs.

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August 2011: Sogar der österreichische Kanzler kommt zur Montage der Ortstafel in Sittersdorf / Zitara vas (Foto: Gert Eggenberger)

August 2011: Sogar der österreichische Kanzler kommt zur Montage der Ortstafel in Sittersdorf / Zitara vas

(Foto: Gert Eggenberger)

„Man hat bereits den Eindruck, dass in Kärnten mehr Slowenen als richtige Kärntner leben“, hat der Lokalpolitiker Harald Dobernig von der rechtspopulistischen FPÖ vor zwei Jahren gesagt. Das ist freilich ein sehr subjektiver Eindruck. In Kärnten leben mehr als eine halbe Million Menschen. Zu den Kärntner Slowenen zählen, je nach Quelle und Zugehörigkeitsverständnis, 5.000 bis 50.000 Personen – eine kleine Volksgruppe, die unter besonderem Schutz steht.

Der Österreichische Staatsvertrag sah deswegen schon bei seiner Unterzeichnung im Jahr 1955 vor, dass in den südlichen Kärntner Gemeinden, in denen slowenische Bürger leben, Slowenisch als Amtssprache gilt und auch die Ortsschilder zweisprachig sein müssen. Nur leider war nicht genauer definiert, wie das gehandhabt werden sollte, wie groß etwa der Anteil der slowenischsprachigen Bürger in einer Gemeinde sein muss. So begann der „Ortstafelstreit“, und deswegen stehen heute die Celovec-Schilder in Klagenfurter Vorgärten.

Besonders brisant wurde es im Herbst 1972. Am 20. September ließ der damalige österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky zweisprachige Tafeln aufstellen. Der Schritt kam für viele Kärntner überraschend und löste unter einigen Teilen der Deutschkärntner große Empörung aus. In den kommenden Nächten demontierten und beschmierten Einzelpersonen immer wieder die neuen Schilder. Die Behörden beseitigten die Schäden umgehend.

In der Nacht zum 10. Oktober 1972, dem 52. Jahrestag der Volksabstimmung über die Zugehörigkeit Südkärntens zu Österreich, nahm der Widerstand organisierte Formen an. Zwei Kolonnen von jeweils über 100 Autos fuhren durch die Kärntner Gemeinden, schraubten die Schilder – zum Teil unter den Augen der überforderten oder wegsehenden Gendarmerie – ab und stimmten dann das Kärntner Heimatlied an. Die Aktion ging als „Ortstafelsturm“ in Kärntens Geschichte ein.

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Oktober 1972: Mehrere hundert Kärntner beteiigen sich am Ortstafelsturm (Foto: picture-alliance/APA)

Oktober 1972: Mehrere hundert Kärntner beteiigen sich am Ortstafelsturm

(Foto: picture-alliance/APA)

Danach ging der Ortstafelstreit erst richtig los – eine zähe Mischung aus trockener Bürokratie und verbissenem Patriotismus. Immer wieder wurden Ortsschilder übermalt und demontiert, auch deutschsprachige. Erst 2011 konnten sich die Kärntner Politiker auf einen Slowenen-Mindestanteil von 17,5 Prozent pro Gemeinde einigen und kamen so auf 24 Gemeinden, in denen 164 zweisprachige Ortstafeln aufgestellt wurden. Zufrieden waren damit nicht alle. Eine der drei an den Verhandlungen beteiligten Slowenen-Organisationen, der „Rat der Kärntner Slowenen“, hatte dem Kompromiss nicht zugestimmt, und auch der damalige slowenische Europaabgeordnete Ivo Vajgl sah nach dem Beschluss „keinen Grund zum Feiern“.

Der Konflikt zwischen den beiden Kärntner Volksgruppen ist dabei tief verankert. Angefangen hatte er schon gegen Ende des Ersten Weltkriegs. Damals marschierten Truppen des SHS-Staates (das spätere Königreich Jugoslawien) in Südostkärnten ein, um den Teil zu annektieren, nachdem Kärnten die Zugehörigkeit zur „Republik Deutschösterreich“ (1918–1919) beschlossen hatte. Es folgten monatelange Gefechte mit einigen hundert Toten, die in Österreich „Kärntner Abwehrkampf“ heißen und in Slowenien „Kampf um die Nordgrenze“. Schließlich besann man sich und ließ das Volk entscheiden. Am 10. Oktober 1920 entschied sich schließlich eine knappe Mehrheit von 59 Prozent der Südkärntner für einen Verbleib in Österreich.

Der Tag ist auch heute noch ein patriotisches Spektakel. Vor allem von der in Kärnten lang regierenden FPÖ wird die Geschichte politisch instrumentalisiert. Im Ortstafelstreit spielte ihr langjähriger Vorsitzender und Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider bis zu seinem Unfalltod im Oktober 2008 eine entscheidende Rolle. Wie Haider selbst seine politische Rolle im Ortstafelstreit gewichtete, machte er spätestens im Januar 2006 in einer Rede klar: „Wahrlich, ich sage euch: Vor 2000 Jahren ist einer auferstanden und hat den Grabstein verrückt. Heute findet sich ein Landeshauptmann, der die Ortstafeln verrückt.“

Erst im Juni gab es wieder Zoff

Es gibt viele Verbände, die sich noch heute für den Kultur- und Spracherhalt der Kärntner Slowenen einsetzen oder an die slowenischen Partisanen erinnern, die gegen das NS-Regime gekämpft haben. Dass diese Institutionen immer noch wichtig sind, zeigt sich spätestens, wenn man die Statements von Politikern wie Harald Dobernig hört, der die Ortstafellösung als „Einstiegsdroge“ bezeichnete. Oder wenn der „Kärntner Abwehrkämpferbund“ sich wieder mal mit slowenenfeindlichen Aussagen in die Schlagzeilen bringt.

Gerade erst im Juni stieß sich der Bund daran, dass im Ort Eisenkappel ein Schulzentrum zweisprachig beschildert wurde. Man warf dem Bürgermeister und der Schulverwaltung „rechtswidriges Handeln“ vor, aber der Vorwurf wurde bislang nicht weiter ernst genommen. Der sozialdemokratische Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser teilte durch seinen Pressesprecher dazu mit, dass das Volksgruppengesetz die Möglichkeit vorsehe, dass die Schule über eine mehrsprachige Aufschrift entscheiden darf.

Ganz vorbei ist die Auseinandersetzung also noch immer nicht. Und so lange werden wohl auch die Celovec-Schilder als stumme Zeugen des Ortstafelstreits stehen bleiben.

Saskia Hödl, 29, ist Wienerin und arbeitet bei der „taz“ als Volontärin. Kärnten kennt sie aus ihrer Kindheit vom Skiurlaub