Worum geht’s
Fritz Honka ist eine traurige Existenz: Schielend, schwitzend, schwankt der Alkoholiker mit zertrümmerter Nase und Sprachfehler durch das Hamburg der 70er-Jahre. Seine Abende verbringt er mit anderen Säufern in der St.-Pauli-Kaschemme „Der Goldene Handschuh“. Hin und wieder gabelt er hier Frauen auf, die noch tiefer gefallen sind als er, und nimmt sie mit in seine miefige Dachgeschosswohnung. Dort hat er kläglichen, erniedrigenden, sadistischen Geschlechtsverkehr mit ihnen, einige ermordet er anschließend. Die zerstückelten Leichen versteckt er in den Wänden seiner Wohnung.
Wie wird’s erzählt?
Filmisch sehr solide mit den Mitteln des gehobenen deutschen Autorenkinos. Wir sehen wohltemperiert geschnittene, schön fotografierte Bilder, oft in dieser warmen Farbstimmung der 70er mit vielen Braun-, Orange-, Ocker- und Waldgrün-Tönen. Was an den liebevoll eingerichteten Schauplätzen passiert, ist weniger wohltemperiert. Regisseur Fatih Akin zeigt die Grausamkeiten des Fritz Honka schonungslos. Es wird geflucht, geprügelt, gepisst und auch getötet, der Höhepunkt ist eine mehrminütige Strangulierungsszene. Wirklich nur die allerbrutalsten Dinge – etwa, wie einer Frau der Kopf abgesägt wird – sind lediglich indirekt zu sehen.
Was zeigt uns das?
Menschen sind grausame Wesen? Ja, das auf jeden Fall. Aber sonst? Gute Frage. Bei aller Drastik lässt einen der Film irgendwie leer und unberührt zurück. Brutalität und Ekel erscheinen wie reiner Selbstzweck, auch wird man das Gefühl nicht los, dass sich hier einer ein wenig zu sehr verliebt hat in die skurrile Gegenwelt der Kiezkneipe, mit den putzigen Namen („Tampon-Günter“, „Dornkaart-Max“), den sentimentalen Schlagern („Es geht eine Träne auf Reisen“, „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“), dem Doppelkorn, den Sinnlos-Dialogen. Das Ergebnis ist eine Milieustudie, in der Alkoholikerschicksale nur ausgestellt werden, wie in einem Menschenzoo.
Gut zu wissen
Fritz Honka gab es wirklich, zwischen 1970 und 1975 tötete er in Hamburg vier Prostituierte, saß fünfzehn Jahre im Gefängnis und starb 1998 in einem Altenheim – die Originalfotos von Täter, Opfern und Schauplätzen im Abspann sorgen für mehr Gänsehaut als die 110 Minuten zuvor. Honkas Taten verursachten ihrerzeit ein großes Medienecho und waren Vorbild für den hochgelobten Roman „Der Goldene Handschuh“ von Heinz Strunk (2016). An dem wiederum hat sich Fatih Akin orientiert, die Handlung aber, wie das nun mal so ist bei einem Zwei-Stunden-Film, deutlich zusammengeschnurrt.
Good Job!
Wie die Maskenbildner*innen aus den Schauspielergesichtern Alkoholikerfressen gemacht haben, mit aufgeplatzten Äderchen, tiefen Ringen und glasigen Augen, blauen Flecken, Falten, Schweißflecken und allem, was dazu gehört, ist beeindruckend.
Schwierig
Wie viel Misogynie sollte man zeigen? Eine ähnliche Diskussion gab es vor zwei Jahren schon beim deutschen Film „Fikkefuchs“. Denn es ist natürlich so: Fritz Honka hasst Frauen, auf eine sadistische und ekelhafte Weise. Er erniedrigt sie, beschimpft sie, schlägt sie, tötet sie. Das nicht zu zeigen, wäre Quatsch und verharmlosend, außerdem wäre dann kein Film mehr übrig. Aber ab wann ist die Gewaltdarstellung nur noch voyeuristisch? Im „Goldenen Handschuh“ wird diese Linie mehr als einmal hart strapaziert.
Taschentuchmoment
Statt Taschentüchern lieber Kotztüten mit ins Kino nehmen. Ergreifend ist hier nichts.
Ideal für …
Leute, die mit dem Saufen aufhören wollen. Wer eine Warnung braucht, wohin der Teufel Alkohol einen führen kann: Hier ist sie.
Titelbild: Gordon Timpen / 2018 bombero int./Warner Bros. Ent.